
"Es geht ums Eingemachte"
Verdi zieht Bilanz: Allein 150 Streiktage im Edeka-Lager in Schwabach
"Von Minijob und Mindestlohn bis Arbeitszeit und Amazon", lautete der Titel einer Veranstaltung, zu der die SPD-Frauen Schwabach eingeladen hatten. Jaana Hampel, die als Gewerkschaftssekretärin bei Verdi Mittelfranken den Einzelhandel begleitet, bot den Frauen der AsF reichlich Diskussionsstoff.

Verdi, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, ist mit rund 40.000 Mitgliedern in Mittelfranken, davon die Hälfte weiblich, die größte Frauenorganisation, so Jaana Hampel: "Frauen zu empowern, ihre Selbstbefähigung zu stärken – das sehe ich als meine Hauptaufgabe."
Die meisten Einzelhandel-Beschäftigten haben eine Rente von weniger als 1000 Euro
Wie nötig das ist, untermauerte sie mit beispielhaften Zahlen: 90 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel bezögen am Ende ihrer Erwerbszeit noch immer mit weniger als 1000 Euro Rente. Eine Kassiererin bewegt bis zu zwei Tonnen täglich. Nur 20 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel arbeiten in tarifgebundenen Unternehmen.
In manchen Handelsunternehmen arbeiten Frauen regulär bis zu 30 Wochenstunden, haben aber vertraglich nur einen Anspruch auf 20 Wochenstunden, was die Planungssicherheit des eigenen Einkommens sehr erschwert. Die überwiegende Zahl der weiblichen Beschäftigten im Handel trage mittlerweile erheblich zur Einkommenssicherung bei, auf die eine Familie angewiesen ist.
Die Öffnungszeiten des Einzelhandels bedeuten schon heute eine große Herausforderung für viele Frauen mit Kindern. Zu erwarten sei, so die Gewerkschaftssekretärin, dass die neue Staatsregierung auch die Auseinandersetzung um die Aufweichung der Ladenschlusszeiten wieder aufnehmen werde. "Aber wenn die Ladenöffnungszeiten erweitert werden, so schadet das vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen, denn deren Kosten steigen und der Umsatz nicht."
150 Streiktage allein in Schwabach - vor allem bei Edeka
Seit dem Frühjahr berühren die laufenden Tarifverhandlungen im Groß- und Einzelhandel auch die Verbraucherinnen und Verbraucher direkt. Jaana Hampel sprach von 150 Streiktagen, die es allein in Schwabach gab, wo das Frischelager von Edeka in absehbarer Zeit geschlossen werden soll: "Es geht hier richtig ums Eingemachte."
Die Arbeitgeber hätten mit kurzfristig eingestelltem Personal aus Polen und Rumänien Streikbrecher eingesetzt, die streikenden Beschäftigten hätten bittere Einbußen hinnehmen müssen. Aber ein Abschluss im Großhandel sei nun in Sicht.
"Der gute alte schwedische Weg funktioniert nicht mehr", kommentierte Jaana Hampel mit Blick auf IKEA und H&M, die früher als gute Arbeitgeber galten und derzeit immer wieder bestreikt würden. Das veränderte Klima spreche sich auch herum, sodass die Unternehmen Probleme hätten, motivierte neue Arbeitskräfte zu finden.
Kaufhäuser sterben: Beispiel in Nürnberg mit Galeria
Thema des Abends war auch das Kaufhaussterben in größeren Städten wie Nürnberg. Allein bei Karstadt habe sich die Personaldecke von einstmals 1200 auf 120 ausgedünnt: "Nicht nur die Kundinnen und Kunden vermissen damit gute Beratung – auch das Personal gerät zunehmend unter Druck und kann nicht zeigen, was es eigentlich gelernt hat: Kundenberatung."
Aber, so Jaana Hampel, in ihrem Alltag mit weiblichen Beschäftigten stünde nicht das Bedauern schwieriger Arbeitsverhältnisse im Vordergrund, "sondern das Empowerment und die Ermutigung dazu, sich zusammen zu schließen". Hampel: "Jede Auseinandersetzung in einem Betrieb ist wie eine Waage mit zwei Waagschalen – und je mehr Frauen sich in der einen zusammenschließen, desto mehr Gewicht finden ihre Anliegen."
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