So kannte man Dieter Bracke: Was den Fußball und vor allem den Club und das Kleeblatt betraf, war der frühere NZ-Sportchef immer auf dem Laufenden.
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So kannte man Dieter Bracke: Was den Fußball und vor allem den Club und das Kleeblatt betraf, war der frühere NZ-Sportchef immer auf dem Laufenden.

Nachruf

Trauer um früheren NZ-Sportchef Dieter Bracke: Eine Koryphäe mit Ecken und Kanten

Sein Nachfolger Harald Büttner, der das Ressort von 2001 bis 2020 leitete, erinnert an eine Koryphäe des Sportjournalismus – und an einen guten Freund.

Vor ein paar Wochen, bei unserem letzten Telefonat, war ich fest davon überzeugt, dass es ihm wieder besser geht. Da grantelte Dieter Bracke in seiner unverwechselbaren Art über den Club und über diverse Verwerfungen in Politik und Gesellschaft. Okay, wenn er sich aufregen kann – und ich konnte mir genau vorstellen, wie er dabei grimmig die Miene verzog –, dann ist alles gut. Dann ist er in seinem Element. Leider ein Trugschluss. Um das gleich klarzustellen: Dieter war nie jemandem wirklich böse. Er hat die Menschen gemocht, war immer fürsorglich und hilfsbereit. Doch Kritik zu üben, auf Missstände hinzuweisen, das war sein Job, seine Berufung. Ungerechtigkeit brachte ihn auf die Palme. Dieter hatte halt seine Ecken und Kanten.

Fußball war sein Leben: Dieter Bracke berichtete von fünf Weltmeisterschaften

Oft waren es auch die kleinen Dinge, die seine Contenance ins Wanken brachten. Etwa, wenn ein Fernsehreporter über den „vertikalen Pass in die Schnittstelle“ referierte oder die These vertrat, „dass in der Box der Zugriff fehlt“. Neumodische Konstrukte des Fußballjargons waren ihm ein Gräuel. Und wehe, wenn im Stadion ein Eckballverhältnis auf der Anzeigetafel erschien, das nicht konform ging mit seiner Strichliste…

Fußball war sein Leben. Fast drei Jahrzehnte lang düste der langjährige Ressortleiter und Stellvertretende Chefredakteur der Nürnberger Zeitung um die Welt. Über die Olympischen Spiele 1972, fünf Welt- und sechs Europameisterschaften hat Bracke berichtet, Anekdoten dazu hatte er in launiger Runde stets parat. Die großen Turniere haben ihn auf fast alle Kontinente geführt. Und das in Zeiten, als Journalisten mit der Nationalmannschaft unter einem Dach wohnten und abends an der Hotelbar mit dem Bundestrainer einen Plausch halten konnten. Kein Wunder also, dass ihm Jahrzehnte später noch Franz Beckenbauer auf die Schulter klopfte, Otto Rehhagel ihn umarmte oder Lothar Matthäus mit ihm schäkerte, wenn man sich bei irgendeinem Termin über den Weg gelaufen ist.

Das Zeitungsmachen faszinierte Bracke, in Breslau geboren und in Oberfranken aufgewachsen, seit jeher. Erst absolvierte er eine Schriftsetzerlehre, dann volontierte er bei der Oberfränkischen Volkszeitung in Hof, „wo ich ins kalte Wasser geworfen wurde und mich freischwimmen musste“, wie mir mein gestrenger, aber fairer Lehrmeister oft erzählte. Es folgten fünf Jahre in der Lokalredaktion der Frankenpost, ehe der begeisterte Hobbyfußballer Ende der 1960er Jahre zur NZ wechselte.

Die letzte Meisterschaft des 1. FCN 1968, zahlreiche Ab- und Aufstiege des Clubs, den Wandel beim benachbarten Kleeblatt: Mit konstruktiver Kritik und bissigen Kommentaren hat der kompetente, manchmal streitbare, aber nie unversöhnliche Beobachter die Entwicklung im fränkischen Sport bewertet. Auch im (Un-)Ruhestand pilgerte Bracke viele Jahre lang noch ins Stadion. Zuletzt immer häufiger aber auch zu den Plätzen der Amateure, wo die Box meistens noch Strafraum heißt. Bis 2020 unterstützte er die NZ-Sportredaktion als Freier Mitarbeiter.

Rekordverdächtige 34 Jahre leitete Dieter Bracke den VNBS

Bracke, dessen Stimme viele Jahre beim Lokalsender „Radio F“ als Fußballreporter zu hören war, engagierte sich auch in der Verbandsarbeit. Zwölf Jahre lang arbeitete er im Präsidium des Verbandes Deutscher Sportjournalisten mit, fungierte bei Weltmeisterschaften als Verbindungsmann zwischen Kollegen und DFB. Rekordverdächtige 34 Jahre lang – von 1974 bis 2008 – führte er den nordbayerischen Regionalverein VNBS. In seiner Heimatstadt Stein saß er in jüngeren Jahren für die SPD im Stadtrat.

Seit einem Jahr gesundheitlich stark angeschlagen, hatte er seinen 85. Geburtstag im Mai und ein paar Monate später den 60. Hochzeitstag mit seiner Frau Brigitte fest im Visier. Doch am 11. April ist er sanft entschlafen. Die Trauerfeier findet im engsten Kreis statt. Für uns wird Dieter unvergessen bleiben, auch wenn wir seine bärbeißige Stimme nicht mehr hören können.

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