Kindergruppe und Feriencamps

Artio Nürnberg: Ein neuer Sportverein für Mädchen und Frauen

24.11.2021, 06:00 Uhr
Die 1. Vorsitzende Julia Harms trainiert Mädchen.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Die 1. Vorsitzende Julia Harms trainiert Mädchen.

Julia Harms hatte genug davon. Seit Jahren hatte sie sich in ihrem Verein engagiert, sich für "ihre" Sportlerinnen eingesetzt, doch so richtig voran ging es nicht. "In der Vereinsarbeit fühlt man sich eher als Außenseiter", wenn man sich für die Belange der Mädchen und Frauen einsetzt. Besonders in den Ball- und Teamsportarten. Hier sind Mädchen immer noch unterrepräsentiert. "Und es hat sich in den vergangenen zehn Jahren nichts getan!"

In Gesprächen mit anderen Sportlerinnen aber merkte Harms, dass sie gar nicht so alleine war, wie sie immer dachte. "So viele haben die gleiche Geschichte erzählt", sagt die 40-Jährige. "Es gibt keine Hallen, keine Trainerinnen" - und vor allem: kein Interesse an den Mädchen. "Ich möchte niemandem eine Absichtlichkeit unterstellen, doch die Norm ist weiterhin, dass Jungs Sport machen. Der Verein überlegt gar nicht, wie er Mädchen ansprechen könnte."

Also gründete Julia Harms selbst einen Verein. Einen, bei dem Mädchen und Frauen im Fokus stehen. "Angefangen haben wir damit im Lockdown", sagt Harms. Schon da versammelte sich eine Gruppe, virtuell natürlich, in Online-Workshops. "Wir haben uns gefragt, was 'Verein' für uns bedeutet, wovor wir Angst haben, wie wir einen Namen finden. Daraus ist eine schöne Gemeinschaft entstanden, viele konnten sich einbringen."

Rund 20 Mitglieder waren bei der Gründungsfeier im Juni dabei. Auch einen Namen hatten sie da bereits: "Artio Nürnberg". Das klingt erst einmal skurril - und hat auch einen mystischen Hintergrund. "Artio ist eine gallische Bärengöttin, eine Frauenfigur der Jagd", sagt Harms. "Wir dachten, dass passt zu sportbegeisterten, ehrgeizigen Menschen."

"Wie legt man einen Fokus auf etwas, ohne etwas anderes auszuschließen?"

Selbst kommt Julia Harms vom Basketball, bis zum Sommer hat sie noch beim Post SV gespielt. Die Artio-Mitglieder sind aber aus allen möglichen Sport-Bereichen, sogar eine Pferde-Pädagogin ist dabei. Für den Anfang bietet der Verein eine Kindergruppe und ein Interessierten-Treffen, das sogenannte "Open House Event", an. Dazu kommen Sportcamps in den Schulferien. Zwölf Kinder waren in den Herbstferien dabei sowie mehrere Trainerinnen aus verschiedenen Vereinen und Sportarten. "Wir wollen den Kindern ein breites Bewegungsangebot geben, damit sie Sachen ausprobieren können. Mädchen machen das nicht einfach, man muss sie an die Hand nehmen", sagt Harms.

Da ist es wieder, das alte Problem: Um mehr Mädchen für Sport zu begeistern, muss man vielleicht einfach nur den Einstieg anders gestalten. "Es soll ein Bewusstsein entstehen, dass Mädchen und Frauen nicht ins Fitnessstudio gehen müssen, um Sport zu treiben." Deshalb sei Harms und ihren Mitgründerinnen auch die Gemeinschaft so wichtig. Da geht es um klassische Vereinsarbeit, gemeinsame Spieleabende, Kontakte am Spielfeldrand, "um für Mädchen sichtbar zu machen, dass es auch ältere Frauen gibt, die Sport machen". Und umgekehrt: "Um Frauen zu ermöglichen, ihr Wissen weiterzugeben, und sie weiterhin in die Sportkultur einzubinden, auch wenn sie verletzt sind oder nicht mehr am Spielbetrieb teilnehmen können."

Artio Nürnberg geht es dabei um den Breitensport. "Mir ist wichtig, dass Mädchen im Alter von 16 Jahren Sport treiben, aber auch, dass sie das im Alter von 25 Jahren immer noch tun. Das ist viel wichtiger als die Quote, die es in den Spitzensport schafft." Und selbst hier gebe es Probleme: "Wie sollen Mädchen besser werden, wenn man sie nicht fördert?" Oft heiße es: "Mädchen werden besser, wenn sie mit Jungs spielen", sagt Harms. "Doch da ist es schwierig, sich durchzusetzen." Deshalb bekommen Mädchen nun einen eigenen Verein, in dem sie sich sportlich weiterentwickeln können.

Kindergruppe im Pastorius-Jugendhaus

In der Satzung haben die Gründerinnen ihr Ziel so formuliert: "Der Zweck des Vereins ist die Pflege und Förderung des Sports mit besonderem Fokus auf Mädchen und Frauen." Damit, gibt Harms zu, habe sie sich schwer getan. "Wie legt man einen Fokus auf etwas, ohne etwas anderes auszuschließen?" Das wollen die Artio-Gründerinnen eigentlich nicht. Viele Unterstützer des Vereins seien auch männlich. Noch bis 30. November läuft eine Crowdfunding-Kampagne, der Erlös soll helfen, die Trainer mit einer Ehrenamtspauschale zu vergüten, Fortbildungen oder Sportequipment zu bezahlen.

Einmal wöchentlich treffen sich die Mädchen in der Kindergruppe im Kinder- und Jugendhaus Pastoriusstraße. Der Verein ist auf der Suche nach Trainingszeiten in den bekanntlich aber voll ausgelasteten Sporthallen. Das nächste Feriencamp ist auch schon in Planung. "Es ist toll zu sehen, wie schon 13- oder 15-Jährige sich engagieren, um mit anderen Mädchen etwas zu machen", sagt Harms. Manche spielen parallel noch in ihren Heimatvereinen. "Doch das Thema packt viele. Wir haben eine Erlangerin, die meint: Für ein Mädchen-Projekt kommt sie sogar nach Nürnberg." Denn hier ist sie nicht mehr alleine.

Infos und Termine unter www.artio-nuernberg.de oder auf Instagram unter "artio_nuernberg"

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