Erstmals laute Pfiffe

Die Stimmung schlägt um: Das Kleeblatt nach dem peinlichen Pokal-Aus in Stuttgart

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

E-Mail zur Autorenseite

31.7.2022, 12:40 Uhr
Empfang mit lauten Pfiffen und wutentbrannten Gesten: Das Kleeblatt um Trainer Marc Schneider (Mitte) vor dem Fanblock.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Empfang mit lauten Pfiffen und wutentbrannten Gesten: Das Kleeblatt um Trainer Marc Schneider (Mitte) vor dem Fanblock.

Die Enttäuschung war zu sehen und zu hören. Während die meisten der 7280 Zuschauer im Gazi-Stadion auf der Waldau die Pokal-Sensation bejubelten, geschah hinter einem Tor Erstaunliches. Zumindest für Fürther Verhältnisse. Als die Spieler und Trainer des Kleeblatts nach dem 0:2 bei den Stuttgarter Kickers mit gesenkten Köpfen in Richtung des nur spärlich gefüllten Gästeblocks trotteten, da wurden sie mit sehr lauten Pfiffen und vielen wutentbrannten Gesten empfangen.

Schon da war zu erkennen, dass diese Niederlage der Spielvereinigung beim Fünftligisten mehr war als eine Niederlage. Mehr als eine Blamage, die auch finanziell wehtut, weil den Fürthern knapp 420.000 Euro entgehen, die sie beim Einzug in die zweite Pokalrunde bekommen hätten. Selbst nach den vielen Niederlagen in der Bundesliga war die Mannschaft noch mit aufmunterndem Applaus empfangen worden. Der Abstieg im Frühjahr war ein harmonischer, begleitet von lauten Gesängen, dass das Kleeblatt "niemals untergehen" werden.

Doch nach der ernüchternden Derby-Niederlage und dem peinlichen Pokal-Aus bei den Kickers wollte niemand mehr klatschen. Niemand mehr singen. Die Stimmung in Fürth scheint in Rekordtempo ins Negative umgeschlagen zu haben, was allen Beteiligten auch nach dem Gang in die Kurve anzusehen war. Rachid Azzouzi stürmte wenige Minuten später im Stechschritt durch den Kabinengang und saß dann erst einmal lange mit dem Trainerteam um Marc Schneider und Chefscout Sergio Pinto in der Kabine zusammen

Als er dann zum Interview erschien, da war sein Puls noch immer ein sehr hoher. Der Geschäftsführer redete und redete, dann rang er wieder nach Worten. "Das war jetzt das zweite Spiel, in dem wir uns über die Zweikämpfe den Schneid haben abkaufen lassen", sagte Azzouzi. "Das müssen wir schleunigst ändern, denn sonst kriegst du Probleme in der Saison." Tatsächlich hatten die Fürther, eine Woche dem 0:2 beim Club, der Härte des tapfer kämpfenden Oberligisten kaum etwas entgegenzusetzen.

Eine zentrale Frage

Die Kickers gingen schon nach neun Minuten und einem Eckball in Führung, den Oussama Haddadi unnötig verschuldet hatte und bei dem Kapitän Branimir Hrgota sich von einem Fünftliga-Spieler überspringen ließ. So ging es immer weiter, das Kleeblatt wirkte erstaunlich lethargisch, mancher Spieler gar auffällig lustlos. Eine Mannschaft, die zusammenhält und sich gegen Widerstände wehrt, war zu keiner Sekunde zu sehen. Und so geriet der Stuttgarter Sieg, der nach dem 2:0 in der 89. Minute auch feststand, zu keiner Sekunde wirklich in Gefahr.

Das war das wirklich Erschreckende an diesem Samstagabend. Das Kleeblatt schied vollkommen verdient gegen eine Mannschaft aus, die eine Liga unter der Fürther U23 spielt - auch wenn mancher danach von einem "gefühlten Regionalligisten" sprach. Die zentrale Frage, schimpfte Azzouzi, sei diese: "Komme ich jetzt mal langsam an als Gruppe, stemme mich dagegen, oder lasse ich es so über mich ergehen und habe Angst, Fehler zu machen, Angst, ja, wovor? Vor einem Spiel?"

Die Mischung aus Angst, fehlender Mentalität und dem Mangel an Führungsspielern ist eine toxische, die auch Trainer Marc Schneider Sorgen bereitet. "Wir haben nicht die Typen auf dem Platz um zu reagieren, um die Stimmung reinzubringen und die Zweikämpfe zu gewinnen", sagte er - es war eine vernichtende Aussage über diese Mannschaft, die zum zweiten Mal ganz grundlegende Tugenden vermissen ließ. Es sei "mental eine schwierige Geschichte", bekannte der Trainer. "Es geht darum, zusammenzustehen als Mannschaft und als Klub."

Zusammenstehen. Mentale Probleme. Nach dem dritten Pflichtspiel der Saison. Es waren Aussagen, die noch mehr Fragen aufwarfen, auch nach der Zusammenstellung des Kaders. Man müsse die Niederlage jetzt "aufarbeiten und es dann auf den Platz zu bringen", sagte Schneider. "Wir können sprechen, so viel und so lange wir wollen, können Sitzungen machen, aber sind nicht in der Situation, groß zu sprechen. Wir müssen Taten folgen lassen."

Verwandte Themen


22 Kommentare