Olympische Spiele
Hundert Prozent Höhenflug: HCE-Profi Christoph Steinert hat eine Hand an Gold
10.8.2024, 06:25 UhrDie Begeisterung überträgt und wiederholt sich. Sie hebt ab und düst über Paris nach Lille, sie fliegt nach Handball-Deutschland und zurück ins Stade Pierre-Mauroy. Am Sonntag ab 13.30 Uhr kann ein abseits merklicher Schwächephasen mit Topleistungen und epischen Siegen begeisterndes DHB-Team dort Olympiasieger werden.
Beim erneut schönen 25:24 (12:12) im Halbfinale gegen Spanien wachsen 22-Paraden-Gigant Andreas Wolff vor rund 20.000 Zuschauern im Fußballstadion von Lille mehrere Arme und Beine. Christoph Steinert vom HC Erlangen wachsen am Freitagmittag Flügel.
Drei Würfe, drei Treffer: Für den DHB-Spätstarter, in einer komplizierten Bundesliga-Saison fast ausnahmslos im Sinkflug und beinahe in die Zweitklassigkeit abgestürzt, ist das beim Karrierehöhepunkt Bestwert. Toppen darf diesen "Steini", seit 2022 Teil der Eliteauswahl und mehr fürs Verhindern von Gegentoren als für die Torerzielung zuständig, gerne - im Endspiel gegen favorisierte Dänen bei gleichbleibender Quote und Leichtigkeit, nah dran am Optimum oder darüber.
Wie sich das Traumturnier für den 100-Prozent-Mann, der gegen Gidsel und Co. jetzt eine Hand an Gold hat, noch toppen lässt, ist im Finale des Olympischen Handballturniers klar. Unwirklich anfühlen darf sich die historische Möglichkeit dennoch für den gebürtigen Neuköllner, dem nach dem nächsten Gute-Laune-Coup in Lille vielleicht auch deshalb die Freudentränen in die Augen schossen und der als 34-Jähriger in der jungen deutschen Mannschaft wie Wolff oder Häfner zu den Alten zählt.
Start-Sieg gegen Schweden - Steinert: "Das war der Türöffner für alles"
Dass es erfreulich weit gehen könnte für die Nationalmannschaft beim Turnier im Nachbarland, erstmals seit 2004 bis ins Olympia-Finale, war dem HCE-Profi, in der vorletzten Saison als Führungskraft auch Erlangens Topwerfer, schon zu Turnierbeginn aufgeschienen. "Der Sieg gegen Schweden war der Türöffner für alles", erinnerte Steinert, für den die vergangene Saison auch bedingt durch die Nachwirkungen einer Schulterverletzung am Wurfarm eine zum Vergessen war, unlängst an den bestmöglichen Start in die Gruppenphase. Der Auftaktcoup wäre wesentlich dafür gewesen, dass man nun an der Gold-Pforte steht.
Beim ersten Maximalerfolg gegen das Drei-Kronen-Team nach acht Jahren, in Rio hatte der letzte 2016 Bronze bedeutet, hatte Steinert Deutschlands besten Handballern die erste Drei-Tore-Führung organisiert. Blendend war es auch im Anschluss gelaufen. Gegen Japan gewann die DHB-Auswahl souverän. Zum Staffelende und zum Abschied aus Paris gegen Slowenien war das einem seriösen Auftritt als somit Gruppenerster auch der Fall. Die Niederlage gegen Kroatien war davor der Wachmacher, der "Steini" und Co beim ersten Rasierklingenritt gegen Spanien einen weiteren hochemotionalen Sieg ermöglichte. Das zweite Highlight im Turnier nannte diesen Erfolg Erlangens Höhenflieger, für den mit der Teilnahme an den Sommerspielen bereits ein Traum wahr geworden ist.
Schwertstarbeit, Uscins und der erste Jubel-Coup in Lille
Beim von Höhepunkten und Wendungen nur so tosenden Jahrhundertspiel gegen Frankreich hatte Steinert einmal getroffen. Nachdem man es dem Starensemble im Viertelfinale zwischenzeitlich im Angriff zu leicht gemacht hatte, hatte er mit schonungsloser Schwerstarbeit geholfen bei der Aufholjagd, die der überragende Renars Uscins kurz vor Ende der regulären Spielzeit und kurz vor Ende der Zusatzschicht in einen Jubel-Sturm überführte.
Beim ebenfalls höhepunkt- und siegreichen Wiedersehen mit ebenfalls prominent aufgestellten Spaniern beteiligte sich Steinert wiederum stark an einer erneut guten Teamleistung, die wie schon gegen Frankreich den ein oder anderen Nachteil im individuellen Vergleich und Spannungsabfall kaschierte. Früh schon, nachdem die von Alfred Gislason trainierten DHB-Athleten die Nationalhymne gesungen und die lachsfarbenen Trainingsjacken abgelegt hatten, arbeitete sich der Abwehrspezialist in Höchstform. Steinert verteidigte entschlossen nach vorne, rang die Gegenspieler, wenn nötig, nieder oder stellte sich Spaniens Stars als Betonpfosten entgegen. Darüber hinaus entwickelte "Steini", als es darauf ankam, traumwandlerische Sicherheit im Abschluss.
Knorr, Steinert, drin - und das dritte Tor gleich hinterher
Wertvoll war diese Sicherheit, weil die Kollegen sich vor und nach der Pause doch die ein oder andere Schludrigkeit vor dem gegnerischen Gehäuse erlaubten. Ein Vier-Tore-Vorsprung verspielte man so vor der Pause. Kurz nach der Pause knallte Steinert die Kugel nach Knorrs anspruchsvollem Diagonalzuspiel wuchtig in den linken Winkel und ballte die Faust. Wenig später traf er erneut saftig zum dritten Mal, diesmal zentraler ins Iberer-Netz. Dass er, was Gislason an ihm schätzt, auch Rechtsaußen spielen kann und über weite Strecken nach dem Ausfall von Tim Hornke auch ausdauernd spielen muss, hatte Steinert da final bewiesen.
Weil Renars Uscins, der Frankreich beinahe im Alleingang besiegt und in Hälfte eins gegen Spanien seltsam unentschlossen und ohne einen Torerfolg sehr ineffizient gewirkt hatte, nun auch kräftig Treffer markierte, sah es zwischenzeitlich erneut gut aus für Deutschland. Und wieder schlecht, als erfahrene Spanier auf- und das Spiel drehten.
Historische Chance für das DHB-Team - Wolff macht es wie 2016
Als Knorr das 25:24 erzielt, die Abwehr wieder achtsamer agiert und Andreas Wolff wie im EM-Finale 2016 gegen Spanien Traumparade an Traumparade auf die Platte gezaubert hatte, war der Sieg perfekt. Im fortwährenden Oh-wie-ist-das-schön-Gesang der deutschen Fans in Lille riss der HCE-Profi beide Arme nach oben und ballte die Fäuste. Noch eine Wiederholung und einen maximalen Anflug der Begeisterung braucht es, und der historische Olympia-Sieg, für Handball-Deutschland der größte Erfolg dann seit 2016, wäre auch der von Christoph Steinert.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen