Projekt mit Nürnberger Schule

Weiße Rosen und die Pressefreiheit: "Aggressivität gegenüber Journalisten ist auf Rekordhoch"

3.5.2023, 09:00 Uhr
Sie hat das Handwerk des Journalismus kennengelernt: Die Klasse 10D der Geschwister-Scholl-Realschule in Nürnberg. 

© Eduard Weigert, NNZ Sie hat das Handwerk des Journalismus kennengelernt: Die Klasse 10D der Geschwister-Scholl-Realschule in Nürnberg. 

Eine weiße Rose in Erinnerung an die berühmten Widerstandskämpfer und Namensgeber ihrer Schule: Die Kasse 10 D der Geschwister-Scholl-Realschule in Nürnberg und ihre Lehrerin Melanie Schmidt setzten sich in einem Workshop mit dem Thema Journalismus und Pressefreiheit auseinander. Es entstanden verschiedene Beiträge, die nach redaktioneller Überarbeitung hier anlässlich des Tags der Pressefreiheit zu lesen sind.

Was haben die Geschwister Scholl mit Pressefreiheit zu tun? Ein Infotext.

Hans und Sophie Scholl waren während des Nationalsozialismus Mitglieder der Weißen Rose. Das war eine Widerstandsgruppe, die gegen die Diktatur des Nationalsozialismus kämpfte. Im Jahr 1943 wurden die Geschwister in der Münchner Universität verhaftet und am selben Tag hingerichtet.

Hans und Sophie Scholl

Hans und Sophie Scholl © dpa, NNZ

Die Mitglieder der Weißen Rose starben, weil sie ihre Meinung in Form von Flugblättern verbreitet haben. Sie kämpften für Pressefreiheit und Menschenrechte. Werte, die Thomas Weiland, dem Leiter der Nürnberger Geschwister-Scholl-Schule, wichtig sind: "Eine Schule, die einen bedeutenden Namen trägt, sollte diesen ausleben. Deswegen feiern wir den Tag der Menschenrechte." Die letzte Überlebende der Weißen Rose, Traute Lafrenz, starb im März mit 103 Jahren in den USA.

Von Hanar Amen, Magdalena Berger, Alina Getman, Bauan Nagar, Julian Petra, Yossra Weber

Die Wächterin der Demokratie. Ein Interview.

Presse ist die Wächterin der Demokratie. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt betont. Nürnberg wiederum ist die Stadt der Menschenrechte. Deshalb haben wir mit der Leiterin Martina Mittenhuber über das Thema gesprochen.

Martina Mittenhuber

Martina Mittenhuber © Stadt Nürnberg, NNZ

Was ist Ihre Aufgabe?

Wir im Menschenrechtsbüro haben die Aufgabe, das Leitbild, das sich Nürnberg als Stadt des Friedens und der Menschenrechte vor mehr als 20 Jahren gegeben hat, umzusetzen. Wir beraten und unterstützen Menschen, die eine Diskriminierungserfahrung gemacht haben. Wir entwickeln viele verschiedene Angebote der Menschenrechtsbildung, denn nur, wer die Menschenrechte kennt, kann sich auch dafür einsetzen. Wir kümmern uns um die schwachen und verletzlichen Gruppen in Nürnberg, zum Beispiel geflüchtete Menschen, und entwickeln Programme gegen Extremismus.

Warum gibt es Pressefreiheit?

Informationen sind der erste Schritt zu Veränderungen – deshalb fürchten nicht nur autoritäre Regierungen eine freie und unabhängige Berichterstattung. Wo Medien nicht über Unrecht, Machtmissbrauch oder Korruption berichten können, findet auch keine öffentliche Kontrolle statt, keine freie Meinungsbildung und kein friedlicher Ausgleich von Interessen.

Wie steht es um die Pressefreiheit in Deutschland?

In Deutschland hat sich die Situation der Pressefreiheit weiter verschlechtert. Die Aggressivität gegenüber Journalistinnen und Journalisten ist auf einem Rekordhoch. Viele gehen auf Demos nur noch mit Personenschutz, manche gehen gar nicht hin. Deutschland war bereits im vorigen Jahr erstmals nicht mehr unter den Ländern, in denen die Lage der Pressefreiheit als "gut" eingestuft wurde, sondern ist in die Kategorie "zufriedenstellend" abgerutscht.

In welchen Ländern gibt es überhaupt keine freie Presse?

Länder, in denen es immer noch keine richtige Pressefreiheit gibt, sind Nordkorea, Eritrea, Iran, Turkmenistan, China und Myanmar. Momentan kann man Russland mitzählen.
Das tödlichste Land für Journalistinnen und Journalisten ist Mexiko, wo immer wieder Medienschaffende ermordet und die Morde kaum geahndet werden. Auch im Jemen, in Mali und Burkina Faso sowie in den Palästinensischen Gebieten kommen sie ums Leben.

Wie sieht es mit der Pressefreiheit in Europa aus?

Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen ist Europa nach wie vor die Weltregion, in der Journalistinnen und Journalisten am freiesten arbeiten können. Dennoch zeigen sich auch hier einige besorgniserregende Entwicklungen: In Polen und Ungarn versuchen die regierenden Parteien direkten Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen und gehen soweit, missliebigen Sendern die Lizenz zu entziehen. Und auch in Deutschland kommt es gerade im Kontext rechtspopulistischer Veranstaltungen immer wieder zu Gewalt gegen Medienschaffende.

Von Elin Ertas, Eylem Ertas, Kaylee Jenkins, Aurora Lo Conti, Rebekka Sasinthiran

Das Internet, die wichtigste Infoquelle. Ein Hintergrund.

Die wichtigste Informationsquelle ist für uns heute das Internet. 77 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre nutzte 2022 laut der Statistik-Plattform Statista diese Möglichkeit. Dagegen informierten sich 49,2 Prozent über Fernsehsender, 34,9 Prozent gaben an, Zeitung zu lesen.

Im Internet können wir Nachrichten nicht nur immer und zu jeder Zeit nachlesen, wir bekommen auch aus allen Teilen der Welt fast zeitgleich die wichtigsten Ereignisse mit. Aber manche Personen oder sogar Staaten (beispielsweise Diktaturen wie der Iran) verbreiten bewusst Fake News, um Bürgerinnen und Bürger zu beeinflussen und eigene Ideologien zu verbreiten. Das Internet und hier vor allem soziale Netzwerke sind also einerseits eine wichtige Informationsquelle. Andererseits bergen Facebook, Twitter, Instagram und Co. die Gefahr, von Personen und Staaten bewusst zu Propagandazwecken oder zur Verbreitung von Fake News eingesetzt zu werden. Wie kann ich das erkennen?

Ein paar Tipps. Die wichtigste Regel lautet: "Bleib kritisch und denk mit!"

1. Wer verbreitet die Nachricht? Welche Interessen verfolgt derjenige? Ist eine Quellenangabe, etwa über das Impressum, angegeben? Ist der Herausgeber seriös? Oft sind Fake News so formuliert, dass sie emotionale Reaktionen auslösen sollen, etwa mit schockierenden Geschichten, Bildern oder Videos. Deshalb: Zuerst Fakten überprüfen und diese Infos nicht vorschnell weiterverbreiten.

2. Freunde können - versehentlich - Fake News verschicken. Auch hier gilt: nicht blind vertrauen. Ein Check im Netz zeigt, ob diese Nachricht von anderen, seriösen Medien (z.B. Zeitungen, Fernsehen) aufgegriffen wurde.

3. Fotos, Videos, Studien oder Daten können gefälscht oder aus dem Zusammenhang gerissen sein.

4. Vorsicht bei kostenlosen Inhalten: Guten Journalismus gibt es nicht umsonst, da er arbeitsintensiv ist.

5. In Kommentarspalten können Nutzer und Nutzerinnen ihre Meinung wiedergeben. Das trägt zur Meinungsvielfalt bei. Aber in Kommentarspalten sind auch demokratiefeindliche, menschenverachtende Aussagen zu finden. Also immer vorsichtig bleiben und Absicht sowie Wahrheitsgehalt bedenken.

Von Joudy Alsleaby, Yara Ammanuel Shamoon, Yosan Tedros, Dilja Zejnulov

Lasst uns über Rassismus reden. Ein Bericht.

"Rassismus bleibt Realität für viele Menschen in Deutschland", sagt Ella Schindler. Die gebürtige Ukrainerin ist Redakteurin beim Verlag Nürnberger Presse und Vorsitzende bei den Neuen Deutschen Medienmacher:innen. Sie sagt: Oft berichten Medien nur dann über Rassismus, wenn etwas Schlimmes passiere wie etwa der Anschlag in Hanau 2020. "So denkt man, es handelt sich um eine Randerscheinung." Dabei findet alltäglich Rassismus statt, zum Beispiel wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Sprache Schwierigkeiten bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche erfahren. "Darüber müsste viel mehr veröffentlicht werden, um die Gesellschaft zu sensibilisieren."

Ella Schindler kritisiert auch, dass es sich im Falle eines Anschlags nicht um die Tat eines extremen Einzelnen handelt, wie Medien oft vermitteln. "Es ist ein Problem, das uns alle angeht."

Von Fiona Farbulleh, Loreta Pacolli, Frida Reinhold, Olivia Zsiray

Das muss man sagen dürfen? Ein Kommentar.

Gilt die Presse- und Meinungsfreiheit auch für mich? Ja klar. Im Artikel 5 des Grundgesetzes steht, dass jeder das Recht dazu hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Ich darf also die Regierung kritisieren und das auch veröffentlichen.

Doch die Meinungsfreiheit hat Grenzen. So müssen sich auch Journalistinnen und Journalisten an Regeln halten. In Deutschland werden diese Regeln im Pressekodex festgehalten. Er beinhaltet etwa die Achtung der Menschenwürde oder die Pflicht, sorgfältig und gewissenhaft zu arbeiten.

Und was ist mit der Veröffentlichung von Videos oder Fotos? Dazu ist die Zustimmung des Fotografierten oder Gefilmten notwendig. Was viele nicht wissen oder, schlimmer, nicht beachten: Eltern dürfen Fotos ihres Kindes nicht einfach auf Facebook oder über einen anderen Kanal im Internet veröffentlichen. Denn damit wird das Recht der Kinder auf Selbstbestimmung verletzt und das Recht am eigenen Bild. Wer Foto-, Ton- oder Filmaufnahmen von Personen ohne deren Einverständnis veröffentlicht, der kann sogar eine Freiheitsstrafe verhängt bekommen. Das ist im Kunsturhebergesetz festgelegt.

Das Internet ist also kein rechtsfreier Raum. Das gilt auch für beleidigende, verachtende oder verletzende Kommentare, also Hate Speech. Ein Mann aus dem Landkreis Fürth musste 7200 Euro Geldstrafe bezahlen, weil er gefälschte Aussagen über Bundespolitiker der Grünen und der SPD auf seinem Facebook-Account verbreitet hat.

Die Grenze der Meinungsfreiheit ist also dann erreicht, wenn die Würde anderer Menschen verletzt wird.

Von Asel Akarsu, Seda Ayan, Silvana Böller, Arisa Sokoli

Über das Projekt

Das Pilotprojekt "Pressefreiheit und Demokratie: Arbeiten wie Journalistinnen und Journalisten" ist eine Zusammenarbeit des Verlags Nürnberger Presse (VNP) mit der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und steht im Kontext von Demokratie- und Medienerziehung. Im Rahmen des Tags der Pressefreiheit findet noch bis zum 5. Mai die Schülermedienwoche der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit statt.

Auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDVZ) macht mit seinem Schülerwettbewerb "Mundtot - #PressefreiheitSchützen" auf das Thema aufmerksam.


Köllner, IBAN: DE43 1001 0010 0037 3851 30, Postbank.


Ein Hinweis in eigener Sache: Artikel wie dieser sind in der Regel nur für Abonnenten lesbar – zum Tag der Pressefreiheit, der alljährlich am 3. Mai stattfindet, stellen wir diesen Text aber allen Nutzern zur Verfügung. Alle exklusiven Inhalte lesen Sie hier auf NN.de. Ihre Redaktion des VNP

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