Stress nach dem Stresstest

"Habeck sitzt in der grünen Tonne": Söder wettert gegen Notreserve-Pläne des Bundes

Ralf Müller

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6.9.2022, 16:35 Uhr
Das Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern bleibt vorerst in Betrieb. 

© Armin Weigel, dpa Das Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern bleibt vorerst in Betrieb. 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist persönlich enttäuscht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Nach dem "guten und starken" Start Habecks als Ampel-Minister stelle er sich zunehmend die Frage, ob der Grüne seiner Aufgabe gewachsen sei, sagte Söder nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts am Dienstag in München.

Söder hatte schon kurz nach dem Bekanntwerden von Habecks Absicht, zwei der drei noch laufenden deutschen Atomkraftwerke nach dem Jahreswechsel in "Notreserve" zu nehmen, mit harscher Kritik reagiert. Diese baute er am Dienstag aus. Habecks Plan bedeute nichts anderes als die Abschaltung der Anlagen. Der Bundeswirtschaftsminister sei inzwischen wieder vollständig "in der grünen Welt gefangen", sagte Söder. Habecks "Einzelentscheidung" dürfe sich nicht die gesamte Bundesregierung zueigen machen. Mitten in der Krise werde auf den Strom für zehn Millionen Haushalte verzichtet.

Söder interpretierte den jüngsten Stresstest für das deutsche Stromnetz so, dass im Winter nach Abschaltung der Atommeiler "Blackouts" durchaus möglich seien. Dabei hätte wenigstens ein Streckbetrieb für die Anlagen ohne Weiteres weitergehen können, doch Habeck sitze "in der grünen Tonne".

Söders Stellvertreter und Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) steigerte sich beinahe in eine Wutrede hinein. Die Grünen nähmen in Kauf, dass Stromkunden vom Netz genommen werden müssen, nur um das Gesicht nicht zu verlieren, wetterte Aiwanger. Mit "massiven Falschaussagen" über den Strombedarf bereite man "Mangelverwaltung" vor. "Dieser Mangel ist offenbar politisch gewollt", sagte Aiwanger. Er selbst sei kein Fan der Atomkraft, aber "in der Not muss man mit dem Teufel tanzen".

Söder: Notreserve-Plan wird scheitern

Söder sagte dem Habeck-Plan von der Notreserve dasselbe Schicksal voraus wie sie die Gas-Umlage erlitten habe. An den Ampel-Koalitionspartner FDP appellierte der bayerische Regierungschef, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) müsse die Energiepolitik zur Chefsache machen, weil sein Wirtschaftsminister bei der Sicherung der Strom- und Gasversorgung überfordert sei.

Auch das am Sonntag von der Bundeskoalition beschlossene Entlastungspaket stößt nicht auf die Zustimmung der bayerischen Staatsregierung. Einiges davon gehe in die "richtige Richtung", aber beim "Kleingedruckten" fielen zahlreiche Schwachstellen auf, sagte Söder. So sei nichts für den Mittelstand und mittelständische Betriebe vorgesehen, ebenso wenig Maßnahmen gegen die steigenden Spritpreise. "Italien und Frankreich können es", sagte Söder, "wir nicht".

Söder kritisierte vor allem die ausgebliebene Absprache mit den Ländern. "Ein so länderunfreundliches Verhalten hat es schon lange nicht mehr gegeben." Die Empörung unter den Ministerpräsidenten über den "schlechten Stil" Berlins sei "relativ groß".

Neues Nahverkehrsticket hat in Bayern keine Priorität

Söder ließ erkennen, dass ein Nachfolgeprogramm für das 9-Euro-ÖPNV-Ticket jedenfalls bei ihm nicht oben auf der Prioritätenliste steht. Ein weiteres ÖPNV-Ticket sei nur möglich, wenn der Bund auch die Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr erhöhe. Dennoch verschließe sich Bayern einem neuen Ticket "von vornherein nicht".

Die Entscheidung Habecks für eine "Notreserve" zweier Atomkraftwerke ist nach Auffassung des Vorsitzenden der Grünen im bayerischen Landtag Ludwig Hartmann "unter den gegebenen Umständen der Königsweg zwischen Energieversorgungssicherheit und Risikoverantwortung".

Der Stresstest hat nach Auffassung Hartmanns gezeigt, dass die Atomkraftwerke weder Gas einsparten noch den Strompreis nennenswert senkten.

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