100. Patienten behandelt

Uniklinik Erlangen hilft bei schwerer Immunerkrankung: Darauf basiert die außergewöhnliche Therapie

22.9.2023, 15:35 Uhr
Prof. Georg Schett (r.), Direktor der Medizin 3, und Prof. Andreas Mackensen (l.), Direktor der Medizin 5, erkundigen sich bei Stefan K. am Tag der 100. CAR-T-Zell-Infusion am Uniklinikum Erlangen nach seinem Befinden.

© Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen Prof. Georg Schett (r.), Direktor der Medizin 3, und Prof. Andreas Mackensen (l.), Direktor der Medizin 5, erkundigen sich bei Stefan K. am Tag der 100. CAR-T-Zell-Infusion am Uniklinikum Erlangen nach seinem Befinden.

Stefan K. ist der 100. Patient, der jetzt in der Medizinischen Klinik 5 für Hämatologie und Internistische Onkologie des Uniklinikums Erlangen eine CAR-T-Zell-Therapie erhielt. Der 55-Jährige leidet an der schweren chronischen Autoimmunerkrankung Sklerodermie und wurde deshalb im Rahmen der gemeinsamen klinischen Phase-I-Studie „Castle“ unter Leitung der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie behandelt.

Alle anderen Therapieoptionen sind bei Stefan K. bereits ausgeschöpft. Die Erlanger Ärztinnen und Ärzte setzten deshalb jetzt auf die „umprogrammierten“ Immunzellen, die eigens für den Patienten in der Medizin 5 des Uniklinikums Erlangen hergestellt und ihm dort verabreicht wurden.

Schmerzen in den Füßen, dicke Hände: Stefan K. leidet an Sklerodermie, progressive Systemische Sklerose –Auß Dabei wird das Immunsystem fehlgeleitet

März 2020: Die ganze Welt ist plötzlich mit der Covid-19-Pandemie konfrontiert. Parallel dazu nimmt in einer Stadt im Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen ein Einzelschicksal seinen Lauf. „Es fing damit an, dass mir in der Sauna die Finger kribbelten. Dabei habe ich mir erst mal nichts gedacht“, berichtet Stefan K. „Dann hatte ich beim Stehen Schmerzen in den Füßen. Irgendwann wurden meine Hände ganz dick.“ Vom Hausarzt wurde er zum Rheumatologen geschickt, der schließlich die Diagnose stellte: Stefan K. leidet an Sklerodermie, auch progressive Systemische Sklerose genannt. Dabei wird das Immunsystem fehlgeleitet, produziert übermäßig viel Bindegewebe (Fibrose) an der Haut, aber auch in inneren Organen wie Herz, Lunge, Nieren und Darm. Das Gewebe verklebt und verhärtet, die kleinen Blutgefäße verengen sich, Muskeln und Gelenke schmerzen.

Mit Beginn des ersten Coronalockdowns geht es mit der Gesundheit von Stefan K. bergab. Innerhalb eines halben Jahres verliert er rund 15 Kilo, kämpft mit extremer Müdigkeit, bekommt schließlich eine Herzbeutelentzündung und wird ein Dreivierteljahr lang krankgeschrieben. „Die Zeit zu Hause war schwer für mich“, sagt er. „Als Ausbildungsmeister betreue ich Azubis im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk. Meine Arbeit hat mich seelisch immer gepusht und mir Spaß gemacht. Aber irgendwann war ich auch dafür zu schlapp.“ Im Sommer 2021 kehrte er trotz starker Beschwerden an seinen Arbeitsplatz zurück. „Alle wussten davon, aber ich wollte normal behandelt werden.“ Nach Feierabend sank er zu Hause auf dem Sessel zusammen, für Aktivitäten mit seiner Familie fehlte ihm die Kraft. „Meine Frau managt alles – kümmert sich um mich, unseren achtjährigen Sohn, den Haushalt und ist dazu noch berufstätig.“

CAR-T-Zellen als Medikament zugelassen für bestimmte Leukämieformen, Lymphdrüsenkrebs und das Multiple Myelom – eine bösartige Knochenmarkserkrankung

Stefan K.s Rheumatologe empfahl ihm schließlich eine Studienteilnahme in Erlangen. Im September 2023 ist Stefan K. schließlich der 100. CAR-T-Zell-Patient in der Medizin 5 des Uniklinikums Erlangen. „Wir haben 2019 die ersten Patientinnen und Patienten mit Leukämien bzw. Lymphdrüsenkrebs mit CAR-T-Zellen behandelt“, erklärt Prof. Mackensen. „Im Jahr 2023 werden es insgesamt mehr als 30 Patientinnen und Patienten sein, denen wir diese Zellen verabreichen.“

Bei der CAR-T-Zell-Therapie handelt es sich ursprünglich um eine innovative zelluläre Immuntherapie gegen Krebs. Als Medikament zugelassen sind CAR-T-Zellen aktuell für bestimmte Leukämieformen und Lymphdrüsenkrebs sowie für das Multiple Myelom – eine bösartige Knochenmarkserkrankung. Anfang 2021 setzten Forschende der Medizin 3 und der Medizin 5 des Uniklinikums Erlangen CAR-T-Zellen im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erstmals weltweit erfolgreich gegen die Autoimmunerkrankung Systemischer Lupus Erythematodes ein.

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