Szene im Wandel: Neue Vielfalt tut dem deutschen Comic gut

29.5.2018, 14:30 Uhr
Szene im Wandel: Neue Vielfalt tut dem deutschen Comic gut

© Carlsen

Übersetzungen deutschsprachiger Comics erfreuen sich im Ausland zunehmenden Erfolgs. "Irmina" von Barbara Yelin war 2017 bei den Eisner Awards nominiert, der wichtigsten amerikanischen Auszeichnung im Bereich der Neunten Kunst. "Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein" von Ulli Lust verkauft sich aktuell sehr gut in Frankreich. "Shit is real" von Aisha Franz erscheint beim kanadischen Verlag Drawn & Quarterly. Und Flix darf sich nun Spirou annehmen, einer der berühmtesten Figuren des frankobelgischen Comics.

Wo steht der deutsche Comic also international? "Inzwischen vorderes Mittelfeld würde ich sagen. Und wir werden immer besser", so Flix. Auf der kreativen Seite geht viel. Mehrere Zeichner aus Deutschland können sich handwerklich mit den Kollegen aus den Vereinigten Staaten, Frankreich und Japan messen.

"Im internationalen Vergleich spielen die deutschen Comics eher eine geringe Rolle", sagt hingegen Dirk Rehm von Reprodukt. Sein Independent-Verlag bestimmte maßgeblich die Szene der letzten Jahren – neben Carlsen und Panini. Comics aus Deutschland finden zwar mehr und mehr auf den internationalen Markt, doch Deutsch sei keine besonders geläufige Sprache im Ausland. Einfacher werde es, wenn eine Lizenz nach Amerika oder Frankreich verkauft wurde. "Danach gibt es häufig weitere Anfragen aus Ländern, in denen es – wie in Deutschland – einen kleineren Markt für Comics gibt." Die unabhängigen Verlage verfügen zudem über ein gut funktionierendes Netzwerk zu den Kollegen im Ausland, auf Messen und Festivals tauscht man sich aus. So wie auch in Erlangen.

In Zahlen lässt sich die Entwicklung des Comics in Deutschland kaum benennen. Was daran liegt, dass der Börsenverein des deutschen Buchhandels Comics mit Cartoons, Humor und Satire zusammenzählt. Dabei schaffte es der Comic in Form der Graphic Novel sogar zunehmend in die Regale der Buchhändler. Eine allgemeingültige Definition für den Begriff gibt es bis heute nicht – er bezeichne einen inhaltlich anspruchsvollen, in einem Band abgeschlossenen, großen Comic, hieß es mal. Doch scheiterte es bei vielen Comics unter diesem Label am inhaltlichen Anspruch. Was an der Vielzahl an Publikationen lag, die auf einmal kein Comic mehr sein durften, sondern Graphic Novel heißen mussten. Das Feuilleton sprang dankbar auf die Kategorie an und räumte Comics halbe Seiten in den Wochenendausgaben ein.

Jedoch: "Es zeigt sich leider, dass ein breites Interesse an Graphic Novels abnimmt, ein ähnlicher Mechanismus, der schon Alben und Magazine ereilt hat", sagt Zeichnerin Isabel Kreitz. "Die Masse der Publikationen erstickt das Interesse der Käufer." Weshalb sie nun die Horror-Reihe "Die Unheimlichen" bei Carlsen herausgibt, eine preiswerte Kurzform mit verschiedenen Zeichnern. Einen der ersten drei Bände zeichnete Nicolas Mahler, der eine frühe Geschichte von Elfriede Jelinek adaptierte.

Größeres Spektrum

Solche Veröffentlichungen zeigen, dass Comics aus Deutschland eine neue Vielfalt erreichen und das Genre endlich zu einem wichtigen Thema bei den größeren Verlagen wird. Auch das Spektrum der Stile und Inhalte erweitert sich. "Die Voraussetzung dafür wurde vor allem an den Kunsthochschulen geschaffen, wo Anke Feuchtenberger, ATAK, Hendrik Dorgathen, Markus Huber, Martin tom Dieck, Henning Wagenbreth und in der zweiten Generation Aisha Franz, Sascha Hommer und Ulli Lust neue Zeichner ausbilden", so Rehm.

Die kleineren Verlage sorgen daneben für erzähltechnische Innovationen, allen voran Rotopolpress aus Kassel. Im Netz gibt es zahlreiche interessante Webcomics von Zeichnern, die ihre Werke auf Blogs veröffentlichen. Spezielle Szenen wie um den Germanga, der deutschen Version des Manga, erzielen ebenfalls immer breitere Beachtung. Und auch Museen widmen Comics inzwischen große Ausstellungen. Festzuhalten bleibt: Der deutsche Comic bewegt und wandelt sich, was ihm nur guttun kann. Er werde vielfältiger, mutiger, spannender, weiblicher, sagt Flix. "Das ist super." Wer würde da widersprechen?

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