"Wir kümmern Uns"

Feiern für alle: Nürnberger Agentur setzt sich für Barrierefreiheit und Inklusion bei Konzerten ein

Vanessa Neuß

Volontärin

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20.2.2022, 06:00 Uhr
Stevie von der "Initiative Barrierefreies Feiern" beim Crowdsurfen auf dem PULS Festival 2018.

© Fabian Stoffers, ARC Stevie von der "Initiative Barrierefreies Feiern" beim Crowdsurfen auf dem PULS Festival 2018.

Rampen fehlen auf Festivals, Clubs sind für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer nicht zugänglich und es gibt keine rollstuhlgerechten Toiletten - auf kulturellen Veranstaltungen lauern viele Barrieren für Menschen mit Behinderung. Oft können kleine Änderungen dazu führen, dass Konzerte, Festivals und Kulturstätten inklusiver und barrierefrei gestaltet werden. Genau das ist das Ziel der Beratungsagentur "Wir kümmern Uns" mit Sitz in Nürnberg, die aus der Initiative "Barrierefrei Feiern" hervorgegangen ist.

Die Agentur setzt sich für barrierefreie Veranstaltungen ein, indem Menschen mit Behinderung Veranstaltende beraten, Workshops anbieten, einzelne Projekte organisieren und auch in Teams vor Ort direkt unterstützen. Dabei agieren sie zwar gemeinnützig, aber nicht ehrenamtlich. "Wir möchten als Unternehmen gezielt fair bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung in der Kulturbranche schaffen", so Elnaz Amiraslani, Kulturmanagerin aus Nürnberg und eine der drei Gründerinnen der Agentur.

Feiern für alle: Nürnberger Agentur setzt sich für Barrierefreiheit und Inklusion bei Konzerten ein

© WIR KÜMMERN UNS, ARC

Amiraslani ist die einzige Akteurin bei "Wir Kümmern Uns" ohne Behinderung. Die beiden weiteren Gründerinnen Lena Dietzen und Kim Moquenco sind "Expert:innen in eigener Sache" - haben also selbst eine körperliche Behinderung. ""Wir Kümmern Uns" ist tatsächlich ein Herzensprojekt und wir verstehen uns auf unserer Mission als Überzeugungstäterinnen", sagt Lena Dietzen. Die Motivation dafür entstand aus eigenem Interesse: "Wir selbst gehen einfach gerne feiern und können uns ein Leben ohne Konzerte, Festivals und Partys nicht vorstellen."

Die Liebe zur Kulturszene

Mocenquo und Dietzen können benennen, wo es Nachholbedarf und Verbesserungspotential gibt. "Die Sichtbarkeit und Teilhabe von Menschen mit Behinderung fehlt oft", sagt Dietzen. "Sowohl aus eigener Erfahrung als auch unterwegs mit Freund:innen mit Behinderung fällt uns immer wieder auf, wie wenig zugänglich viele Veranstaltungen sind." Rollstuhlgerechte Zugänge oder Toiletten fehlten teilweise komplett. Amiraslani nimmt sich deshalb auch bewusst zurück, da ihre Kolleginnen weitaus besser beurteilen können, was für Menschen mit Behinderung die optimale Lösung ist. "Das können nur Betroffene", sagt die Nürnbergerin. Deshalb auch der Leitsatz: "Nicht ohne uns über uns!".

Zusammenarbeit

Die Popmusikfachstelle "Pop! Rot Weiß" vom Bezirk Mittelfranken hat bereits eng mit den Expertinnen und Experten zusammengearbeitet. Vor der Corona-Pandemie organisierte sie gemeinsam mit den "Expert:innen in eigener Sache" das Festival "POP FÜR ALLE". "Pop! Rot Weiß" hat eine Doppelfunktion inne: Zum einen ist sie selbst Veranstalter als auch beratend tätig. "In beiden Funktionen sind wir stark auf die Kooperation mit "Wir Kümmern Uns" angewiesen", so Andreas Jäger, Popularmusikberater des Bezirks Mittelfranken.

Außerdem entwickelten sie gemeinsam Piktogramme, die auf Plakate gedruckt werden können, um Besucherinnen und Besuchern einen Überblick über die Barrierefreiheit zu geben. Die Icons geben beispielsweise Aufschluss darüber, ob barrierefreie Toiletten vorhanden oder Assistenzhunde zugelassen sind, so Jäger. Das hilft Menschen mit Behinderung, denn sie sind somit im Vorfeld darüber informiert, dass die Veranstaltung barrierefrei ist.

"Beim Feiern ist man oft die einzige Person mit einer sichtbaren Beeinträchtigung", stellt Moquenco fest. Man lerne mit den Blicken, Hürden und Sprüchen umzugehen, doch genau das sollte nicht so sein. Deshalb handeln die Frauen zum einen aus eigener Betroffenheit, vor allem aber "im Sinne der Gleichstellung und um Vorurteile und Diskriminierung im Nachtleben zu vermeiden". Unterstützen kann "Wir Kümmern Uns" im Grunde jeder und jede, der oder die musik- und kulturinteressiert ist. Menschen ohne Behinderung werden hier nicht ausgeschlossen, dennoch haben Menschen mit Behinderung vor allem eines: Expertise, die sie einbringen können.

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