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GNM in Nürnberg: Wie Cherets Plakate die Straßen und Herzen von Paris eroberten

19.4.2024, 14:05 Uhr
L‘Enfant Prodigue (Der verlorene Sohn), Plakat von Jules Chéret, 1896 Germanisches Nationalmuseum, Oschmann-Stiftung

© Monika Runge L‘Enfant Prodigue (Der verlorene Sohn), Plakat von Jules Chéret, 1896 Germanisches Nationalmuseum, Oschmann-Stiftung

Bevor französische Künstler wie Henri Toulouse-Lautrec Ende des 19. Jahrhunderts das Plakat als Kunstform für sich entdeckten, beherrschten Jules Chérets Entwürfe bereits seit zwei Jahrzehnten den Markt. Zentraler Blickfang seiner Plakate ist fast immer eine junge, attraktive und kokett lächelnde Dame, die sogenannte „Chérette“. Als kecke Ballerina wirbt sie für Theateraufführungen, gleitet im Pelzcape über die glatte Eisfläche des Palais de Glace auf der Champs-Élysées oder präsentiert mit graziler Handhaltung Petroleumlampen und Kirschlikör. Schnell avancierte dieser Frauentypus zu einer überaus erfolgreichen Werbefigur.

Chérets Plakate hingen an Litfaßsäulen, Hauswänden und den damals zahlreichen Pariser Bauzäunen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts die französische Hauptstadt zu einer modernen Metropole umgebaut wurde, boten breite Boulevards großzügige Sichtachsen für auffällige Werbeflächen. Das Straßenbild prägten bunte Reklamedrucke, mitunter überlebensgroß, die moderne Konsumgüter attraktiv darboten und Freizeitvergnügen ankündigten.

Dank einer gelockerten Zensur erlebten vor allem Theater, Varietés und Kabaretts wie das Moulin Rouge oder das Folies Bergère mit ihren Konzerten oder artistischen Aufführungen einen enormen Aufschwung. Die zahlreichen Aufträge dieser Etablissements weckten das Interesse der Kunstschaffenden und förderten die Entwicklung des modernen Plakats. Zeitgenossen betitelten die Pariser Plakatwände, die das Erscheinungsbild der Metropole maßgeblich mitbestimmten, auch als „Galerie der Straße“.

In den 1870er Jahren optimierte Chéret, der 1836 in Paris geboren wurde und 1932 in Nizza starb, das Druckverfahren der Farblithografie, indem er eine neue Spritztechnik, „crachis“
genannt, mit reduzierter Farbpalette erfand. Auch durch die Gründung einer Druckanstalt, in der modernste Lithopressen für Groß- und Sonderformate eingesetzt wurden, entwickelte er das Werbeplakat zu einer eigenständigen Kunstform.

Insgesamt schuf der Lithograf, Zeichner und Maler Chéret mehr als 1.200 Plakate. Seine Motive waren auch unter Sammlern begehrt, denen jedoch die großen Formate und der Werbetext missfielen. Für diese Liebhaber wurde von manchen Entwürfen ein Überschuss ohne Schrift gedruckt. Zudem erschienen regelmäßig kleinere Reproduktionen als Beilage von Wochenzeitungen. In anderen Großstädten Europas und Amerikas lösten die Plakate eine enorme Begeisterung, eine „Affichomanie“ aus – der Siegeszug dieses Mediums der Moderne hatte begonnen.

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Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.

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