"Ich lehne es ab, perfekt zu sein"

In Erlangen aufgewachsen, auf den Bühnen und Leinwänden dieser Welt daheim: Angela Winkler wird 80

22.1.2024, 14:55 Uhr
"Es muss nicht alles perfekt sein, das Leben spielt mit dir, und du musst mitspielen": Eine Lebenserfahrung von Angela Winkler, hier in der Berliner Schaubühne 2013.

© akg images "Es muss nicht alles perfekt sein, das Leben spielt mit dir, und du musst mitspielen": Eine Lebenserfahrung von Angela Winkler, hier in der Berliner Schaubühne 2013.

2019 veröffentlichte Angela Winkler ihre Memoiren - erstaunlich kurz und ehrlich. Regisseur Robert Wilson habe ihr mal gestanden, erzählt sie darin, er liebe an ihr, dass sie bei der Arbeit nur 70 Prozent gebe. "Es stimmt", schreibt Winkler, "ich lehne es ab, perfekt zu sein". Jeder Mensch müsse heute, ob er wolle oder nicht, 100 Prozent perfekt sein. Und genau das, so ihr Fazit, "will ich nicht".

Am 22. Januar wird die Ausnahmeschauspielerin 80 Jahre alt - und steht selbst an ihrem Geburtstag auf der Bühne: im Zwei-Personen-Stück "Eurotrash" nach dem Roman von Christian Kracht in der Berliner Schaubühne.

Winkler blickt auf eine außergewöhnliche Karriere zurück. Der Film "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975) von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta nach der Erzählung von Heinrich Böll war ihr erster großer Erfolg. Nach den Probeaufnahmen - Böll selbst hatte Winkler für die Hauptrolle vorgeschlagen - sagte Schlöndorff: "Ihr leiser Tonfall, ihr kindlicher Ernst wirkten überzeugend. Kein Satz würde bei ihr ideologisch klingen, die Tat selbst würde nicht vorsätzlich wirken."

Aus der Schule geflogen

Sie kam 1944 im brandenburgischen Templin zur Welt und wuchs in Erlangen auf, wo sie von 1954 bis 1962 das Gymnasium besuchte. Mit siebzehn Jahren brach sie die Schule ab, um Schauspielerin zu werden. Ihr Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart aber endete schnell: "Ich bin nach zwei Monaten aus der Schule rausgeflogen. Es gab da diese Frau Ellerbriek, bei der sollten wir Improvisation lernen. Wir mussten uns bewegen und stehen bleiben, wenn die Musik aufhört, ein bisschen wie bei Reise nach Jerusalem. Ich bin aber nie stehen geblieben. Ich wollte nicht." Sie hat dann privaten Schauspielunterricht genommen und die Bühnenreife-Prüfung abgelegt.

Lars Eidinger (Jedermann) und Angela Winkler (Jedermanns Mutter) in Salzburg.

Lars Eidinger (Jedermann) und Angela Winkler (Jedermanns Mutter) in Salzburg. © Barbara Gindl/APA/dpa

1979 verkörperte sie in Schlöndorffs oscarprämiertem Film "Die Blechtrommel" Agnes, die Mutter des kleinen Oscar Matzerath. Die große Liebesszene zwischen Agnes und dem von ihr geliebten Polen Jan Bronski nannte der französische Regisseur Louis Malle "die so ziemlich sinnlichste Bettszene, die ich je gesehen habe". Im Theater hat sie mit den Großen des Fachs zusammengearbeitet, etwa mit Luc Bondy, Peter Zadek und Christoph Schlingensief.

Winkler ist Mutter von vier Kindern. Ihre Tochter Nele wurde 1982 mit dem Downsyndrom geboren und ist auch Schauspielerin, sie spielt seit Jahren im RambaZamba Theater Berlin. Durch Nele habe sie gelernt, den Mund aufzumachen und zu kämpfen, erklärte Winkler.

2019 erhielt sie den Deutschen Schauspielpreis in der Kategorie Theater für ihre Rolle der Irina in der Inszenierung "Drei Schwestern" von Karin Henkel am Deutschen Theater Berlin.

1999 wurde Winkler für ihre Rolle als "Hamlet" in der europaweit gefeierten Inszenierung von Zadek zur Schauspielerin des Jahres gewählt. Eine turbulente Zeit: Zweimal haute Winkler während der Proben ab und wollte aufgeben, wie sie in ihren Memoiren berichtet.

Abheben ist ihre Sache nicht

Doch Zadek habe sie zurückgeholt: "Er fand mich nach einer Woche auf einem Bauernhof in den Vogesen, wohin ich von den Proben, die in Straßburg stattfanden, geflüchtet bin. Ich saß auf einem roten Sofa von Freunden, die dort ein Bauernhaus haben. Zadek kam und sagte: 'Genau so, auf dem Sofa, nehmen wir dich mit.' Und am nächsten Tag stand wirklich ein rotes Sofa auf der Probebühne." Die nun 80-Jährige ist bodenständig. Abheben ist ihre Sache nicht. Lieber wühlt sie in der Erde und verrichtet Gartenarbeit. Mit ihrem Mann, dem Bildhauer Wigand Wittig, kauft sie immer wieder alte Häuser, die dann instandgesetzt werden. Mal in Ligurien, am Jadebusen oder an der Elbe, mal in der Auvergne oder in der Bretagne.

2011 veröffentlichte die Künstlerin - die ursprünglich eigentlich auch Sängerin werden wollte - ihr Debütalbum "Ich liebe dich, kann ich nicht sagen", auf dem sie unter anderem Chansons von Édith Piaf sowie Songs von Element of Crime interpretiert. Und auch hier bleibt sie ihrer Maxime treu: "Es muss nicht alles perfekt sein, das Leben spielt mit dir, und du musst mitspielen."

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