Über 1800 Jahre alt

Nürnberg hat Deutschlands größten Pestfriedhof - aber Köln ein römisches Prachtgrab

3.4.2024, 05:00 Uhr
Köln schmückt sich nun mit dem besterhaltenen Römergrab nördlich der Alpen.

© Oliver Berg, dpa Köln schmückt sich nun mit dem besterhaltenen Römergrab nördlich der Alpen.

Im Februar wurde im Stadtteil Johannis in Nürnberg der vermutlich größte Pestfriedhof Deutschlands entdeckt.

Im Februar wurde im Stadtteil Johannis in Nürnberg der vermutlich größte Pestfriedhof Deutschlands entdeckt. © Daniel Löb/dpa

Eine grün gestrichene Tür öffnet sich und gibt den Blick frei auf einen kapellenartigen Raum. Von dort geht es steile Treppen hinunter in die Tiefe. Mit jeder Stufe wird es kühler. Geheimnisvolles Dämmerlicht umfängt den Besucher, und dann kommt eine hochgezogene Falltür. Dahinter liegt eine Kammer – Kölns Pharaonengrab.

An der Rückwand der Kammer steht ein mit Figuren verzierter Sarkophag, dessen Grabplatte verschoben ist. Drei Porträtbüsten stehen an den Seiten. Nase, Ohren, alles dran. Auf den ersten Blick fast zu makellos, um echt zu sein. Doch die Skulpturen sind mehr als 1800 Jahre alt.

Die Kammer zählt zu den besterhaltenen römischen Grabanlagen nördlich der Alpen. Aber sie ist kein Museum. "Wir sind ein Erlebnisraum", betont Professor Heinz Günter Horn, Vorsitzender des Fördervereins Römergrab Weiden. "Im Museum sind die Objekte ihres Kontextes beraubt. Hier stehen sie genau an der Stelle, an der sie sich auch in der Antike befanden. Das gibt es sonst nirgendwo."

Der Eingang zum Kölner Römergrab. 

Der Eingang zum Kölner Römergrab.  © Oliver Berg, dpa

Es ist ein Grab mit Indiana-Jones-Gehalt. Die Anlage befindet sich mitten an einer der Hauptausfallstraßen von Köln, der Aachener Straße – und das ist kein Zufall: Denn diese Straße ist von den Römern selbst angelegt worden. Sie hieß zu ihrer Zeit Via Belgica, weil sie nach Belgien und weiter bis zur französischen Kanalküste führt. Zu beiden Seiten der Straße standen Grabmäler.

Tote mussten zu römischer Zeit außerhalb der Stadt bestattet werden, aber wie heute auch wollten die Reichen und Berühmten noch im Tod zeigen, wer sie waren. Deshalb bauten sie möglichst prächtige Grabmäler direkt an der Straße. Auch das Römergrab im heutigen Stadtteil Weiden besaß wohl einen überirdischen Grabtempel.

Das Kölner Römergrab lockt mit außergewöhnlich gut erhaltenen Objekten. 

Das Kölner Römergrab lockt mit außergewöhnlich gut erhaltenen Objekten.  © Oliver Berg, dpa

Lange fristete das 1843 wiederentdeckte Grab ein Schattendasein, doch in den vergangenen Jahren ist es von zahlreichen Ehrenamtlern für die Öffentlichkeit erschlossen worden und kann nun an drei Tagen in der Woche besichtigt werden. Ein moderner Informationsbereich führt in Bild und Ton in die Welt der Römer ein, Ende Mai wird noch ein Erweiterungsbau mit Versammlungsraum und einem römischen Garten eröffnet. Das alles aber findet oberirdisch statt – unten sieht alles so aus wie zur Zeit der Legionäre.

Die Erschließung des Kölner Römergrabs lag vor allem in den Händen Ehrenamtlicher: Heinz Günter Horn, Vorsitzender Fördervereins Römergrab Weiden, steht in der Grabkammer. 

Die Erschließung des Kölner Römergrabs lag vor allem in den Händen Ehrenamtlicher: Heinz Günter Horn, Vorsitzender Fördervereins Römergrab Weiden, steht in der Grabkammer.  © Oliver Berg, dpa

"Magisch, beinahe mystisch" beschreibt Archäologe Horn (83) die Atmosphäre in der Grabkammer, und er übertreibt nicht. Als die Neuerschließung vor einigen Jahren begann, gab es Bestrebungen, alles mit einer Glasscheibe zu versiegeln und die Besucher nur von außen hineinschauen zu lassen – schließlich ist das Grab auch eine Schatzkammer voller Kostbarkeiten. Doch dagegen hat sich Horn erfolgreich gewehrt. Es sei die Atmosphäre des Ortes, die die Menschen still werden lasse.

Horn widerstand auch der Versuchung, den Raum mit Informationen zu überfrachten, es gibt hier unten überhaupt nichts Schriftliches. "Die Leute sollen hier reinkommen und sich ganz von der Stimmung gefangen nehmen lassen. Sie sollen sagen ,Boah! ‘ Mehr nicht." Die größte Überraschung in der Kammer sind zwei Sessel. Korbsessel mit Sitzkissen – so sehen sie jedenfalls aus. In Wirklichkeit sind sie aus Kalkstein. In die Wand sind Liegen eingelassen, die sogar dazu einladen, sich der Länge nach hinzulümmeln. Das habe damit zu tun, dass man ein Grab zu römischer Zeit regelmäßig besucht und dort auch Mahlzeiten abgehalten habe, erklärt Horn.

"Es ist nicht nur eine Grabkammer, sondern auch ein Speiseraum." Bei diesen Gruft-Gelagen hatten die Menschen dann das Gefühl, ihren verstorbenen Verwandten besonders nahe zu sein. Weiches Spätnachmittagslicht fällt durch einen Schacht auf den Sarkophag aus Carrara-Marmor, den ein Gutsbesitzer um 300 nach Christus für sich und seine Frau anfertigen ließ – ein teures Importstück also. Die Familie, die hier gelebt habe, müsse den Status heutiger Oligarchen gehabt haben, sagt Horn. Nur die Allerreichsten hätten sich so etwas leisten können.

Immerhin: Das Geld war gut investiert. Heute noch zeugt das Totenreich an der Aachener Straße von der Welt der Lebenden vor fast 2000 Jahren.

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