Vor 100 Jahren geboren

Nürnberger Künstler Wolfgang Fries war ein akribischer Arbeiter

15.12.2021, 17:14 Uhr
Hühnerhof-Studie: Das Blatt wurde in einem neuen Kunstkatalog versehentlich dem Nürnberger Friedrich Neubauer zugeschrieben, es stammt aber von Wolfgang Fries.

© Raffael Schweizer, NNZ Hühnerhof-Studie: Das Blatt wurde in einem neuen Kunstkatalog versehentlich dem Nürnberger Friedrich Neubauer zugeschrieben, es stammt aber von Wolfgang Fries.

Wenn sich Künstler Wolfgang Fries für etwas interessierte, dann wollte er es ganz genau wissen. Der Nürnberger zeichnete so lange und akribisch, bis er die Bewegungen eines Elefanten auf dem Papier exakt wiedergegeben hatte. "Fast schon engstirnig war das, aber er wollte eben das Wesen genau erfassen", berichtet seine Tochter Ilonka Fries. Heuer wäre ihr Vater 100 Jahre alt geworden.

Exzentriker und Lebenskünstler: Wolfgang Fries (1921-2005)

Exzentriker und Lebenskünstler: Wolfgang Fries (1921-2005) © privat

Elefanten genau beobachtet

Das Elefantenhaus im Tiergarten besuchte er viele Monate, bis er sein Modell durch Beobachtung und Skizzen endlich verinnerlicht hatte. Tiere hatten es ihm angetan: Neben Dickhäutern hat er am Schmausenbuck auch Tiger und Büffel beobachtet. Es mussten aber nicht nur majestätische, besonders eindrucksvolle Lebewesen sein, ganz normales Geflügel tat es genauso. Auf einem Aquarell sind Hühner beim Körnerpicken, auf der Futtersuche und beim Herumlaufen abgebildet - ganz realistisch, lebensnah, natürlich.

Das Blatt kam kürzlich wieder in einem Kunstkatalog zum Vorschein, allerdings als Verwechslung: Dort wurde es versehentlich als Werk des Nürnberger Künstlers Friedrich Neubauer bezeichnet. Ein Irrtum, wie das Signet am Blattrand belegt. Es ist ein stilisiertes, hinduistisches Om-Zeichen, das Wolfgang Fries in Variationen zum Kennzeichnen seiner Werke benutzt hat.

Nürnberger Künstler Wolfgang Fries war ein akribischer Arbeiter

© privat

Er beschäftigte sich mit Hinduismus, Buddhismus, mit dem Gedanken an Reinkarnation. Yoga und Mantra-Singen gehörten zu seinem Alltag. Jede Nacht saß er eine Stunde ganz still beim Meditieren: "Mein Vater hat das intensiv gemacht, mit einer Lust, ganz bewusst zu leben. Die Maxime sollte für alles gelten, selbst wenn es nur darum ging, den Lichtschalter zu betätigen", berichtet Ilonka Fries, "gleichzeitig lebte er ultrabescheiden, nutzte jeden Briefumschlag als Notizzettel."

Glasfenster für die Nürnberger Lorenzkirche

Spiritualität war für den Künstler wichtig: So las er eine zentrale hinduistische Schrift, die Bhagavad Gita, er schrieb und illustrierte das Johannes-Evangelium, das er laut seiner Familie auswendig konnte. Fries schuf für die Nürnberger Lorenzkirche zwei Glasfenster, auf denen die Evangelisten Johannes und Lukas dargestellt sind.

So intensiv und vielfältig seine geistige Auseinandersetzung mit der Welt war, so abwechslungsreich war auch sein Arbeiten mit unterschiedlichen Materialien: Neben Fresko- und Aquarellmalerei probierte er sich im Entwerfen von Teppichen und im Bau von Trommeln aus. Ein Webstuhl stand in der Wohnung, ein Brennofen für Keramik im Keller. Dort entstanden Kerzenleuchter in Form einer Frau oder auch ganz abstrakte Kunst: gedrehte Zylinder, die am Ende seines lebenslangen Schaffensprozesses stehen.

Gestaltung von Lebkuchendosen

Kreativ war er, aber kein Selbstvermarkter. Zwar hatte er mit Griechenland-Aquarellen einen gewissen Erfolg, doch finanziell hielt er sich ein Jahrzehnt lang mit der Gestaltung von Lebkuchendosen über Wasser. Heute ist Wolfgang Fries (1921-2005) selbst in seiner Heimatstadt weitgehend unbekannt - seine Familie hat ein Buch über ihn herausgegeben, um dem Vergessen entgegenzuwirken.

Eine professionell gestaltete Website gewährt Interessierten weitere Einblicke in das Leben des künstlerischen Multi-Talents und Exzentrikers. Tochter Ilonka Fries träumt davon, Textilien mit seiner Grafik bedrucken zu lassen oder seine Keramikdosen als Kaffeebehälter weiter zu verbreiten. Das wäre ganz im Sinne ihres Vaters, denn: "Er verabscheute Kunst als reinen Selbstzweck. Er wollte, dass seine Kunst den Alltag schöner macht und nützlich ist."


Mehr Informationen unter www.wolfgangfries.com

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