Schuld ist nicht "der" Islam

Gegen Antisemitismus hilft vor allem: Miteinander reden! In Nürnberg gibt es positive Beispiele

Thomas Correll

Leben

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11.2.2024, 05:54 Uhr
Kundgebung für Israel in München. (Archivbild)

© Stefan Puchner/dpa Kundgebung für Israel in München. (Archivbild)

Antisemitische Gewalt hat in Deutschland zugenommen - ein Trend, der nicht nur besorgniserregend ist, sondern die essenzielle Basis unseres Zusammenlebens bedroht. Der Auslöser ist die Situation im Nahen Osten: Die Hamas griff Israel mit unfassbarer Grausamkeit an. Seither führt Israel Krieg in Gaza, um die Hamas zu zerschlagen - und die Zivilbevölkerung leidet.

Täter oder Opfer: Wer ist was in diesem lange währenden Konflikt? Radikale junge Menschen fühlen sich in Deutschland als Opfer und agieren deshalb als Täter. Gewalt wie zuletzt in Berlin ist keine Ausnahme mehr. Schuld sei, so der Reflex mancher deutscher Politiker und Publizisten, "der" Islam, wahlweise der "radikale Islam". Muslime fühlen sich dadurch angegriffen, unter Generalverdacht gestellt.

Schuld ist der Hass - und die Hamas sät diesen Hass. Es ist taktisch geschickt, daraus eine Frage des Glaubens zu machen. Gut gegen Böse. So fängt man Menschen, die einer Welt voller Krieg und Tod gegenüberstehen und eine einfache Antwort suchen.

Gegen die "Influhetzer"

Ein Muslim wie Cemalettin Özdemir, der in Nürnberg das Begegnungszentrum Medina gegründet hat, setzt dem eine andere Antwort entgegen: Wer Israel vernichten will, ist kein Muslim. Der jüdische Rapper Ben Salomo räumt in Schulen auf mit den Hassbotschaften der "Influhetzer", wie er sie nennt, in den sozialen Medien, und entlarvt die Vernetzungen der Judenhasser, die nicht nur im Gangsta-Rap, sondern in allen Bereichen der Gesellschaft zu finden sind. Beide haben gemeinsam, dass sie mit der "anderen" Seite reden. Beide wissen, welche Sprache sie sprechen müssen, um junge Menschen zu erreichen und von ihrer friedlichen Botschaft zu überzeugen. Diese Sprache geht vielen Politikern ab.

Bessere Schulen kosten Geld

Und dann ist da noch das Bildungsdilemma. Um in der Schule auf Ereignisse wie im Nahen Osten zu reagieren, brauchen Lehrerinnen und Lehrer Zeit, Freiheit und Unterstützung. Im Zweifel ist die Frage immer, wie sehr sich eine Lehrkraft selbst das Leben schwer machen möchte. Ist der Lehrplan dann noch zu schaffen? Bin ich selbst kompetent genug, um über diesen Krieg zu sprechen? Will ich mich bei Eltern angreifbar machen?

Die Lösung: Kleine Klassen, gute Weiterbildung, flexible Unterrichtsgestaltung, mehr politische Bildung, auch durch externe Workshops. Wir alle wissen, dass das unsere Schulen insgesamt besser machen würde. Leider finden Wahlen alle vier Jahre statt, während bessere Schulen zunächst nur höhere Kosten verursachen.

Das letzte Teil im Puzzle ist die Polizei. Gegenüber Gewalt - sei sie antisemitischer Natur oder anderer - darf und sollte die Staatsmacht durchgreifen, das ist ihre Aufgabe. Die Täter, das ist in diesem Fall recht simpel, sind diejenigen, die Gewalt anwenden.

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