Ganz glatte Haut bleibt zwar ein Traum, aber:

Das hilft wirklich gegen Orangenhaut

Melanie Scheuering

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28.4.2022, 05:55 Uhr
Das hilft wirklich gegen Orangenhaut

© iStock.com/Vadzim Kushniarou

Cellulite ist ein Massenphänomen, mehr als 90 Prozent aller Frauen haben im Lauf ihres Lebens damit zu kämpfen. Betroffene tröstet diese Tatsache allerdings kaum. "Es sieht einfach hässlich aus", sagt Nicole aus Nürnberg. Die attraktive Mittvierzigerin schämt sich so sehr für die Dellen auf Oberschenkeln und Po, dass sie ihren Namen in dem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen will. Ihrem Mann glaubt sie zwar, "dass er mich trotzdem schön findet", doch Schwimmbadbesuche vermeidet sie ebenso wie Ausflüge mit Freunden an den Baggersee. Nur am Urlaubsstrand, wo keiner sie kennt, kann sie sich im Bikini entspannen.

Ganz anders sieht es Nicoles korpulente Freundin Inka (30, der Name ist der Redaktion bekannt): "Mir ist egal, was andere denken – Cellulite haben doch alle", sagt sie und verweist auf die "Body Positivity"-Bewegung, die sich für die Abschaffung unrealistischer oder diskriminierender Körperideale einsetzt. "Wir Frauen sollten uns nicht fertigmachen, sondern lieber gegenseitig aufbauen."

Cellulite ist genetisch bedingt

Die Realität sieht allerdings häufig anders aus. "Cellulite bleibt leider negativ behaftet und wird fälschlicherweise oft mit Faulheit und einem ungesunden Lebensstil in Verbindung gebracht", sagt Joachim Graf von Finckenstein, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie in Starnberg. "Sie ist allerdings genetisch bedingt." Zudem kann sie sich durch Gewichtszunahme beziehungsweise starke Gewichtsschwankungen verstärken.

Cellulite ist eine dellenförmige Veränderung der Hautoberfläche, die sich meist im Bereich von Po, Hüften und Oberschenkeln zeigt. Aufgrund ihres Erscheinungsbildes wird Cellulite auch als "Orangenhaut" bezeichnet.

Das Bindegewebe dort ist von so genannten Septen, also kleinen Zwischenwänden, durchzogen. "Die Septen ziehen das Gewebe nach innen zusammen und unterteilen es in kleine Kammern", sagt von Finckenstein, der auch medizinischer Leiter der Praxisklinik in den Seearkaden Starnberg ist. Man könne sich die Gewebestruktur wie eine Matratze vorstellen: "Noppen ziehen den Stoff, also das Gewebe, nach innen zusammen, die Kammern werden nach außen gedrückt."

Östrogen beeinflusst die Ausprägung

Männer sind dank ihres festeren Bindegewebes nur sehr selten betroffen. Das liegt auch daran, dass das Gewebe bei ihnen eine Netzstruktur aufweist, während die Fasern bei Frauen parallel verlaufen. Auch das weibliche Sexualhormon Östrogen beeinflusst die Ausprägung von Cellulite, die sich daher mit dem Monatszyklus verändert.

Wer nach Tipps gegen die Hautdellen sucht, erhält im Internet Millionen Treffer: Cremes, Öle, Massagen, Bäder, spezielle Strümpfe, Anti-Cellulite-Kapseln, ja sogar Neoprenhosen werden da empfohlen. Das einzige Problem: "Die therapeutische Wirksamkeit der meisten dieser Methoden ist nicht bestätigt", sagt Hautarzt Christoph Liebich aus München.

Laut dem Experten helfen gegen Cellulite nachweislich nur zwei Behandlungen: die Stoßwellentherapie und Lymphdrainagen. Bei der Stoßwellentherapie lockern präzise ausgerichtete Druckwellen das Bindegewebe. Bei der manuellen Lymphdrainage wird das Lymphsystem aktiviert und Entschlackung und Entwässerung in den entsprechenden Körperregionen unterstützt.

Christoph Liebich betont aber: "Mit beiden Behandlungen erzielt man zwar schöne Ergebnisse, aber leider wird die Cellulite auf jeden Fall wiederkommen und muss dann auch wieder behandelt werden." Damit es also nicht bei der vorübergehenden Wirkung bleibt, müssen die Behandlungen regelmäßig durchgeführt werden – und zwar von Fachkräften.

Bewegung ist Trumpf

Zu Hause kann die Wirkung etwa durch Wechselbäder und Wechselduschen, Zupfmassagen oder Massagen mit Roller oder Handschuh unterstützt werden. Abnehmen erhöht ebenfalls den Effekt. "Alles, was das Gewebe massiert und eine bessere Durchblutung unterstützt, kann helfen", sagt Liebich.

Bewegung ist also Trumpf, denn Muskeln verdrängen Fettzellen, das Bindegewebe wird straffer, die Haut glatter. Die Sportart kann dabei entscheidend sein: Zu starke Erschütterungen sollte man besser vermeiden, denn so können kleine Risse in den elastischen Fasern entstehen. Schonender für das Bindegewebe sind Sportarten wie Yoga, Aquajogging, Schwimmen oder Radfahren. Auch Übungen wie Ausfallschritte, Kniebeugen, Beckenheben oder so genannte "Donkey Kicks" (Eseltritte) sind effektiv.

Ganz unabhängig vom Training gilt: viel Wasser trinken. Das strafft die Haut und lässt sie strahlender und praller aussehen. Zudem soll der Verzehr von komplexen Kohlenhydraten, magerem Rindfleisch und Fisch, frischem Obst und Gemüse sowie Buttermilch und Molke die Haut straffen. Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Kalium wie Kartoffeln, Spinat, Bananen und Forelle fördern die Entwässerung. Salz begünstigt dagegen Wassereinlagerungen im Gewebe und soll daher sparsam verwendet werden.

Auch in der plastischen und ästhetischen Chirurgie gibt es Verfahren, die eine Verbesserung der Orangenhaut versprechen, darunter Ultraschall-Kavitation (Fettauflösung durch Druckschwankung), Mesotherapie (Injektionen), Kryotherapie (Kältebehandlung) oder Radiofrequenztherapie.

"Um der Cellulite entgegenzuwirken, versucht man die sich zusammenziehenden Septen aufzulockern", sagt Chirurg von Finckenstein. Bei der "Cellfina-Behandlung" zum Beispiel werden die Septen mit einem Miniskalpell durchtrennt, so dass die Oberfläche der Haut wieder glatt wird. Das Ergebnis sei nachhaltig, so der Starnberger Facharzt.

Als weiteren Eingriff nennt er die Hautstraffung. Hier erziele man nach starker Gewichtsabnahme vor allem mit dem "Bodylift"-Verfahren gute Ergebnisse. Nachteil: Der operative Eingriff hinterlässt Narben.

Da für eine Cellulite-Behandlung keine medizinische Notwendigkeit vorliegt, übernehmen die gesetzlichen Krankenkasse die Kosten nicht.

Ganz verschwinden wird Orangenhaut trotz aller Bemühungen wohl nie. Gelassenheit und Selbstakzeptanz ist daher auf Dauer vermutlich das beste Rezept.

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