Raus aus der Tabuzone

Immer mehr nachhaltige Produkte: Menstruation wird zum öffentlichen Thema

Erika Balzer

Volontärin

E-Mail zur Autorenseite

15.5.2022, 09:46 Uhr
Tampon, Menstruationstasse oder vielleicht doch lieber selbstgenähte Slipeinlage? Jede Frau darf selbst entscheiden, was ihr gut tut. Im Idealfall schont die richtige Wahl auch noch die Umwelt.  

© André De Geare Tampon, Menstruationstasse oder vielleicht doch lieber selbstgenähte Slipeinlage? Jede Frau darf selbst entscheiden, was ihr gut tut. Im Idealfall schont die richtige Wahl auch noch die Umwelt.  

"Hast du mal einen Tampon?" flüstert man einer Freundin zu und schämt sich, weil man nicht vorbereitet ist. Einigen wird diese Situation bekannt vorkommen. Niemand soll von der Periode erfahren, man lässt sich das Unwohlsein nicht anmerken, und bei der Arbeit meldet man sich aus einem anderen Grund krank.

Doch es tut sich etwas. Konsumentinnen wollen nachhaltigere, umweltfreundliche Produkte sowie realistische Werbung. Werbespots zeigen nicht mehr nur Frauen beim Shopping oder über eine Blumenwiese hüpfend, sondern beim Kraftsport, im Büro und beim Umzugsstress. 2021 war ein wichtiges Jahr, um das Tabu Menstruation ein Stück weiter aufzubrechen: In Deutschland erschien die erste Werbung für Binden mit roter Flüssigkeit. Davor sah man stattdessen eine blaue Flüssigkeit, die ein Gefühl von Frische und Sauberkeit erzeugen sollte.

Sexistisch und umweltschädlich

Im vergangenen Jahr gab es jedoch auch Hygieneprodukte für Frauen, die weiterhin die alten Klischees bedient haben. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Pinky Gloves – ein Produkt aus der TV-Sendung "Die Höhle des Löwen" im April 2021. Die Produktidee dahinter: Ein pinker Plastikhandschuh sorgt dafür, dass Frauen Tampons nicht mit der Hand berühren müssen und direkt mit dem Handschuh entsorgen können. Die Produktidee floppte. Die zwei Hersteller ernteten umgehend einen Shitstorm, als sie ihre Erfindung in der TV-Sendung präsentierten. Menschen stuften die Geschäftsidee als sexistisch und umweltschädlich ein. Zudem empörten sich viele, dass Pinky Gloves den Eindruck verstärke, dass die Periode etwas ekliges sei.

Um die Stigmatisierung aufzubrechen, richtete Pianistin Lisa M. mit anderen Künstlerinnen im Sommer 2021 eine Ausstellung zur Menstruation in der Roten Galerie in Nürnberg aus. Die Menstruation wurde in Form von Fotografien, Video-Performances, Gesang und Illustrationen behandelt. Lisas Erfahrungen beim künstlerischen Arbeiten am Thema sind durchmischt: "Zum Teil war's ziemlich unangenehm, als ob ich etwas Verbotenes tun würde. Zum Teil war ich aber auch sehr glücklich, dass ich diese Gefühle erlebe und mich selbst besser kennenlerne."

Periode trifft auf Nachhaltigkeit

Zukunftsorientierter als die Pinky Gloves sind Drogeriemärkte und (Online-)Shops für Menstruationsprodukte. "Ich will, dass die Sache sichtbar ist, dass man darüber spricht", sagt Stefanie Wagner. Sie eröffnete 2019 ihren Laden ALMO in Ansbach, ein Shop für Alternative Monatshygiene. Sie war zuvor mit dem herkömmlichen Angebot an Menstruationsprodukten unzufrieden, setzte sich kurzerhand selbst an die Nähmaschine und fertigte ihre eigenen Slipeinlagen aus Stoff an. Ihrer Aussage nach, kommt ihr Angebot gut an: "Es gibt jetzt auch einen Laden in der Schweiz, und ich bekomme viele Anfragen von Menschen, die so einen Shop gerade planen."

Herkömmliche Binden und Slipeinlagen bestehen aus Zellstoff und Plastik, sind daher nicht ökologisch abbaubar. Die meisten Tampons bestehen aus Baumwolle, die von Pestiziden belastet sein könnte. Da Menstruierende sich monatlich mit diesen Produkten auseinandersetzen und im Durchschnitt ganze sechs Jahre ihres Lebens bluten, erscheint es vielen sinnvoll, sich genauer damit zu befassen – für das eigene Wohlbefinden und um die Umwelt zu schonen.

Menstruationstassen, Periodenhöschen oder Naturschwämme

So sehen viele den ersten Schritt in diese Richtung im Umstieg auf Bio-Produkte ohne Duftstoffe und synthetische Zusatzstoffe, wie etwa Bio-Tampons. Nachhaltiger sind jedoch Mehrwegprodukte. Hier hat man nun eine große Auswahl: Menstruationstassen, Periodenhöschen, Naturschwämme oder Slipeinlagen aus Stoff. Nach der Benutzung kocht man die Produkte einfach ab oder wäscht sie mit der Kochwäsche. So halten viele dieser Produkte bis zu zehn Jahre. Ein Tipp von Stefanie Wagner an alle, die noch auf der Suche sind: "Nutze nur die Produkte, die dir guttun. Es darf nicht drücken, sondern muss sich gut anfühlen."

Wer gar keinen Müll während der Periode verursachen will, dem bleibt nur "free bleeding" übrig. Hier benutzt man keinerlei Produkte, versucht aber, das Bluten durch Beckenbodenübungen zu kontrollieren. "Ganz wichtig: Darüber reden, es muss nicht beschämend sein", sagt Stefanie Wagner. Jede Menstruation ist anders, und nur so findet man heraus, was am besten passt.

Wer selbst keine Menstruationserfahrungen macht, kann aber durchaus ein Bewusstsein dafür zeigen. Menstruationsprodukte und kleine Mülleimer im Bad ersparen oftmals unangenehme Situationen.

Herrscht schlechte Laune oder Gereiztheit, kann das sogenannte Prämenstruelle Syndrom der Grund dafür sein. Viele Menstruierende leiden vor und während der Blutung unter Symptomen wie Kopf- und Rückenschmerzen, Heißhunger und Ziehen im Unterleib. "Ich muss im Voraus immer Schmerztabletten nehmen und musste schon mehrmals ins Krankenhaus", berichtet Musikerin Lisa M. Verständnis ist angebracht, Fragen wie "Hast du wohl deine Tage?" sind fehl am Platz.

Auch finanzielle Aspekte der Menstruation können belasten. Schließlich verbrauchen Menstruierende in ihrem Leben im Durchschnitt etwa 10.000 bis 17.000 Einweg-Hygieneartikel. In Schottland etwa müssen öffentliche Einrichtungen nun Menstruationsartikel kostenfrei zur Verfügung stellen.

1 Kommentar