Autonomes Fahren

Warten auf das Robo-Auto

Ulla Ellmer

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10.1.2023, 15:38 Uhr
ZF People Mover: Der Friedrichshafener Zulieferer hat eine Partnerschaft mit dem US-Mobilitätsunternehmen Beep bekanntgegeben.

© ZF ZF People Mover: Der Friedrichshafener Zulieferer hat eine Partnerschaft mit dem US-Mobilitätsunternehmen Beep bekanntgegeben.

Auf der Consumer Electronics Show (CES) von Las Vegas waren Anfang Januar wieder etliche Fingerübungen zum autonomen Fahren zu erleben. Der Friedrichshafener Zulieferer ZF beispielsweise präsentierte eine weiterentwickelte Version seines „People Mover“, auch das deutsche Start-up Holon zeigte einen solch vollelektrischen Shuttle, Concept-Cars wie der Peugeot Inception dokumentierten, dass sie aufs Selbstfahren vorbereitet sind, und bei einem Roboterauto-Rennen am Rande der Messe belegte ein Team der TU München hinter der Konkurrenz aus Mailand einen zweiten Platz.

Peugeot Inception Concept: Vorbereitet aufs autonome Fahren.

Peugeot Inception Concept: Vorbereitet aufs autonome Fahren. © Peugeot

Doch auch wenn das Mobilitäts-Start-up Vay nach eigenen Angaben unlängst eine Ausnahmegenehmigung der Stadt Hamburg für „telegefahrene Testfahrten ohne Sicherheitsfahrer:in“ erhalten hat: Der ganz große Hype ums autonome Auto, das schon in greifbarer Nähe schien, ist vorerst eingebremst. Erst im vergangenen Herbst sind Volkswagen und Ford aus einem ehrgeizigen Gemeinschaftsprojekt mit dem Start-up AI ausgestiegen; während VW mit einem anderen Partner – wohl der Intel-Tochter Mobileye, mit der man bereits zusammenarbeitet – weitermachen und nach wie vor schon 2025 erste vollautonome Exemplare des E-Bullis „ID. Buzz“ auf Hamburgs Straßen schicken will, möchte Ford sich zumindest in dieser Dekade nicht auf Autos mit voller Selbstfahrer-Kompetenz konzentrieren, sondern zunächst auf Fahrerassistenzsysteme.

Im autonomen Fahrmodus würde sich die Bedien- und Lenkeinheit des Inception zurückziehen und so Platz schaffen.

Im autonomen Fahrmodus würde sich die Bedien- und Lenkeinheit des Inception zurückziehen und so Platz schaffen. © Peugeot

Eher gängige Technologien sollen somit weiterentwickelt und optimiert werden; Abstandsregelautomaten beispielsweise, Stau-, Überhol- oder Einparkassistenten, die auch miteinander kooperieren, wobei der Fahrer aber stets wachsam bleiben und gegebenenfalls eingreifen können muss. Diesem teilautomatisierten Fahren nach Level 1 oder 2 ist Level 3 übergeordnet – während das Auto selbstständig lenkt, bremst und beschleunigt, darf sich der „Pilot“ anderen Beschäftigungen wie Lesen oder dem Schreiben von Mails zuwenden. Ein Schläfchen ist allerdings verboten, denn falls das System nicht funktioniert, muss die Übernahme des Steuers gewährleistet sein.

Noch immer Zukunftsmusik

Level 3 wird aktuell erst von zwei Mercedes-Modellen (der S-Klasse sowie deren elektrischem Pendant EQS) beherrscht, beim BMW 7er und i7 soll es ebenfalls noch in diesem Jahr soweit sein. Die Freigabe gilt jedoch nur bis Tempo 60 und auf bestimmten, geeigneten Streckenabschnitten beziehungsweise auf Autobahnen. Den Rahmen des gesetzlich Erlaubten (bis 130 km/h) schöpft derzeit noch kein Fahrzeug aus, ganz zu schweigen von Level 4 oder Level 5, wo der Fahrer die Verantwortung komplett an sein Gefährt abgibt, also nurmehr Passagier ist respektive gar nicht mehr an Bord sein muss.

System "Drive Pilot" von Mercedes: Der Fahrer hat Pause.

System "Drive Pilot" von Mercedes: Der Fahrer hat Pause. © Mercedes-Benz

„Die Vorhaben waren wohl etwas zu ambitioniert“, heißt es vonseiten des Goslar-Instituts der HUK-Coburg-Versicherung über die abgeebbte Anfangseuphorie; die zu entwickelnde Technik habe sich „als komplexer und komplizierter als angenommen“ erwiesen. Nach einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos, die der ADAC in Auftrag gegeben hat, werden sich vollkommen autonome Autos erst ab 2040 allmählich durchsetzen.

Dass das noch etwas dauert, ist wohl auch gut so. Denn es bestehen noch berechtigte Sicherheitsbedenken. „Wir werden beim zukünftigen automatisierten Fahren einem erheblichen Risiko ausgesetzt“, sagt Sebastian Pannasch, Professor für Ingenieurspsychologie an der Technischen Universität Dresden. Zusammen mit der Sachverständigenorganisation Dekra ist die TU der Frage nachgegangen, ob sich der Fahrer während des autonomen Fahrens einerseits Nebentätigkeiten widmen kann, andererseits aber ausreichend wahrnehmungsbereit bleibt, um bei einer technischen Störung schnell und sicher das Steuer übernehmen zu können. Sofern das automatisierte System in einem solchen Fall Alarm schlug, funktionierte das fahrerseitige Eingreifen in der Versuchsreihe noch gut. Erfolgte aber keine solche Warnung, „zeigten sich Schwierigkeiten“, wie es heißt.

"Besorgniserregende Bilanz"

Pannasch spricht von einer „besorgniserregenden Bilanz“ der Studie. Automatisierte Fahrzeuge werden nach seiner Einschätzung „nicht in der Lage sein, alle kritischen Situationen zu erkennen und zu melden“. Eine korrekte Übernahme durch den Fahrer sei dann nicht gewährleistet. Fazit des Forschers: „Nicht alles, was technisch machbar ist, sollte auch unbedingt umgesetzt werden“. Bis aus autonomen Fingerübungen wie denen von Las Vegas echte Roboterautos auf unseren Straßen werden, gibt es sicherheitstechnisch also noch viele Lücken zu schließen.

Dennoch ist anzunehmen, dass die Branche dran bleibt an dem Thema. „Der Traum vom fahrerlosen Auto ist nicht ausgeträumt“, sagt Kersten Heineke, Co-Autor einer Studie, welche die Unternehmensberatung McKinsey aktuell vorgelegt hat. Zu verlockend sind die Aussichten auf üppige Gewinne. McKinsey spricht hinsichtlich der Weiterentwicklung von fortgeschrittenen Fahrerassistenzsystemen von einer „bedeutenden Umsatzquelle für die Automobilindustrie“: Von heute 50 Milliarden Dollar werde der Markt auf 300 bis 400 Milliarden Dollar im Jahr 2035 wachsen.

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