Stromern in Teilzeit

Warum Plug-in-Hybride jetzt ein Comeback feiern

Ulla Ellmer

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10.3.2024, 11:44 Uhr
Der VW Golf bekommt noch in diesem Frühjahr ein Facelift. Als Plug-in-Hybrid schafft er dann rund 100 Kilometer Reichweite.

© VW Der VW Golf bekommt noch in diesem Frühjahr ein Facelift. Als Plug-in-Hybrid schafft er dann rund 100 Kilometer Reichweite.

Als „Brückentechnologie“ hat Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn die Plug-in-Hybride einst bezeichnet – als Fahrzeuge mithin, die eine Verbindung zwischen der alten Welt der Benziner und Diesel sowie der neuen, elektrischen herstellen. Denn die sogenannten PHEVs besitzen sowohl einen Verbrennungs- als auch einen Elektromotor. Und im Unterschied zu Mild- oder Vollhybriden, deren verhältnismäßig kleine Batterie während der Fahrt durch Rekuperation – Bremsenergierückgewinnung - geladen wird, lässt sich der Akku eines PHEVs wie beim reinen Elektroauto extern per Ladekabel mit Strom versorgen, das englische Verb „to plug in“ bedeutet so viel wie „einstöpseln“. Weil die Kapazität der Antriebsbatterie recht groß ist, können relativ weite Distanzen rein elektrisch zurückgelegt werden.

Das klingt gut und sinnvoll. Doch unumstritten sind die Plug-in-Hybride nie gewesen. Das doppelte Equipment macht sie schwer und somit verbrauchsintensiver als pure Stromer oder Verbrenner. Hier setzte ein Kritikpunkt an. Der andere, eher anekdotische und empirisch weniger belegbare: PHEVs, so monieren deren Gegner, würden in der Praxis oft gar nicht geladen und seien folglich kaum elektrisch unterwegs. In Summe führten die Vorwürfe dazu, dass den Teilzeitstromern Ende 2022 der deutsche Umweltbonus gestrichen wurde.

Absturz der Zulassungszahlen

Als Konsequenz stürzten die Zulassungszahlen ab, von 2022 auf 2023 reduzierten sie sich um über die Hälfte. Der Plug-in-Hybrid, so lautete die Schlussfolgerung, sei erledigt. Doch jetzt stellt sich eine erstaunliche Erholung ein. Im Januar 2024 beispielsweise wurden in Deutschland 14.400 PHEVs neu zugelassen, im Vergleich zum Vorjahresmonat 2023 entspricht dies einer Steigerung von knapp 63 Prozent.

VW Tiguan: Die neue Generation gibt es als reichweitenstarken eHybrid.

VW Tiguan: Die neue Generation gibt es als reichweitenstarken eHybrid. © VW

Das Comeback hat mehrere Gründe. „Tot ist der Plug-in-Hybrid doch nie gewesen“, sagt Volkswagen-Sprecher Martin Hube und verweist auf Lieferschwierigkeiten während der Coronakrise - die wenigen verfügbaren Chips seien damals bevorzugt in reinen Elektroautos (BEVs) verbaut worden. Diese Situation habe sich entschärft, nun seien die PHEVs wieder problemlos verfügbar. Gegenüber reinen E-Autos, die inzwischen bekanntlich auch nicht mehr gefördert werden, hat sich zudem der preisliche Nachteil egalisiert. Was den Teilzeitstromern aber in besonderem Maße zugute kommt: Das E-Kennzeichen durften sie ebenso behalten wie die vergünstigte Dienstwagenbesteuerung. Bis 2030 veranschlagt das Finanzamt bei privater Nutzung nur 0,5 statt 1 Prozent vom Bruttolistenpreis als geldwerten Vorteil. 2023 hat in Deutschland der Firmenwagen-Anteil an neu zugelassenen Autos gut 41 Prozent betragen, daraus lässt sich ermessen, welches Potenzial dieser wichtige Markt für Plug-in-Hybride birgt.

Hohe elektrische Reichweiten

Der ermäßigte Steuersatz greift allerdings nur bei einer rein elektrischen Mindestreichweite von 60 Kilometern (oder höchstens 50 Gramm CO2-Ausstoß pro 100 Kilometer), und die Vorgabe wird sich sukzessive verschärfen. Dem tragen die Automobilhersteller schon jetzt Rechnung, indem sie den Aktionsradius ihrer Teilzeitstromer deutlich nach oben schrauben. Das erhöht wiederum deren Praxisnutzen und somit die Attraktivität. Konnten die ersten Plug-in-Hybride nur 20 bis 30 Kilometer weit stromern, schaffen ihre modernen Nachfahren Distanzen um 100 Kilometer. „Im Alltag lässt sich so ein PHEV wie ein reines Elektroauto fahren“, sagt Benjamin Petsch, der bei VW als Produktmanager für den neuen VW Tiguan zuständig ist.

Mercedes GLC: Wahlweise als Benzin- oder Diesel-Plug-in-Hybrid.

Mercedes GLC: Wahlweise als Benzin- oder Diesel-Plug-in-Hybrid. © Mercedes

Tatsächlich beträgt laut Statistischem Bundesamt die tägliche Fahrleistung deutscher Pkw-Halter im Schnitt 35 Kilometer. Das bedeutet, dass bei den neuen „Super-PHEVs“ gar nicht mal tägliches Laden erforderlich ist. Tanken wird man nur dann müssen, wenn eine längere Fahrt ansteht, die dann ohne Ladeplanung- und pause zu absolvieren ist. Lässt man ökologische Erwägungen einmal beiseite, kann sich der Fahrer/die Fahrerin das aktuell kostengünstigere Futter – Strom oder Sprit – aussuchen. Und Benjamin Petsch macht auf einen weiteren, nicht uninteressanten Vorteil aufmerksam: „Die meisten PHEVs haben eine Vorklimatisierung und lassen sich vor Fahrtantritt auf eine angenehme Raumtemperatur bringen“.

Auch schnellladefähig

Doch nicht nur in puncto Reichweite machen die Plug-in-Hybride Fortschritte. Auch bei der Ladeleistung und damit der Ladegeschwindigkeit lernen sie hinzu. Statt 3,7 ist an der Wallbox oder konventionellen Ladestation vielfach 11 kW obligatorisch. Und auch Schnellladen an der Turbosäule – bislang eine rare Kompetenz - wird von der Ausnahme zur Regel.

Beispiele für nunmehr reichweitenstärkeren PHEVs gibt es einige. Um nur ein paar herauszugreifen: BMW X1 und Toyota Prius liegen mit etwa 85 Kilometern noch am unteren Ende der Skala. Die eHybride aus dem Volkswagen-Konzern, die in den Neuauflagen von VW Tiguan, VW Passat, VW Golf, Skoda Superb und Skoda Kodiaq zum Einsatz gelangen, bringen es auf 100 Kilometer, der nächste Audi Q5 wird entsprechend nachziehen. Mercedes stellt in mehreren Baureihen Plug-in-Hybride mit dreistelligen Reichweiten bereit, die C- und E-Klasse gehören dazu, aber auch GLC und GLE, dem GLC 400e mit 31-kWh-Akku werden sogar 130 Kilometer bescheinigt. Als Besonderheit bieten die Schwaben sogar Diesel-PHEVs an. Auch der 5er-BMW gehört zum 100er-Club. Und richtig in die Vollen gehen die Chinesen: Die auch in Europa angebotenen Wey 03 und 05 sollen mit Strom rund 140 beziehungsweise knapp 160 Kilometer weit fahren können, der Lynk 08 schafft sogar 200 Kilometer, noch ist aber nicht entschieden, ob er auch nach Europa kommt.

Wey 03 aus China: Mittelklasse-SUV mit fast 140 Kilometern elektrischer Reichweite.

Wey 03 aus China: Mittelklasse-SUV mit fast 140 Kilometern elektrischer Reichweite. © GWM

In China, wo der Kauf eines PHEVs nach wie vor staatlich subventioniert wird, ist die Nachfrage nach den Teilzeitstromern sowieso groß, im vergangenen Jahr haben sich die Zulassungszahlen nahezu verdoppelt, für 2024 wird ein Verkaufsvolumen von mehr als acht Millionen Einheiten vorausgesagt. Schon mit Hinsicht auf diesen wichtigen Markt wird auch kaum ein deutscher Hersteller vom Plug-in-Hybrid lassen.

Es bleibt spannend

Spannend dürfte freilich werden, wie sich die Preise entwickeln. Um Strafzahlungen an die EU zu vermeiden, müssen die Automobilhersteller ihre CO2-Flottenemissionen senken. Auch deshalb wird der abgeschaffte Umweltbonus nun mit teils erheblichen Preisnachlässen ausgeglichen – aber nur auf reine E-Autos, und nicht auf Plug-in-Hybride.

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