Risiko Wildunfall

Wilde Zeiten auf den Straßen

Ulla Ellmer

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9.10.2023, 16:53 Uhr
Wenn sich Wildtiere auf die Straße wagen, kann es gefährlich werden.

© Hans Benn/pixabay Wenn sich Wildtiere auf die Straße wagen, kann es gefährlich werden.

Was sagt die Statistik?

„Rein rechnerisch kollidiert alle zwei Minuten ein kaskoversicherter Pkw mit einem Wildtier“, sagt Jörg Asmussen. Er muss es wissen: Asmussen ist der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Im Jahr 2022 haben die deutschen Autoversicherer rund 265.000 Wildunfälle registriert und im Schnitt pro Schadensfall knapp 3600 Euro bezahlt. Insgesamt hat sich eine Summe von über 950 Millionen Euro ergeben.

Wann ist das Risiko besonders hoch?

„Die Gefahr eines Wildunfalls ist übers Jahr ungleich verteilt“, sagt Asmussen. Besonders hoch sei das Risiko im April und Mai und von Oktober bis Dezember. In den betreffenden Monaten fällt die Dämmerung, während der sich Rehe, Wildschweine & Co. bevorzugt auf Nahrungssuche begeben, in die Zeit des Berufsverkehrs. Das bedeutet, dass gleichzeitig besonders viele Tiere und besonders viele menschliche Verkehrsteilnehmer unterwegs sind. Dass die ohnedies diffusen Sichtverhältnisse gerade im Herbst noch zusätzlich durch Nebel beeinträchtigt werden, verschärft die Problematik.

Wo ist besondere Vorsicht geboten?

Auf Straßen, die durch Wälder oder entlang von Wiesen und Feldern führen. Zunehmend verlagert sich der Lebensraum von Wildtieren aber auch in bewohntes Gebiet. Deshalb sollte man in der Nähe von Parks und Grünanlagen ebenfalls auf Wildwechsel gefasst sein.

Was kann ich vorbeugend tun?

Auf den genannten Streckenabschnitten die Straßenränder im Auge behalten und Geschwindigkeit sowie Fahrweise an die Situation mitsamt der Sicht- und Wetterverhältnisse anpassen. Vor allem dort, wo Schilder auf Wildwechsel hinweisen, sollte man vorsichtshalber vom Gas gehen und bremsbereit sein.

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) weist im Rahmen des Sichtfahrgebots übrigens ausdrücklich darauf hin, dass das Tempo so zu wählen ist, dass innerhalb der übersehbaren Strecke angehalten werden kann. Bei Dunkelheit ist darunter der Bereich zu verstehen, der vom Lichtkegel der Scheinwerfer ausgeleuchtet wird.

Wild in Sicht: Was tun?

Das Fernlicht ausschalten, denn geblendete Tiere bleiben oft mitten auf der Straße stehen. Außerdem hupen, um den vierbeinigen Verkehrsteilnehmer in die Flucht zu schlagen - und natürlich bremsen, dies aber kontrolliert. Einerseits gilt es zu vermeiden, dass ein nachfolgendes Fahrzeug auffährt, andererseits aber auch, dass man selbst die Kontrolle über sein Auto verliert. „Riskante Ausweichmanöver sind nicht ratsam“, warnt GDV-Chef Asmussen, „die Kollision mit einem anderen Auto oder einem Baum ist in der Regel gefährlicher als die mit einem Wildtier“. Selbst wenn es schwer fällt: Notfalls ist es besser, so weit wie noch möglich abzubremsen und dann „draufzuhalten“.

Nicht vergessen: Gerade Rehe und Wildschweine sind oft in Gesellschaft unterwegs, einem Tier können also noch mehrere folgen.

Die Kollision war unvermeidlich. Und jetzt?

Die Warnblinkanlage einschalten, die Warnweste anziehen, vorsichtig aussteigen und die Unfallstelle sichern, etwa durch Aufstellen des Warndreiecks. Sofern Personen zu Schaden gekommen sind, ist es die erste und wichtigste Pflicht, den Rettungsdienst (Telefon 112) zu alarmieren und Erste Hilfe zu leisten. Grundsätzlich gilt es die Polizei zu informieren (Telefonnummer 110), die wiederum den zuständigen Jagdpächter oder Förster benachrichtigen wird.

Von einer dieser Stellen bekommt man auch die wichtige Wildunfallbescheinigung für die Versicherung. Hilfreich für die Schadenregulierung ist es, Zeugenaussagen zu sichern und Fotos vom Unfallort sowie vom Schaden anzufertigen, die beispielsweise Spuren wie Haare oder Blut zeigen.

Was tue ich mit dem Tier?

Auf gar keinen Fall anfassen, und auch nicht verfolgen. „Tiere könnten panisch reagieren und Helfende verletzen“, warnt der Auto Club Europa (ACE). Tote Tiere sollten zumindest nicht ohne Schutzhandschuhe berührt werden, des möglichen Parasitenbefalls und der drohenden Infektionsgefahr wegen.

Streng verboten ist es, das Tier mitzunehmen. „Das gilt als Wilderei, die in Deutschland mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden kann“, heißt es vonseiten der ARAG-Rechtsschutzversicherung.

Kann ich auch einfach weiterfahren?

Im Prinzip ja, denn das Gesetz stuft Wildtiere – im Unterschied zu Haustieren – als herrenlos ein. Deshalb begeht man keine Unfallflucht. Aber: Wer ein verletztes Tier einfach liegenlässt, kann wegen Tierquälerei belangt werden.

Und wer bezahlt meinen Schaden?

Die Teilkasko kommt für Unfälle mit Haarwild auf. Dazu gehören Wildschwein, Reh, Hirsch, Fuchs und Hase, nicht aber Federwild wie Bussard oder Eule und ebensowenig Nutz- und Haustiere. Ob auch Schäden übernommen werden, die durch Kollisionen mit den genannten anderen Tierarten entstanden sind, hängt vom Versicherungsvertrag ab. Die Assekuranz sollte schnellstmöglich kontaktiert werden – und auf jeden Fall, bevor man eventuelle Wildspuren entfernt, das Fahrzeug reparieren oder verschrotten lässt beziehungsweise verkauft. Grund: Die Wildunfallbescheinigung reicht nicht immer aus, es kann passieren, dass die Versicherung den Schaden von einem Gutachter in Augenschein nehmen lässt.

Komplizierter wird die Sache, wenn der Schaden am Fahrzeug gar nicht auf den direkten Zusammenstoß mit einem Wildtier zurückzuführen ist, sondern beispielsweise auf ein Ausweichmanöver, das dann an einem Baum, an der Leitplanke oder im Straßengraben geendet hat. Gut ist es, in diesem Fall auf Zeugenaussagen oder die Aufnahmen einer Dashcam zurückgreifen zu können – und/oder eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen zu haben.

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