Recherchen des ARD-Magazins "Monitor"

Baustoffe von Knauf in Mariupol: Fränkischer Konzern hilft Putin angeblich beim Wiederaufbau

4.4.2024, 08:28 Uhr
Mariupol wurde während der wochenlangen russischen Belagerung großflächig zerstört. Beim Wiederaufbau werden nun angeblich auch Produkte von deutschen Unternehmen verwendet.

© Vladimir Gerdo/ITAR-TASS/Imago Mariupol wurde während der wochenlangen russischen Belagerung großflächig zerstört. Beim Wiederaufbau werden nun angeblich auch Produkte von deutschen Unternehmen verwendet.

Die wochenlange Belagerung von Mariupol gehört zu den schrecklichsten Schlachten in der mittlerweile über zweijährigen Geschichte des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Die Truppen von Wladimir Putin hungerten die Bevölkerung der Großstadt am Asowschen Meer aus, verschonten weder die Patienten in Krankenhäusern noch Zivilisten, die sich in einem Theater versteckt hielten. Mariupol, das vor der russischen Invasion über 400.000 Einwohner hatte, wurde vollständig zur Ruine.

Umfangreiches Bildmaterial und Geschäftsberichte, die von dem ARD-Magazin "Monitor" ausgewertet wurden, zeigen nun, dass deutsche Firmen mit ihren Produkten am Wiederaufbau der von Russland besetzten Stadt beteiligt sind. Unter anderem kommen laut den Angaben des WDR Baustoffe der fränkischen Firma Knauf auf mehreren Baustellen in Mariupol zum Einsatz.

Die in Mariupol gemachten Aufnahmen zeigen schwere Maschinen oder Fenster, auf denen sich die Logos mehrerer deutscher Hersteller finden. Und immer wieder ist auf Gipssäcken der Name Knauf zu lesen. Das deutsche Familienunternehmen mit Sitz im unterfränkischen Iphofen (Landkreis Kitzingen) ist weltweit führend in der Gipsherstellung. Auch, weil es schon lange Geschäfte im großen Umfang in Russland macht.

Werbung mit Wohnhaus-Projekt in Mariupol

Dabei profitiert das Unternehmen zumindest indirekt von Aufträgen der russischen Regierung. Dies geht aus der Darstellung eines offiziellen Knauf-Händlers hervor, der mit einem Wohnhaus-Projekt in Mariupol wirbt, das im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums mit Knauf-Produkten erbaut wurde.

Der Wiederaufbau der von Russland besetzten Stadt ist eines der wichtigsten Projekte des russischen Präsidenten im Ukraine-Krieg und spielt eine zentrale Rolle in Putins Propaganda. Russlands Staatschef reiste selbst nach Mariupol und besichtigte dort neue Häuser. Baufirmen zogen die Objekte in kurzer Zeit hoch. In russischen Staatsmedien wird der Wiederaufbau der ukrainischen Kommune als „russische Stadt“ propagandistisch ausgeschlachtet.

Eine Beteiligung deutscher Firmen am Wiederaufbau von Mariupol könnte ein Verstoß gegen europäische Sanktionen darstellen, selbst wenn der Export von Baustoffen grundsätzlich nicht unter die Sanktionsregeln der EU fällt. Deutsche Unternehmen „müssen effektiv ausschließen können, dass es irgendeinen militärischen Zusammenhang gibt, von dem, was sie liefern“, sagt der Sanktionsrechts-Experte Viktor Winkler gegenüber "Monitor". Dabei genüge es, „dass die militärischen Handlungen indirekt davon profitieren”. Darunter könnte auch die völkerrechtswidrige militärische Besatzung von Mariupol fallen.

"Wir befolgen sämtliche Sanktionen der EU"

Das Unternehmen selbst erklärt auf Anfrage von "Monitor": „Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und (…) befolgen sämtliche Sanktionen der EU gegen Russland“. Man fertige in Russland „mit lokaler Wertschöpfung ausschließlich für den russischen Markt“.

Diese Einschätzung bezweifelt Viktor Winkler allerdings. „Die Vorstellung, dass es sanktions-unerheblich sei, wenn sich ein Unternehmen oder seine Tochtergesellschaften nur auf den russischen Territorien bewege“, sei „ein absoluter Mythos und könnte nicht weiter weg sein von der Realität“.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter, verurteilt die Beteiligung deutscher Firmen an den Bauarbeiten in Mariupol. Sie stellten sich in den „Dienst eines völkerrechtswidrigen Krieges“. „Das ist bei Knauf sehr augenscheinlich, weil sie in den besetzten Gebieten auch in Mariupol tatsächlich russische Macht zementieren.“

Mariupol wurde von der russischen Armee großflächig zerstört. Die Bombardierung einer Geburtsklinik in Mariupol und die Zerstörung des Theaters werden als Kriegsverbrechen eingestuft. Zehntausende Zivilisten wurden getötet, Hunderttausende Ukrainer vertrieben.

Enge Kontakte zu Putin

Das deutsche Familienunternehmen Knauf macht Milliardenumsätze und ist Weltmarktführer in der Gipsherstellung. Firmenpatriarch Nikolaus Knauf pflegte jahrelang enge Kontakte zum russischen Machthaber Wladimir Putin und war 23 Jahre lang russischer Honorarkonsul. Die Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim bezeichnete er 2018 als “schrecklich”. Auch nach dem russischen Angriffskrieg zog sich der Konzern nicht aus Russland zurück und ist mit seinen Tochterfirmen und Produkten weiter auf dem russischen Markt präsent.

Im März 2022 war der Honorarkonsul der russischen Föderation in Nürnberg nach 23 Jahren zurückgetreten. Gründe für das Niederlegen des Ehrenamtes nannte Nikolaus Knauf nicht. Zuvor hatte er die Werke seines Unternehmens in der Ukraine geschlossen.

Weitere deutsche Firmen sind involviert

Nach "Monitor"-Recherchen sind noch weitere deutsche Firmen in den Wiederaufbau Mariupols involviert. Dazu zählt der Maschinen- und Anlagenbauer WKB-Systems mit Sitz in Hörstel in Nordrhein-Westfalen. Auch Produkte dieses Unternehmens, sogenannte Porenbausteine, werden auf zahlreichen Baustellen verwendet.

Hauptgesellschafter der Firma ist der russische Oligarch und Bauunternehmer Viktor Budarin. Seine Porenbetonsteine “VKBlok” werden mit Hilfe deutscher Technologie hergestellt. Budarin kaufte sich dafür 2010 den Maschinen- und Anlagenbauer WKB Systems. WKB rüstete mehrere seiner Fabriken mit Maschinen aus. Zolldaten, die "Monitor" auswerten konnte, zeigen, dass die WKB Systems GmbH auch nach Kriegsbeginn noch wichtige Bauteile für ein neues Werk von Budarin lieferte. Trotz seiner Beteiligung am Wiederaufbau Mariupols wurde Budarin von der EU bislang nicht sanktioniert.

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