Nur noch 50 Euro in bar

Bezahlkarte für Asylbewerber: Bayern entmündigt die Geflüchteten

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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3.4.2024, 11:00 Uhr
Sie sieht aus wie eine handelsübliche Scheck- oder Kreditkarte, auch in Bayern. Tatsächlich allerdings gewährt die Bezahlkarte den Flüchtlingen nicht mehr, sondern deutlich weniger Freiheiten.

© Sven Hoppe, dpa Sie sieht aus wie eine handelsübliche Scheck- oder Kreditkarte, auch in Bayern. Tatsächlich allerdings gewährt die Bezahlkarte den Flüchtlingen nicht mehr, sondern deutlich weniger Freiheiten.

Die Diskussion um die Bezahlkarte läuft überraschend ruhig. Tatsächlich gibt es Argumente wie den sinkenden Verwaltungsaufwand für die Behörden oder die lokale Begrenzbarkeit der Karte. Das mit den "Pull-Faktoren" allerdings, vor allem bemüht von konservativen Politikern, ist dünn.

Argumente pro Bezahlkarte: Eine löchrige Geschichte

Ihre These: Weil die Menschen wissen, wie viel Geld sie in der Bundesrepublik bekommen, machen sie sich mit Hilfe von Schleppern auf den lebensgefährlichen Weg und überweisen danach das Geld in die Heimat, von dem sie hier leben sollen. Damit, so heißt es regelmäßig auch bei der CSU, zahlten sie ihre Schulden bei den Schleppern ab.

Doch diese Geschichte ist löchrig. Nicht nur, dass alle, die das erzählen, jeden Beleg dafür schuldig bleiben und bestenfalls vage auf "Erfahrungswerte", auf bloßes Hörensagen verweisen - es widerspricht auch den Fakten.

Aus Deutschland fließt mehr Geld nach Syrien als nach Afrika

So ermittelt die Bundesbank alljährlich, wie viel Geld von Deutschland aus an Familien im Ausland überwiesen wird. 2022 waren das mehr als sieben Milliarden Euro. Gut sechs Milliarden davon blieben in Europa und der Türkei, vor allem in Rumänien, Polen und Italien, in Ländern also, deren Bürger bei uns arbeiten. 407 Millionen flossen nach Syrien. Aktuell leben mehr als 920.000 Syrer bei uns, die meisten dürfen ganz offiziell Geld verdienen und damit ganz selbstverständlich tun, was sie wollen.

Die verbliebene halbe Milliarde Euro verteilt sich über den Rest der Welt. Nach ganz Afrika fließt weniger als nach Syrien. Kein Wunder. Geflüchtete erhalten im Monat 460 Euro an Sozialleistungen. Wie sie davon nennenswerte Beiträge in ihre Heimat überweisen sollen, bleibt ein Rätsel. Und schon gar nicht zieht das Argument, sie finanzierten so ihre Schlepper. Die verlangen hohe vier- bis fünfstellige Summen. Mit ein paar Euro im Monat ist das nicht abbezahlt.

Die Transfers, die die Bezahlkarte verhindern soll, finden gar nicht statt

Tatsächlich überweisen viele erst Geld nach Hause, wenn sie reguläre Jobs gefunden haben. Dass sie dann ihre Familien unterstützen, ist weder ehrenrührig noch illegal, sondern normal - siehe Polen, Rumänen, Italiener oder Syrer. Als Argument für die Bezahlkarte taugt das nicht. Denn die Transfers, die sie verhindern soll, finden gar nicht statt.

Fachleute erwarten deshalb nicht, dass durch die Bezahlkarte die Zahl der Flüchtlinge auch nur marginal sinken könnte. Trotzdem tragen selbst SPD-regierte Länder die Idee mit. Und nicht nur, weil es so praktisch ist beim Verwalten des Geldes.

Denn es geht um ein ganz anderes Signal: Die Flüchtlinge sollen wissen, dass es ihnen Deutschland unbequem machen wird in Zukunft; es soll sie abschrecken. Und Bayern setzt mit seinen maximal 50 Euro Taschengeld noch einen drauf. Die Politik entmündigt die Geflüchteten und nimmt ihnen einen Teil ihrer Würde. Und es dürfte erst der Anfang sein, wenn der Effekt tatsächlich ausbleibt.

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