Es bräuchte schnelle und sehr drastische Maßnahmen

Die allerletzte kleine Chance: So könnte Kanzler Scholz die Ampel vielleicht doch noch retten

Harald Baumer

Korrespondent Berlin

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20.1.2024, 18:53 Uhr
Sollten sie nicht besser aufgeben? Die drei führenden Köpfe der Koalition.

© Michael Kappeler, NN Sollten sie nicht besser aufgeben? Die drei führenden Köpfe der Koalition.

Kaum eine Regierung stand zur Mitte einer Legislaturperiode so schlecht da wie die Ampel. Die Akteure vertrauen einander nicht, Beschlüsse werden gefasst und gleich danach wieder zurückgenommen, Menschenmassen demonstrieren, die Umfragewerte sind verheerend.

Es wäre fatal, wenn die drei beteiligten Parteien bis zur nächsten Wahl in zwei Jahren in diesem Stil - mit Streit, handwerklichen Pannen und Missverständnissen - so weiterwursteln würden. Das wäre für das Land nicht gut und für die ins Kippen geratene politische Stimmung fatal.

Es gibt jetzt genau zwei Möglichkeiten. Erstens: Die Ampel dankt ab. Und zwar schnell. Die FDP könnte ihren Austritt erklären, wie das Vize-Chef Wolfgang Kubicki kürzlich im Interview mit unserem Medienhaus angedeutet hat. Die SPD könnte Schluss machen und in der Not eine Übergangskoalition mit der Union eingehen. Auch sofortige Neuwahlen wären denkbar.

Könnten sich die Beteiligten zusammenraufen?

Die zweite Möglichkeit: Sozialdemokraten, Grüne und Liberale versuchen es mit aller Energie nun wirklich ein letztes Mal, sich zusammenzuraufen. Lediglich ein Wochenende in einer Klausur zu verbringen und nette Fotos zu machen, reicht allerdings nicht aus. Es helfen nur noch drastische Schritte.

Olaf Scholz müsste im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Das ist der maximale Schritt, den ein Kanzler gehen kann, um sich des Rückhalts seiner Koalitionsabgeordneten zu versichern. Gerhard Schröder, der vorletzte Regierungschef der SPD, hat das 2001 unter weit weniger kritischen Umständen getan und ging gestärkt daraus hervor.

Die Ampel müsste gleichzeitig ein unmissverständliches Zeichen des Neuaufbruchs setzen. Zunächst wäre eine Entschuldigung nötig für das, was bisher alles schief gelaufen ist - und dann eine Neujustierung. Bis zur nächsten regulären Wahl ist es nicht mehr viel Zeit. Deswegen sollte sich die Regierung auf drei bis fünf überzeugende Projekte beschränken, diese dann aber auch professionell umsetzen.

Der Kanzler muss endlich eine aktivere Rolle übernehmen - und mit den Bürgerinnen und Bürgern reden. Nicht in Babysprache („Doppelwumms“), nicht beleidigt und nicht besserwisserisch. Ohne einen allzeit präsenten Regierungschef wird es die Ampel nicht schaffen. Höchst fraglich, ob ihm das angesichts des Vertrauensverlustes gelingt.

Alle drei Koalitionspartner sollten überlegen, ob nicht einzelne personelle Veränderungen helfen könnten. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat vor einem Jahr bewiesen, dass ein neues Gesicht der ganzen Regierung Aufschwung verleihen kann.

All die genannten Schritte müssten binnen weniger Wochen erfolgen. Und wenn es dann wieder nicht klappt, sollte schleunigst Schritt eins (siehe oben) erfolgen und das Ampel-Projekt beerdigt werden.

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