Leitartikel: Was jeder tun kann

Mehr Verständnis für andere Positionen und Meinungen: Wir sollten Gemeinsamkeiten suchen

Hans Böller

Redakteur der Nürnberger Nachrichten

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21.4.2024, 11:00 Uhr
Demokratie ist ein hohes Gut. Und bleibt uns nur erhalten, wenn sich alle dafür einsetzen.

© IMAGO / photo2000 Demokratie ist ein hohes Gut. Und bleibt uns nur erhalten, wenn sich alle dafür einsetzen.

Es ist nicht sehr lange her, dass sich Katholiken und Protestanten misstrauisch, ablehnend, sogar feindselig gegenüberstanden. Etwas länger her ist es, dass sie sich gegenseitig totschlugen – aber das geschah, obwohl sie denselben Gott hatten, dieselbe Bibel, dieselben Gebote. Ein paar winzige Unterschiede in Detailfragen genügten für furchtbare Massaker.

Heute ist die Ökumene eine Selbstverständlichkeit und stoßen theologische Hardliner auf so gut wie kein Gehör mehr. Christen betonen das Gemeinsame. Vor diesem Hintergrund streiten sie, um Detailfragen geht es dabei nicht, sondern ums gesellschaftliche Ganze – und auch darum, wie die Zukunft der Kirchen aussehen könnte. Ob es überhaupt eine gibt.

Abgrenzung bestimmt das Klima

Die Idee der Ökumene taugt vielleicht nur bedingt als Vorbild. Aber die Frage, ob die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Republik eine Zukunft hat, steht längst im Raum, und deshalb könnte man verstärkt darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, beim Ringen um die Zukunft zuerst das Gemeinsame zu suchen. Denn die angebliche Spaltung der Gesellschaft wäre, wenn es sie überhaupt gibt, ja ganz und gar keine grundsätzliche.

Die allermeisten Menschen glauben an Demokratie und Grundrechte und wollen dasselbe: in Frieden und Freiheit in einem sozial gerechten Land leben, in dem sie für ihre Leistungen belohnt werden. Ungefähr das versprechen ihnen auch alle politischen Parteien - geraten aber in Detailfragen oft derart rechthaberisch aneinander, dass der Eindruck entsteht, die Menschen würden komplett unterschiedliche Dinge erwarten. Grundsätzliche Abgrenzung bestimmt das politische Klima mehr als sachlicher Streit.

Natürlich hat das Folgen. Das Unverständnis für andere Positionen als die eigenen färbt überall ab, führt zu Resignation und Rückzug – oder zu Wut und herabwürdigenden Haltungen gegen Menschen, mit denen im Grunde oft die Gemeinsamkeiten überwiegen. Davon profitiert niemand – mit Ausnahme der radikalen Parteien, die genau das zu ihrem Programm gemacht haben.

Einander zuhören

Dagegen solidarisieren sich erfreulicherweise wieder mehr Menschen, und tatsächlich stimmt es in diesem Fall, dass jeder Einzelne das auch für sich zu tun vermag: zu prüfen, wo es Gemeinsamkeiten gibt. Die große Mehrheit darf sich für anständig halten und ist, das ist eine Lebenserfahrung, bemüht, die eigenen Interessen in Einklang mit denen anderer zu bringen.

Im Alltag, in Familie und Freundeskreis, ist das eine unentbehrliche Übung. Es geht nicht darum, es jedem rechtzumachen, aber es geht um Verständnis für andere Positionen, darum, einander zuzuhören und dem anderen zuzugestehen, was man für sich selbst in Anspruch nimmt. Und auch das ist eine Lebenserfahrung: Meistens wird man daraus schlauer.

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