Deutsche Kritik verhallt

Scholz in China: Das Dilemma vieler Demokraten ist die ökonomische Abhängigkeit von Despoten

Alexander Jungkunz

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16.4.2024, 15:48 Uhr
Chinas Staatspräsident Xi Jinping empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking.

© Michael Kappeler/Michael Kappeler/dpa Chinas Staatspräsident Xi Jinping empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking.

Wenn ein Vorgang reichlich banal, unbedeutend und folgenlos ist, dann sagt man dazu auch, das sei so wichtig, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Nun hat der Bundeskanzler seinen dreitägigen Besuch im Riesenreich hinter sich, er hat durchaus den passenden Ton getroffen, was Kritik am autoritären Regime in Peking angeht. Aber: Die Führung der Volksrepublik interessiert das zumindest nach außen vermutlich so sehr, wie wenn in Deutschland ein Sack Mehl umfällt. Also: nicht.

Massive wirtschaftliche Abhängigkeit

Weil Deutschlands Wirtschaft weit mehr von China abhängig ist als umgekehrt - das Ungleichgewicht zwischen dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Reich und Deutschland ist groß. Damit wiederholen wir den gleichen Fehler wie bei Russland: Von Putin bezogen wir lange Jahre günstige Energie - von Xi Jinpings Regime sind weit mehr exportorientierte Branchen abhängig.

Das Dilemma ist offensichtlich und schwer auflösbar: Einerseits redet gerade die Ampel gern von "werteorientierter" Außenpolitik - andererseits hängen Zigtausende Jobs im Lande davon ab, dass wir auch mit Staaten gute Geschäfte machen, die unsere Werte keineswegs teilen, sondern sie sehr deutlich ablehnen. Und so wird dann auch jene neue China-Strategie zusehends weichgespült, mit der die deutsche Regierung deutlicher als früher auch auf Distanz zu Peking gehen wollte.

Söder, Scholz, später Habeck: unterschiedliche Tonlagen

Drei Reisen deutscher Politiker zeigen dieser Tage die Bandbreite von Diplomatie: Kürzlich war Markus Söder in China, knuddelte Plüsch-Pandas und empfahl nun auch Scholz Real- statt Moralpolitik. Kritische Töne gegen die Machthaber in Peking wurden von seinem Besuch nicht überliefert. Der Kanzler sprach zumindest Defizite an, redete in einer Runde von Studenten vom Wert der Meinungsfreiheit und ging auch auf Putins Krieg gegen die Ukraine ein - China unterstützt den Kreml, der ohne diesen Rückhalt einen weit schlechteren Stand hätte.

Demnächst reist Robert Habeck nach China, er will noch deutlichere Worte finden - wir sind gespannt. Und das autoritäre Regime in Peking wird alles unternehmen, damit das Virus der Freiheit seine strikt überwachten Bürger nicht ansteckt. Auch deswegen verstärken China, Russland, Nordkorea und der Iran ihre Kooperation: Da kämpfen Despoten um den Erhalt ihrer Reiche. Sie fürchten demokratische Funken und ersticken sie auch mit Gewalt.

Mehr demokratisches Selbstbewusstsein wäre schön

Wer hat den längeren Atem? Demokratien oder Diktaturen? Momentan neigt sich die Waage eher zu den autoritären Systemen. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass sich Demokraten und westliche Wirtschaftsführer ein Stück zu leicht breitschlagen lassen, weil gute Deals locken. Mehr demokratisches Selbstbewusstsein könnte die Strahlkraft der Freiheit verstärken. Dort, wo es sie gibt, wird ihr Wert oft von Wutbürgern schlechtgeredet. Aber viele, die unter autoritären Regimen leiden, sehnen sich nach aufrechte(re)n Demokraten.

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