Bundesrichter entscheiden

Söders Kulturkampf um Kruzifixe und Gendern spaltet die Gesellschaft

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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12.12.2023, 12:03 Uhr
Nur wenige Wochen, nachdem er im Amt war, hat Markus Söder im April 2018 an der Pforte der Staatskanzlei demonstrativ ein Kreuz aufgehängt.

© Peter Kneffel, dpa Nur wenige Wochen, nachdem er im Amt war, hat Markus Söder im April 2018 an der Pforte der Staatskanzlei demonstrativ ein Kreuz aufgehängt.

Markus Söder betont gerne, wie tolerant Bayern sei, leben und leben lassen sei sein Motto. Die Grünen als die Verbots- und Bevormundungspartei schlechthin, die CSU als letzte Schutzmacht der Liberalität, das gefällt dem CSU-Chef.

Jede Menge CSU-Verbote

So weit die Theorie. Wenn es dem Kulturkampf dient, schätzen Söder und seine CSU durchaus Verbote und scharfe Vorschriften. Eben erst hat er das Gendern an Schulen und in Behörden verboten - obwohl das weder hier noch dort erlaubt ist. Er hat in der Flüchtlingsdebatte den Uralt-Kampfbegriff Leitkultur aus der Mottenkiste geholt, weil er das konservative Profil schärfen soll. Ginge es nach ihm, bleibt Cannabis illegal. Die meisten Bundesländer haben großzügigere Ladenschlusszeiten. Auch bei der Windkraft hat Bayern viel zu strikte Vorschriften. Entsprechend wenig geht voran. Und bei den stillen Feiertagen samt Tanz- und Musikverbot hält kein anderes Bundesland mit Bayern mit.

Und das auch: Als dieser Tage die Falschmeldung die Runde machte, eine Hamburger Kita verbiete den Weihnachtsbaum, war Söder zur Stelle. Absurd sei das, der Baum gehöre zu Weihnachten, empört er sich seitdem in den sozialen Medien. Bis heute hat er die Posts weder zurückgenommen noch dort klargestellt, dass er auf Fake News hereingefallen war - wohl, weil es ihm zu gut ins Bild passt. Es hätte, so tatsächlich seine Argumentation, ja schließlich auch stimmen können.

Das Kreuz mit dem Kreuz

Als Söder 2018 das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hat, hat er gezeigt, dass er wenig Scheu kennt, wenn es um Kulturkampf geht. Eine seiner ersten Handlungen war der Kreuzerlass. Kruzifixe, so seine Argumentation, seien "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns". Dann hängte er medienwirksam ein Kreuz in der Staatskanzlei auf.

Seitdem klagt sich der Bund für Geistesfreiheit durch die Instanzen. In Bayern ist er zwar am Verwaltungsgerichtshof unterlegen - aber nur, weil die Richter ihm das Recht absprechen, er könne die Neutralitätspflicht des Staates vor Gericht durchsetzen. Dass der Staat mit dem Kreuzerlass gegen seine "Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität" verstoße, sehen die Richter gleichwohl.

Unbehagen bei den Kirchen

Selbst die Kirchen haben sich 2018 mit dem Erlass schwergetan; sie fühlten sich von Söder im Wahlkampf missbraucht. Und da ist etwas dran. Söder kalkuliert die Empörung stets mit ein bei seinen Initiativen. Das war beim Kreuzerlass nicht anders als beim Genderverbot oder beim Hamburger Weihnachtsbaum. Rechtliche und faktische Grauzonen nimmt er hin, wenn er seine konservative Klientel bedienen kann.

So gesehen ist es gut und notwendig, dass jetzt die Bundesrichter über den Kreuzerlass entscheiden. Denn Söder missbraucht religiöse Symbole für sein politisches Kalkül. Er spaltet damit auch die Gesellschaft - und das ist nicht im christlichen Sinn.

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