Magere Jahre für Union

Thema Ampel beherrscht alles: Union schaut ohnmächtig zu

18.10.2021, 13:08 Uhr
Er wird wohl kaum der neue Oppositionsführer werden: der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet.

© via www.imago-images.de, imago images/Political-Moments Er wird wohl kaum der neue Oppositionsführer werden: der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet.

Jetzt dürfte es den Vertretern von CDU und CSU langsam aufgehen, was sie da alles verloren haben. Je weiter die Verhandlungen über eine Ampel-Koalition voranschreiten, desto mehr wird klar: Der Union stehen vier überaus magere Jahre bevor. Und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Die öffentliche Aufmerksamkeit gilt nun SPD, Grünen und FDP. Jedes Signal aus den Bündnisgesprächen wird aufmerksam verfolgt, denn daraus könnte binnen kurzer Zeit knallharte Regierungspolitik werden. Die Heerscharen von Journalisten, die bisher CDU- und Merkel-Astrologie betrieben, wenden sich ab. Die Union taucht fast nur noch als Problemfall auf.

Noch schmerzhafter wird aber etwas anderes sein. Die Ampel-Koalitionäre vergeben bald Dutzende von höchst attraktiven Posten im Kanzleramt, in den Ministerien und in den untergeordneten Behörden. 16 Jahre lang war das zu einem guten Teil das Vorrecht der Union gewesen. Ihr bleiben nur noch Partei- und Fraktionsvorsitz, der Generalsekretär und der Vorsitz in einigen Bundestagsausschüssen.

Keine klaren Vorgaben

Wer sich das alles vergegenwärtigt, der kann auch verstehen, warum CDU und CSU zu den Ampel-Verhandlungen höchst unterschiedliche, teils einander widersprechende Auskünfte abgeben. Es fehlt einfach die Person an der Spitze, von der klare Vorgaben kommen. Ein Armin Laschet ist nicht mehr in der Lage dazu.

Und so wechselten sich denn in den vergangenen Tagen freundliche Kommentare gegenüber der Ampel und solche, die eher noch nach Wahlkampf klangen, munter ab. Vom noch amtierenden CDU-Vorsitzenden war über die Sondierung zu hören "Das Papier, das da vorgelegt wurde, ist in Ordnung". Ja, er sagte sogar: "Da hätten manches wir auch manches mitmachen können." Es seien "viele gute Sachen drin". Friedrich Merz sprach von einem "beachtlichen Papier".

Einer der Kandidaten für den Posten des Oppositionsführers: Ralph Brinkhaus.

Einer der Kandidaten für den Posten des Oppositionsführers: Ralph Brinkhaus. © Bernd Thissen, dpa

Ganz anders hörte sich das bei CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an. Er bezeichnete die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse als "Linksträumereien. Die wahre Farbe der Ampel sei Rot, es drohten Steuererhöhungen für Millionen Bürger durch die Abschaffung sogenannter Subventionen und eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa".

Monate zum Neusortieren

Eine klare Linie sieht anders aus. Doch die Positionierung gegenüber einer sich verfestigenden rot-grün-gelben Koalition dürfte derzeit ohnehin das geringste Problem der Union sein. Sie hat von nun an etliche Monate, um sich auf ihre Rolle als größte Oppositionspartei einzustellen.

Vermutlich wird es erst im neuen Jahr zu großen Parlamentsdebatten über die Arbeit der neuen Regierung kommen. Bis Ende November oder Mitte Dezember dürften die Koalitionsverhandlungen dauern. Dann tritt das geschäftsführende Kabinett ab und macht den Neuen Platz. Es dürfte nochmal ein schmerzhafter Prozess für die Union sein, wenn Angela Merkel das Kanzleramt an Olaf Scholz abgeben muss und andere Spitzenkräfte wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier von der Bildfläche verschwinden.

Umso mehr bräuchte es bei den Christdemokraten eine Persönlichkeit die als Oppositionsführer mitreissende Reden halten kann und - ganz nebenbei - jederzeit als eine Art Ersatzkanzler zur Verfügung stünde. Keiner der bisher genannten Kandidaten erfüllt alle Voraussetzungen.

Kein Kandidat passt richtig

Jens Spahn kommt innerparteilich nicht so gut an, Norbert Röttgen spricht nur den liberaleren Flügel der CDU an und Friedrich Merz nur die Konservativen. Carsten Linnemann, den Wirtschaftspolitiker, kennt kaum jemand. Ralph Brinkhaus hat es in seinen drei Jahren als Fraktionsvorsitzender nicht unbedingt geschafft, sich über das Parlament hinaus zu profilieren.

Und der Rest der künftigen Opposition? Die AfD hat seit dem angekündigten Abschied ihres Bundessprechers Jörg Meuthen - wie so oft - mit sich selbst zu tun. Angesichts des erneuten Rechtsrucks durch ein Führungsduo aus Tino Chrupalla und Alice Weidel ist nicht zu erwarten, dass de AfD im neuen Parlament eine konstruktive Rolle spielen will.

Die Linken stehen immer noch unter dem Schock, dass ihnen lediglich ein drittes Direktmandat die Rückkehr in den Bundestag in Fraktionsstärke bewahrt hat. Sie sind mit 4,9 Prozent und lediglich 39 Abgeordneten die mit Abstand kleinste Gruppe im Parlament und werden das in vielerlei Hinsicht zu spüren bekommen - bei der Redezeit, bei den Finanzmitteln und bei den Ausschussposten.

"Wenig Konkretes, viel Lyrik"

Wo die Linken ihre Rolle sehen, das ist jetzt schon klar erkennbar. Sie wollen das soziale Gewissen des Parlaments sein - auch und gerade erst angesichts einer Regierung unter rot-grüner Führung. Das Sondierungsergebnis lese sich wie ein "Buch der edlen Vorhaben", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die zwölf Seiten beinhalteten "wenig Konkretes, viel Lyrik".

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