Bis zur echten Zeitenwende dauert es noch Jahre

Triste Botschaft der Wehrbeauftragten Eva Högl: Wir können uns noch lange nicht selbst verteidigen

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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12.3.2024, 15:15 Uhr
Die Wehrbeauftragte Eva Högl bei einem Truppenbesuch.

© Sina Schuldt, dpa Die Wehrbeauftragte Eva Högl bei einem Truppenbesuch.

Eine kleine Geschichte sagt mehr aus über den Zustand der Bundeswehr als viele Zahlen. Die Truppe soll in Litauen dazu beitragen, die Ostflanke der Nato zu stärken - unter anderem mit dem Schützenpanzer Marder. Doch auf das Gerät scheint derartig wenig Verlass, dass stets ein zusätzlicher Panzer mitgeführt werden muss, um ihn notfalls ausschlachten und mit den Einzelteilen die restlichen Marder reparieren zu können.

Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, erwähnte dieses Beispiel in ihrem Jahresbericht zum Zustand der Bundeswehr. Sie sei selbst vor Ort gewesen und habe das von Soldaten erfahren. Es passte sehr gut in das, was die Politikerin sonst erzählte.

Kurz gefasst lautet die Botschaft so: Die von Kanzler Olaf Scholz ausgerufene militärische „Zeitenwende“ ist noch nicht bei der Truppe angekommen.

Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn seit 2022 derart viel hätte verändert werden können. Die Beschaffung schweren Geräts hat einen Vorlauf von fünf Jahren aufwärts, marode Kasernen können auch nicht mal eben so grundsaniert werden.

Auch mal "von der Stange" kaufen

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat einiges bewirkt - im Auftreten sowieso, aber auch in der Sache. Er ist bemüht, die Rüstungsbeschaffung vor schier endlosen Beratungs- und Änderungsschleifen zu bewahren und stattdessen wie andere Armeen gelegentlich auch „von der Stange“ zu kaufen. Das spart Zeit und Geld.

Kaum vorangekommen ist er bei der Nachwuchsgewinnung. Junge Menschen mit guten Abschlüssen können zwischen so vielen Stellenangeboten wählen, dass sie bei bei einer derart dürftig ausgestatteten Bundeswehr eher skeptisch sind.

Die Wahrheit in Sachen Verteidigungsbereitschaft will immer noch kaum jemand in der Politik aussprechen: Deutschland wird künftig noch sehr viel mehr Geld ausgeben müssen als die jetzt gerade mal mit Mühe erreichten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sollten die USA zunehmend auf Distanz zur Nato gehen und als Schutzmacht ausfallen, wären wohl eher vier oder fünf Prozent nötig.

Schmerzhafte Summen

Solche Summen zu beschaffen, das würde innenpolitisch richtig schmerzen. Sie wären im Haushalt nicht mehr zu organisieren, ohne dass es in anderen Bereichen zu deutlichen Abstrichen kommen würde.

Leider hat Deutschland verteidigungspolitisch viel zu lange in einer Märchenwelt gelebt. Geschützt von anderen, getragen von der Hoffnung auf ein Ende aller Kriege und geprägt von den entsetzlichen Erfahrungen des Nationalsozialismus meinte man, mit einer Potemkinschen Bundeswehr durchzukommen. Nichts funktionierte richtig, man schummelte sich irgendwie durch. Den Preis dafür müssen wir jetzt bezahlen.

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