Wird das nächste Projekt zerredet?

Warum die Kindergrundsicherung ein typisches Beispiel für das Versagen der Ampel ist

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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8.4.2024, 12:49 Uhr
An den Plänen von Familienministerin Lisa Paus zur Kindergrundsicherung gibt es Kritik.

© Michael Kappeler/Michael Kappeler/dpa An den Plänen von Familienministerin Lisa Paus zur Kindergrundsicherung gibt es Kritik.

Nein. überrascht ist wohl niemand von der erneut schlechten Krisenkommunikation in der Ampel. Mittlerweile sind es die Menschen im Lande gewohnt, dass ein an und für sich gutes Anliegen, das noch dazu im Koalitionsvertrag verankert ist, vor der Umsetzung gnadenlos zerredet wird. Und zwar aus den eigenen Reihen, die Opposition muss sich schon sehr bemühen, um überhaupt noch Gehör zu finden. Die Debatte um die Kindergrundsicherung reiht sich in dieses Muster nahtlos ein.

Wenn Historiker dereinst über diese Koalition urteilen, sind ein paar Eckpfeiler schon absehbar: Es gab wohl noch nie eine Bundesregierung, die sich so intensiv selbst zerlegt hat. Und es gab selten ein Bündnis mit einem derart ambitionierten Programm, das in weiten Teilen auch umgesetzt worden ist. Beide Aspekte sind nur scheinbar ein Widerspruch.

Die Kindergrundsicherung steht dafür exemplarisch: Sozialpolitisch ist diese Reform richtig, denn die grassierende Kinderarmut in Deutschland ist schwer zu ertragen. Die Union hat hier, wie bei so vielem, 16 lange Jahre mehr oder weniger tatenlos zugesehen.

Handwerkliche Fehler sind unerklärlich

Was nur deshalb gut gehen konnte, weil weder die SPD (deren Klientel eher mit Rententhemen zufriedenzustellen ist) noch die FDP (denen wohl jeder Versuch, Schwachen mit Staatsmitteln zu helfen, erstmal suspekt erscheint) wirklich Druck auf ihren damaligen Koalitionspartner ausgeübt haben.

Die Grünen haben sich nun endlich getraut - und drohen trotzdem zu scheitern. Was erneut auch an handwerklichen Fehlern liegt, die schlicht unerklärlich sind. Wie kann die zuständige Familienministerin Lisa Paus nur auf die Idee kommen, eine neue Behörde mit bis zu 5000 Mitarbeitenden anzuteasern? Das grenzt an politischen Selbstmord, die Reaktionen vielen entsprechend harsch aus.

Hauen und Stechen - und der Kanzler schweigt

Damit nicht genug: Reflexartig beißen die Liberalen sich an ihrer Kabinettskollegin fest, das Hauen und Stechen läuft wie gewohnt. Ebenfalls eingeübte Praxis ist das viel zu lange Schweigen des Mannes mit der Richtlinienkompetenz. Kanzler Olaf Scholz (SPD) lässt mal wieder streiten. Als ob ihn das alles nichts anginge.

Man muss, auch das dürfte rückblickend in die Ampel-Bilanz mit einfließen, sich schon wundern, wie viele Freiheiten die Partner dieser Drei-Parteien-Regierung sich herausnehmen können. Und wie wenig von der Anfangseuphorie noch übrig geblieben ist.

Zurück zu den Kindern: Diese hätten umfangreicheren Schutz verdient, der auch (dafür steht der Paus‘sche Entwurf) auf einer besseren, weniger bürokratische Hürden umfassenden finanziellen Absicherung basiert.

Doch selbst, wenn das Gesetz trotz der verkorksten Vorgeschichte den Bundestag passieren sollte, bleibt ein Frage ungelöst: Wann endlich wird die frühkindliche Förderung in Kitas so aufgerüstet, dass alle Kinder mit denselben Startchancen in die Schule gehen? Die Nachfolgeregierung der Ampel muss dieses Problem endlich ernsthaft anpacken.

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