Kremlchef ließ sich bei Scheinvotum bestätigen

Warum Putins Tage trotz des Wahlsieges bald gezählt sein könnten

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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18.3.2024, 07:55 Uhr
Hat sich die fünfte Amtszeit gesichert: Wladimir Putin.

© Alexander Zemlianichenko, dpa Hat sich die fünfte Amtszeit gesichert: Wladimir Putin.

Der Meister der Desinformation hat ein weiteres Kapitel für das Lehrbuch der Autokratie verfasst. "Wie lasse ich mich möglichst eindrucksvoll durch eine Wahl bestätigen", lautet die Überschrift des aktuellen Kapitels. 87 Prozent - das ist noch etwas mehr als das, was im Kreml erwartet wurde.

Demonstrationen gegen Putins Politik sind nur im Ausland ungefährlich. In Russland greift die Polizei scharf durch, Putin-Kritiker wandern reiheinweise ins Gefängnis.

Demonstrationen gegen Putins Politik sind nur im Ausland ungefährlich. In Russland greift die Polizei scharf durch, Putin-Kritiker wandern reiheinweise ins Gefängnis. © Thomas Banneyer, dpa

In einem beispiellosen "Wahlkampf" wurden erst alle ernsthaften Oppositionskandidaten (sofern sie noch nicht im Exil leben müssen beziehungsweise überhaupt den Mut aufgebracht hatten, zu kandidieren) ausgesiebt. Bei Putins wohl härtestem Widersacher, Alexei Nawalny, ging der Kreml auf Nummer sicher - politische motivierte Todesfälle sind in Russland Teil des Systems geworden. Am Ende dieser sehr speziellen Wahlkampfvorbereitung wurden noch drei Marionetten als Alibi-Mitbewerber auf die Stimmzettel geschrieben.

So viel Schein muss offenbar auch in Moskau gewahrt bleiben. Das ist das eigentlich spannende Element dieses Votums: Auch ein Autokrat will gewählt werden. Ob Putin selbst an die Show glaubt, die er inszenieren ließ? Das wird wohl nie zu erfahren sein.

Heißt es nun "Putin forever"? Nicht unbedingt. Zwar geht der Mann scheinbar gestärkt in die nächste Amtsperiode, doch Russlands (nicht zuletzt von Putin gern zitierte) Geschichte verrät zweierlei: Erstens hat das Land mit Machtwechseln Erfahrung, die Mär, das Land würde ohne Putin zusammenbrechen, verfängt trotz all der Fake-News-Kampagnen nicht.

Zweitens hängt Putins Halbwertzeit stark vom verharmlosend als "militärische Spezialoperation" bezeichneten Krieg gegen die Ukraine ab. Sollte Kiew siegen, wäre Putin weg. Nur erfolgreiche Feldherren konnten sich in Russland behaupten. Zu rechnen, das muss klar gesagt werden, ist mit einer militärischen Niederlage nicht. Derzeit sind die Russen auf dem Vormarsch.

Doch es gibt noch einen dritten Grund, der Hoffnung macht: Überschreitet der Unmut über das Treiben einen Herrschers eine bestimmte Schwelle, kann es schnell gehen. Im Moment ist es nicht soweit, doch die vielen Protestformen der vergangenen Monate dürften die Auguren im Kreml zunehmend beunruhigen. Autoritäre Systeme können von innen ausgehöhlt werden.

In Russland war während der Wahltage zu beobachten, wie das zarte Pflänzchen namens Widerstand Wurzeln schlägt. Die am Sonntag Mittag vor einigen Wahllokalen Schlage stehenden Russinnen und Russen sind Ausdruck eines noch stillen Protests.

Noch hat Moskau die Lage unter Kontrolle. Putin feiert, Putin setzt sein Volk weiter unter Druck und Putin bastelt weiterhin an der Legende von der russischen Einheit. Und doch steht eines fest: Putin ist am Gipfel seiner Macht angelangt. Und nach dem Gipfel gibt es nur mehr eine Richtung - nach unten.

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