Gefahren im Internet

Professioneller Hacker: Jugendliche oft viel zu unbedarft

10.11.2021, 09:24 Uhr
Chatten, spielen, Filme teilen: Der Umgang mit dem Smartphone ist für junge Menschen eine Selbstverständlichkeit. Nicht immer sind ihnen allerdings die Risiken bewusst.

© Armin Weigel, dpa Chatten, spielen, Filme teilen: Der Umgang mit dem Smartphone ist für junge Menschen eine Selbstverständlichkeit. Nicht immer sind ihnen allerdings die Risiken bewusst.

Herr Markowsky, Sie beschäftigen sich schon lange und intensiv mit der Medienkompetenz junger Menschen. Wie sieht es bei den Digital Natives mit dem Wissen um die IT-Sicherheit aus?

Erwin Markowsky ist professioneller Hacker der IT-Sicherheitsfirma 8com.

Erwin Markowsky ist professioneller Hacker der IT-Sicherheitsfirma 8com. © 8com GmbH & Co. KG, NNZ

Erwin Markowsky: Jugendliche sind durchaus auf Sicherheit bedacht. Es ist nicht so, dass sie ihnen vollkommen egal ist. Aber es fehlt einfach das Hintergrundwissen. Es gibt viel zu wenig Plattformen und Möglichkeiten, sich zu informieren. Da ist so eine Kampagne wie jetzt sehr wichtig, auch für mich persönlich, weil man da sehr viele Leute erreicht.

Das Problembewusstsein ist also vorhanden?

Markowsky: Ja, aber das hängt natürlich auch vom Alter ab. Ein Zweitklässler zum Beispiel ist bei WhatsApp sehr naiv. Da muss man die Eltern schon fragen, warum ihr Kind in diesem Alter WhatsApp haben muss. Man muss die Eltern mit ins Boot holen. Denn WhatsApp ist alles andere als ungefährlich, genauso wie die Spiele Minecraft oder Fortnite. Eltern sollten wissen, dass ihr 9-jähriger Sohn von fremden Menschen angesprochen werden kann.

Eltern müssen also auch eine Menge lernen.

Markowsky: Genau. Deshalb haben wir am 19. November auch einen Vortrag für Eltern im Programm. Da wird die Welt der Eltern und die der Jugendlichen beleuchtet. Das finde ich sehr, sehr wichtig. Die Welt der Erwachsenen ist recht eingeschränkt, da gibt es WhatsApp, Facebook, vielleicht noch Instagram. Das war es dann aber auch schon. Aber die Jugendlichen sind auch bei TikTok oder Twitch. Mir geht es um die Gefahren. Als Eltern muss man die kennen. Man darf die Kinder nicht allein lassen, wenn es um soziale Medien geht. Ich empfehle Eltern, zum Beispiel auch mal Fortnite zu spielen und zu spüren, was die Faszination daran ist. Ich würde es schon deshalb machen, weil mich interessiert, was meine Kinder so machen.

Das Handy oder Tablet wegzunehmen, ist auch nicht der richtige Weg, oder?

Markowsky: Wenn ich gar nichts anderes mehr machen kann, nehme ich es ihm weg. Das tut weh. Pädagogisch sinnvoll ist das nicht. Für mich ist Aufklärung wichtig. Bei mir sträubt sich allerdings alles, wenn ein Kind in der ersten Klasse WhatsApp hat. Die lernen doch gerade mal Lesen. Sie bekommen Kettenbriefe, die sie gar nicht verstehen. Facebook wird oft verteufelt. Aber sexualisierte und pornographische Inhalte zum Beispiel kann man auf Facebook nicht teilen, auf WhatsApp schon. Da ist kein Filter drin. Für mich ist Aufklärung immer wichtiger als ein Verbot.

Ab welchem Alter sollte man Kindern die Nutzung von sozialen Medien erlauben?

Markowsky: WhatsApp ist offiziell ab 16 Jahren erlaubt, Twitch ab 18, mit Erlaubnis der Eltern ab 13. Also müssten die Eltern dabei sein, wenn Kinder das soziale Netzwerk nutzen. Es ist aber natürlich kein Elternteil dabei. Ist ein Kind in der zweiten Klasse komplett aufgeklärt? Weiß es, dass es Pornos gibt? Kann mein Kind mit 9 Jahren damit umgehen, dass es bei TikTok heißt, ich esse Spülmaschinentabs und mach' eine Challenge draus und gucke, was mit meinem Körper passiert? Ich arbeite mit dem LKA zusammen. Deshalb bekomme ich viele Fälle mit, etwa dass neunjährige Jungs in Fortnite aufgefordert werden, sich auszuziehen und sich zu fotografieren. Sie machen das einmal, weil sie denken, dass der Typ 14 Jahre alt ist. Dann merken sie, dass das doch ein Fehler war und wollen zurückrudern und werden dann mit dem Foto erpresst. Sich an die Eltern zu wenden, ist schwer, denn man muss ja zugeben, dass man einen Fehler gemacht hat. Deswegen sage ich immer, dass ein Vertrauensverhältnis zu den Eltern bestehen muss. Die Kinder müssen hingehen und sagen können: Mama, Papa, mir ist da was passiert.

Was raten Sie Eltern und Jugendlichen?

Markowsky: Das Gehirn ist das beste Anti-Virenprogramm – und auch das Bauchgefühl. Wenn man ein komisches Gefühl hat, wenn man in einer Nachricht zu etwas gedrängt wird. Wenn man bei einem Chatverlauf denkt oder das Gefühl hat, da stimmt doch was nicht: Darauf sollte man sich verlassen. Ein weiteres Problem sind die Passwörter. Damit wird oft auch viel zu leichtfertig umgegangen, von Eltern und Jugendlichen.

Wie offen sind Jugendliche für Ratschläge?

Markowsky: Viele Jugendliche sträuben sich gegen Ratschläge der Eltern. Ich habe den Vorteil, dass ich als Hacker auf der Bühne stehe und demonstriere, was passieren kann. Dann sehen sie, dass Mama oder Papa gar nicht Unrecht hatten. Es wird ein Prozess in Gang gesetzt, sie denken darüber nach und genau das will ich erreichen.

Sie hielten, bis Corona kam, Vorträge vor Hunderten von jungen Leuten. Oft wird es da auch sehr emotional.

Markowsky: Ich habe vor ein paar Jahren in einer Veranstaltung von Amanda Todd erzählt, die zum Opfer von Cybermobbing wurde und sich mit 15 Jahren umgebracht hat. Da gab es Tränen. Ich habe den Jugendlichen gesagt, dass ihnen klar sein muss, was Mobbing im Internet anrichten kann. Dass sie das nie wieder gut machen können. Die Tragweite muss man den Jugendlichen bewusst machen.

Der Medienkompetenz-Workshop SurfSafe, den die Stadt Nürnberg gemeinsam mit der Sparda-Bank ab dem 15. November veranstaltet, richtet sich an für Schülerinnen und Schüler ab der fünften Jahrgangsstufe. Ein Informationsabend am Freitag, 19. November, 19 bis 20.15 Uhr, richtet sich an die Eltern. Den Zugang zu der virtuellen Veranstaltung erhalten Interessierte unter spardasurfsafe.de/live. Die Teilnahme ist kostenfrei und erfolgt ohne Registrierungs- oder Anmeldeverfahren.

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