Junges Gaunerpaar rauchte 20 Joints am Tag

"Bonnie und Clyde" in Gunzenhausen

20.6.2021, 13:32 Uhr
 In der Stephani-Mittelschule in Gunzenhausen schlugen "Bonnie und Clyde aus Altmühlfranken" massiv zu.

© Foto: Reinhard Krüger  In der Stephani-Mittelschule in Gunzenhausen schlugen "Bonnie und Clyde aus Altmühlfranken" massiv zu.

Selbst Mark-Alexander Grimme, der Verteidiger von Klaus, staunte über die Vielzahl der Taten der beiden, gebrauchte allerdings drastische Worte: Er sprach von Dummheit und Quatsch und einem eher traurigen Abklatsch ihrer amerikanischer "Vorbilder". Aber um was ging es denn, was hat damals, Anfang vergangenen Jahres, der 17-jährigen Monika und dem 19-jährigen Klaus dermaßen die Sinne vernebelt, dass sie so auf die schiefe Bahn gerieten?

Wir hingen rum, rauchten einen Joint und brauchten Geld, erzählte freimütig Monika. Das war am Gelände der Grundschule Süd. Gesagt, getan: Klaus wohnte nicht weit entfernt, besorgte sich einen Schraubenzieher, und mit diesem hebelten sie eine Außentür der Schule auf. Sie wollten Geld klauen, fanden keines, dafür fielen ihnen vier Laptops und ein Decken-Beamer in die Hände.

Schulen im Visier

Das ging gut, und die beiden fanden offensichtlich an Schulen Gefallen. Nächster Tatort: Stephani-Mittelschule. Hier stahlen sie die Geldbörse einer Reinigungskraft mit 60 Euro Bargeld, Führerschein und EC-Karte samt Pin. Damit hoben sie zweimal 250 Euro und einmal 500 Euro an einem Geldautomaten ab. Dass sie dabei von einer Kamera aufgenommen worden sind, war ihnen egal: "Wir sahen nur das viele Geld und dass es klappt", so Monika.

Dann ging es Schlag auf Schlag weiter, oder wie es Amtstrichter Christian Eichhorn auf gut bayerisch auf den Punkt brachte: "Zwischen Januar und April 2020 haben Sie es so richtig krachen lassen."

Beispielsweise in der Umkleide der Turnhalle des Simon-Marius-Gymnasiums: Dort wurden mehrere Geldbeutel mit vielen Karten und Bargeld entwendet, im Wertstoffhof fielen zwei Handys in ihre Hände, und nur die Türen der Berufs- und Wirtschaftsschule hielten stand, 1700 Euro Schaden richteten sie trotzdem an, so der Staatsanwalt.

Online bestellt, nie bezahlt

Damit nicht genug. Jetzt kam eine neue Qualität ihres kriminellen Treibens ins Spiel: Klaus bestellte bei Firmen in deren Online-Shops beispielsweise eine Jogginghose (zum Preis von 40 Euro), Eau de Toilette-Artikel (172 Euro), ohne sie zu bezahlen. Die Betrugsmasche war simpel: falsche Lieferadresse plus IBAN einer fremden Person. "Hab ich im Internet entdeckt", meinte der junge Mann dazu trocken.

Monika machte es ihm einfach nach, bestellte hochwertige Parfums für knapp 200 Euro. Sie hofften darauf, dass bei den überschaubaren Beträgen der Schwindel nicht auffliegen würde. Irrtum! Jedes Lastschriftverfahren kann rückgängig gemacht werden, die Waren wurden allerdings trotzdem ausgeliefert.

Ausgiebige Spritztour im Stadtgebiet

Zu guter Letzt klauten sie noch in der Stephani-Schule Autoschlüssel, suchten in der Nähe mittels Funk das passende Auto und unternahmen eine ausgiebige Spritztour im Stadtgebiet. Irgendwann stellten sie den Wagen in der Nähe des Waldbades ab und schmissen den Schlüssel weg.

Da beide ihre Taten vollständig gestanden, entfiel eine langwierige Beweisaufnahme. Eine Vielzahl bereits einbestellter Zeugen konnten rechtzeitig informiert werden, dass sie nicht vor Gericht erscheinen müssen.

Es ist nicht die einzelne Tat, sondern die Summe, konstatiert Richter Eichhorn. Und Staatsanwalt Kellendorfer sprach vom Beginn einer Karriere als Berufsverbrecher. Das hinterließ durchaus Eindruck. Monika sprach es wörtlich aus: "Es tut mir alles furchtbar leid, und ich schäme mich."

Beide haben keinen Schulabschluss, beide stammten "aus schwierigen familiären Verhältnissen". Sozialpädagogin Nadja Zeh von der Jugendgerichtshilfe Weißenburg schilderte Klaus als einen jungen Mann, der "einfach so in den Tag hineinlebt". Er geht sehr spät ins Bett, schläft bis Mittag, zockt am Nachmittag und abends "hängt er mit Kumpels rum". Eine unheilvolle Kombination. Dazu fehle jeglicher Antrieb, die Gesamtsituation zu verbessern.

Mehr als 20 Joints pro Tag

Auffällig geworden ist er schon in früheren Jahren. Wegen mehrfachen Schulschwänzens wurde er zu 24 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, zog es aber vor, lieber die Strafe zu zahlen, als zu arbeiten. Schließlich übernahm die Oma diesen Part, bezahlte für den Enkel. Und als "Höhepunkt" die zunehmende Abhängigkeit von Marihuana. Mehr als 20 Joints rauchten Klaus und Monika, die seit zwei Jahren ein Paar sind, an einem Tag. Das kostet.

Von dem am Automaten erbeuteten Geld investierten sie den größten Teil in "Gras", der Rest wurde mehr oder minder schnell ausgegeben. Von einer "unsicheren Sozialprognose" bei Klaus sprach deshalb Nadja Zeh. Er spürte keine Konsequenzen im Elternhaus und wurde dort "nie wirklich für irgendwas bestraft". Dadurch sei er erzieherisch kaum erreichbar gewesen.

Bei Freundin Monika war es ähnlich. Schon mit 12 machte sie erste Erfahrungen mit Alkohol und konsumierte früh Drogen, berichtete Sozialpädagogin Sonja Ikonomou. Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie folgten, straffällig geworden ist sie allerdings nicht. Auffällig sei ihr geschwächtes Immunsystem und dass sie körperlich kaum belastbar sei. Eine Erwerbsunfähigkeit werde derzeit geprüft, sie lebe zusammen mit ihrem Bruder bei ihrem Vater. Positiv wurde bewertet, dass offensichtlich beide junge Leute seit September drogenfrei sind.

"Schädliche Neigungen"

Wie also sind die beiden "Schmalspur-Versionen von Bonnie und Clyde" aus Altmühlfranken zu bestrafen? Für Staatsanwalt Markus Kellendorfer stand nach den Gutachten der Jugendgerichtshilfe fest, dass nur Jugendstrafrecht in Frage komme. "Ein Riesenglück für Sie beide", rief er den Angeklagten zu. Positiv bewertete er, dass sie sämtliche Taten eingeräumt hatten, doch "die Masse der Delikte in relativ kurzer Zeit" bereitete ihm Sorgen.

Er sprach von "schädlichen Neigungen" und plädierte in Klaus’ Fall für eine zweijährige Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. "Sie können es noch einmal hinbekommen", meinte er an die Angeklagten gerichtet. Gleichwohl müsse ein "Warnschuss von einem Jugendarrest von zwei Wochen" als Strafe sein. Bei Monika genügten eineinhalb Jahre auf Bewährung, Arrest inklusive.

Vom Gericht Milde erhofft

Für Rechtsanwalt Mark-Alexander Grimme ging dieses Strafmaß für seinen Mandanten Klaus "in die falsche Richtung". Er habe sich von seinen Taten distanziert und "eine Gefahr, weitere Strafen zu begehen, liegen nicht vor".

Verteidiger Michael Reichelt aus Gunzenhausen stellte fest, dass das "bewegte Leben mit der Dummheit von Jugendlichen" hinter seiner Mandantin Monika liege. Auch er sprach sich für eine deutlich mildere Strafe aus, weil die Strafforderung der Staatsanwaltschaft "nicht hilfreich" sei.

Im Gegensatz zu ihrem Freund Klaus nutzte Monika die Gelegenheit des "letzten Wortes": "Ich werde nicht mehr straffällig, das verspreche ich, und ich werde die Strafe ernst nehmen." Die sprach Richter Eichhorn nach einer 45-minütigen Beratung mit den beiden Schöffen aus: Für beide werde es eine eineinhalbjährige Haftstrafe geben, wenn sie sich nicht an die zweijährige Bewährungsfrist halten. Hinzu kommen 120 Arbeitsstunden und die Verpflichtung, ein Jahr drogenfrei zu leben, sowie ein engmaschiges Netz von Beratung und Hilfe.

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