Warum die Neumarkter Münsterkrippe einzigartig ist

11.12.2020, 05:53 Uhr
Warum die Neumarkter Münsterkrippe einzigartig ist

© Foto: Hauke Höpcke

Vor einigen Tagen ist das Heilige Paar nach Jerusalem aufgebrochen. Die Figuren sind einige hundert Jahre alt sind. "Die Krippe geht auf die Gegenreformation im 17. Jahrhundert zurück, als Jesuiten nach dem Dreißigjährigen Krieg die Bevölkerung für den katholischen Glauben gewinnen wollten", erzählt Krippenpfleger Josef Wittmann.

In immer wieder neuen Szenen wurde den Laien, von denen viele nicht lesen konnten, die alte neue Lehre nahe gebracht. Typisch für die Barock-Zeit: Das "Jesuiten-Maß" der Figuren. Mit etwa einem Meter erscheinen sie uns heute ungewöhnlich groß. Kennen wir doch Krippen meist nur als possierliche, idyllische Figürlein, die man zu Weihnachten aus der Kommode holt.

Dass die Barock-Krippe im Münster ganz anders ist, gefällt Wittmann. Der 63-Jährige steckt seit 14 Jahren viel Herzblut in die Figuren. Möglichst vielfältig soll die Darstellung sein. Neben den bekannten biblischen Geschichten wie Weihnachten, Ostern oder der Hochzeit zu Kanaan sollen auch nicht so bekannte Begebenheiten auf die kleine Bühne, wie etwa Josefs Traum. "Ich versuche auf meine Weise das Evangelium darzustellen - so wie es die Jesuiten zu ihrer Zeit getan haben."

Früher gab es einene ganzen Krippenberg in St. Johannes

Warum die Neumarkter Münsterkrippe einzigartig ist

© Foto: Josef Wittmann

Der Jesuitenorden in Bayern wurde 1773 aufgelöst. Die Krippen-Tradition der machtbewussten Soldaten Jesu hat sich in Neumarkt bis zum Zweiten Weltkrieg erhalten. Sie war aufgebaut in der Emmauskapelle bei dem Isenheimer Altar. "Leider wurden keine Fotos gemacht."

Doch alte Neumarkter, die diese Krippe als Kind noch gesehen haben, berichten von einem ganzen "Krippenberg" mit vielen Szenen. Im Vordergrund standen die großen Figuren im "Jesuiten-Maß". Im Hintergrund gruppierten sich kleine Exemplare, die nur 20 Zentimeter hoch waren und für räumliche Tiefe sorgten.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs ist die barocke Krippe verbrannt

Am Ende des Zweiten Weltkrieges ist die Krippe wohl verbrannt. Die Erinnerung verschwand. Erst 2006 wurden in der oberen Sakristei der Johannes-Kirche mehr zufällig in einer Kommode Reste der Jesuiten-Krippe gefunden: 21 Köpfe für Figuren in der Größe von 80 bis 100 Zentimetern und einige für 30 Zentimeter-Figuren. Außerdem einige Gliedmaßen, aber keine Hände und Füße.

Wittmann war damals noch recht jung in der Gemeinde. 2006 war er mit seiner Familie aus Regensburg nach Neumarkt gezogen. Pfarrer Norbert Winner wusste, dass er dort im Krippenverein aktiv war und sprach ihn an. Zunächst schaute Wittmann sich den Schubladen-Fund mehr aus Pflichtbewusstsein an denn aus echtem Interesse. "Ich dachte, es sind nur so kleine Köpfe." Doch als er die geschnitzten Teile sah, entflammte er für sie.

Er holte sich Rat bei dem erfahrenen Straubinger Krippenpfleger Franz Karl. Dieser war sich bald sicher: Es handelt sich um Reste der Jesuiten-Krippe. Wichtiges Indiz: Fast alle Köpfe wiesen Nagellöcher für Perücken auf. Denn im 17. Jahrhundert hatten die Figuren keine geschnitzten Frisuren, sondern echte Haare.

Warum die Neumarkter Münsterkrippe einzigartig ist

© Foto: Josef Wittmann

Allerdings waren alle Köpfe stark angegriffen. Nur ein kleiner Hirte mit Wuschelkopf war gut erhalten. Er ist als einziger nicht restauriert. Mit einem leicht grünen Gesicht steht er zwischen den rosigen Barockbäckchen. "Es geht ihm nicht so gut", scherzt Wittmann.

Pfarrer und Kirchenverwaltung beschlossen, aus den gefundenen Köpfen wieder eine Krippe entstehen zu lassen. Zunächst nur zur Weihnachtszeit, seit 2014 als Ganzjahreskrippe. Die Köpfe restaurierte die Nürnbergerin Christine Jenner. Der Holzbildhauer Christoph Tufek aus Wendelstein sorgte für passende Körper. Blieben noch die Gewänder. Regine Schneider, damals Gemeindereferentin in St. Johannes, hat die erste Figur, die Maria, eingekleidet. Mirjam Mößel hat dann die Könige, Josef und Johannes den Täufer und vor allem die Engel angezogen. Mittlerweile hat Gisela Herbert die Schneiderei mit ihren Helfern übernommen.

Stoffe und Schnitte der Gewänder sind dem Original nachempfunden

Alle Beteiligten gehen behutsam vor. Dies gilt für die Stoffe und Schnitte der Gewänder, aber auch für die neuen Figuren, wie der Elisabeth. Sie ist den originalen Vorbildern stimmig nachempfunden. Unter den Original-Köpfen gab es keine alte Frau. Doch wer soll die Mutter von Johannes dem Täufer darstellen?

Weitere Neuzugänge sind allerdings nicht zu erwarten. Nur ein Nachzügler ist noch beim Restaurator. In einem zwei Meter tiefen Spalt in der Nähe der Sakristei lag der Kopf einer Krippenfigur. Mit einem Apfelpflücker wurde der Kopf geborgen. "Wahrscheinlich ist es der letzte dieser Größe", vermutet der Krippenpfleger. Der Neuzugang wird die Rolle des Zacharias übernehmen.

Oder vielmehr: Es wird eine seiner Rollen sein. Die Köpfe haben kleine Gelenke, lassen sich leicht austauschen. In der Szene aus dem Matthäus-Evangelium etwa, wo die Frau des Zebedäus mit ihren Söhnen Jakobus und Johannes zu Jesus kommt, haben viele Figuren auch andere Rollen ausgefüllt. Jakobus ist auch der Wirt bei der Hochzeit zu Kanaan, ein namenloser Zuschauer im Hintergrund ist an Weihnachten der König Melchior und die Frau des Zebedäus ist auch die Elisabeth.

Weihnachten ist Jesus der Josef

Die geschnitzten Köpfe haben alle eigene individuelle Züge. Doch ein Gesicht hat es Wittmann besonders angetan. Nein, eigentlich sind es zwei. Denn der erwachsene Jesus und Johannes der Täufer gleichen einander wie ein Ei dem anderen. "Da hat der Schnitzer eine Serie gearbeitet." Es sind weder die schönsten Gesichter, noch sind es die ältesten.

Doch Wittmann hat zu diesem Kopf aus einem ganz anderen Grund eine besondere Beziehung: wegen seines Vornamens. In der Weihnachtszeit ist ein erwachsener Jesus ja nicht notwendig. Deshalb übernimmt sein Kopf auch noch die Rolle des Josef.

Doch weshalb verbringt er überhaupt so viel Zeit mit den alten Puppen, arrangiert sie Monat für Monat neu auf der kleinen Bühne neben der Sakristei? "Da ist zunächst einmal das Haptische" sagt Wittmann. Es bereitet ihm Freude, die Figuren auszustatten, Requisiten zu suchen wie kleine Zinnbecher oder einen Schlüssel für den Petrus - "die CAH ist eine gute Quelle". Doch es ist mehr.

"Ich tue etwas Sinnhaftes", sagt Wittmann. "Die Menschen sehen anschaulich, was sie in der Lesung schon einmal gehört haben." Er sieht sich dabei durchaus in der Tradition der Jesuiten. "Eine Krippe im Museum ist nur schön anzusehen." Doch die Münsterkrippe hat auch etwas für die Gegenwart zu sagen. Selbst wenn die Figuren so gekleidet sind wie vor 350 Jahren.

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