Heimatpfleger hat sie gefunden

Wertvolle Geschenke an die Stadt Pegnitz am Dachboden des Alten Schloßes verschwunden

Richard Reinl

30.3.2024, 04:55 Uhr
Diese historische Dokumentation der Arbeitsbedingungen in der früheren Amag-Gießerei, gefertigt von der berühmten Industriemalerin Pia Picco-Rückert, bekam Pegnitz 2005 zum Stadtjubiläum von der KSB-Gießerei geschenkt.

© Helmut Strobel Diese historische Dokumentation der Arbeitsbedingungen in der früheren Amag-Gießerei, gefertigt von der berühmten Industriemalerin Pia Picco-Rückert, bekam Pegnitz 2005 zum Stadtjubiläum von der KSB-Gießerei geschenkt.

Bürger, die Stadtratssitzungen besuchten oder etwa im Einwohnermeldeamt vorsprachen, erinnern sich an manche geschichtlich bedeutsame Ausstellungsstücke, die den Bau einst ausschmückten. So fand sich gleich im Eingangsfoyer eine Ahnengalerie aller bisherigen Bürgermeister und gleich nebenan eine Glasvitrine mit liebevoll gestalteten Puppen in den verschiedenen Trachten des Sudetenlands.

Im ersten Stock hingen Ölgemälde des früheren Bürgermeisters Hans Gentner und des Pegnitzer Ehrenbürgers Heinrich Bauer sowie ein eindrucksvolles Zeitdokument aus der Arbeitswelt der frühen Amag-Gießerei, gefertigt von einer bekannten Industriemalerin.

Unter Uwe Raab ausgelagert

All diese Gegenstände wurden bei der jüngsten Generalsanierung des Alten Rathauses unter Regie des früheren Bürgermeisters Uwe Raab (SPD) ausgelagert und wurden seither nicht mehr gesehen. Die meisten Bürger wundern sich über die kahlen Wände im Gebäude, das mit Millionenaufwand auf modern getrimmt worden ist. Einen aber trieb die Frage um, wo denn diese wertvollen Zeugnisse der Zeitgeschichte abgeblieben sind. Den Stadtheimatpfleger Helmut Strobel.

Auf Einladung von Dr. Ernst Steinmüller und Werner Schaller berichtete der Heimatforscher jetzt am Pegnitzer Seniorenstammtisch über seine akribische Schatzsuche. Wo immer er gefragt habe, keiner habe etwas über den Verbleib gewusst oder wissen wollen, selbst Stadtbedienstete nicht, die mit dem Abtransport zu tun gehabt haben müssen. Strobel: „Je mehr Leute ich gefragt habe, desto mehr Feinde habe ich mir gemacht.“ Aber seine Hartnäckigkeit über Jahre hinweg zahlte sich aus: Er fand die Utensilien wenig fachmännisch übereinandergestapelt auf der Galerie in der Fahrzeughalle des Feuerwehrgerätehauses.

"Keine Antwort aus dem Rathaus"

Der jetzige Gerätewart Stefan Fleischer war davon genauso überrascht, war ihm aber zusammen mit Robert Friedl von der Juragruppe behilflich, die Altertümer zu sichten und zu dokumentieren. Weil die Feuerwehr selbst jeden Quadratmeter Platz braucht, ist der Fund inzwischen in das Alte Schloß ausgelagert, allerdings auch dort mehr notdürftig im Dachgeschoss deponiert und der Bevölkerung weiterhin nicht zugänglich. Offizielle Anfragen beim Bürgermeister Wolfgang Nierhoff (Pegnitzer Gemeinschaft, PEG) und auch bei Stadträten der PEG-Fraktion, wann denn die Gemälde wieder ins Alte Rathaus kämen oder wo sie sonst ausgestellt würden, seien bis dato unbeantwortet geblieben.

Dieses Porträt des früheren Bürgermeisters Hans Gentner, der im Krieg von den Nationalsozialisten in Konzentrationslager verschleppt wurde, haben die einstigen Löwen-Apotheker der Stadt 1955 geschenkt.

Dieses Porträt des früheren Bürgermeisters Hans Gentner, der im Krieg von den Nationalsozialisten in Konzentrationslager verschleppt wurde, haben die einstigen Löwen-Apotheker der Stadt 1955 geschenkt. © Helmut Strobel

In einer Dia-Show ließ Strobel jetzt die einzigartigen Altertümer Revue passieren. So hing im Sitzungssaal ein Gemälde des einstigen Bürgermeisters Hans Gentner (SPD), der vor und nach dem Krieg regiert hat, währenddessen er von den Nationalsozialisten mehrfach in Konzentrationslager deportiert wurde, gestiftet von den Apothekern Wurmsee und Harteis von der Löwen-Apotheke zum Stadtjubiläum im Jahr 1955.

Die Franken-Apotheke stiftete dieses Porträt des Ehrenbürgers Heinrich Bauer 1955 der Stadt zur Ausschmückung des Alten Rathauses.

Die Franken-Apotheke stiftete dieses Porträt des Ehrenbürgers Heinrich Bauer 1955 der Stadt zur Ausschmückung des Alten Rathauses. © Helmut Strobel

Gesellschaft leistete ihm ein Bildnis des Gerichts- und Senatspräsidenten Heinrich Bauer, der auch die umfangreiche Pegnitzer Chronik verfasst hat und der wegen seiner großen Verdienste zum Ehrenbürger ernannt worden ist, ebenfalls gespendet zur Ausschmückung des Rathauses von der Franken-Apotheke Haberland.

Noch wertvoller, weil von der europaweit bekannten Industriemalerin Pia Picco-Rückert gefertigt, ist ein Bildnis aus den Anfängen der Gießerei in der Amag-Hilpert-Pegnitzhütte, der Urzelle der heutigen wirtschaftlichen Bedeutung von Pegnitz, im Jahr 2005 zur 650-Jahr-Feier der Stadt gestiftet von der KSB AG. Die akademisch ausgebildete Malerin aus Nürnberg lebte von 1900 bis 1966 und war spezialisiert auf Stillleben der damals überaus beschwerlichen Arbeit in der Stahlindustrie.

Bild in der Staatsgemäldesammlung

Sie zählte auf dem Höhepunkt ihres Schaffens in den Kriegsjahren zu den erfolgreichsten Künstlerinnen mit einem Jahreseinkommen von umgerechnet gut 300.000 Euro. Käufer ihrer Werke waren unter anderem die Stadt Nürnberg, Albert Speer, Joseph Goebbels, Hermann Göring und Benito Mussolini. Heute sind ihre Gemälde in bedeutenden Sammlungen, im Bergbau-Museum in Bochum, in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung und auf dem Dachboden des Alten Schloßes in Pegnitz zu finden. „Ein Skandal“, so das Urteil früherer führender KSB-Mitarbeiter beim Senioren-Stammtisch.

Nach dem Krieg haben Sudetendeutsche wesentlich zum Aufschwung der Stadt Pegnitz beigetragen. Puppen in den Trachten der verschiedenen Landstriche sollten im Rathaus daran erinnern. Heute sind sie in einer Schachtel verschwunden.

Nach dem Krieg haben Sudetendeutsche wesentlich zum Aufschwung der Stadt Pegnitz beigetragen. Puppen in den Trachten der verschiedenen Landstriche sollten im Rathaus daran erinnern. Heute sind sie in einer Schachtel verschwunden. © Helmut Strobel

Diese Altertümer haben durch die etwas sorglose Behandlung ebenso schon Schaden genommen wie die liebevoll ausstaffierten Puppen aus dem Sudetenland, die kurzerhand in eine Schachtel gestopft worden sind. Helmut Strobel: „Als ich der SL-Vorsitzenden Margaretha Michel davon erzählt habe, sind ihr die Tränen gekommen.“

Dieser Stich aus dem Jahr 1830 zeigt Pegnitz vom Wasserberg aus. Auch diese historische Ansicht ist auf dem Dachboden verschwunden.

Dieser Stich aus dem Jahr 1830 zeigt Pegnitz vom Wasserberg aus. Auch diese historische Ansicht ist auf dem Dachboden verschwunden. © Helmut Strobel

Die achtlos deponierte Sammlung beinhaltet noch mehr einzigartige Objekte, so ein großformatiges Luftbild der gesamten Stadt aus 2000 Metern Höhe, von einem Spezialteam des Flughafens München-Riem im Jahr 1964 „geschossen“, ferner einen alten Stich aus der Zeit vor 1900 mit einer Stadtansicht vom Wasserberg aus oder Wappen der früheren Gemeinden um Pegnitz aus der Hand des Kunstmalers Josef Pitrof. Komplett verschwunden sind dagegen die Fotos aus der Bürgermeister-Ahnengalerie.

Der Leitspruch der Pegnitzer aus der Zeit der Gebietsreform ist ebenfalls von der Außenmauer des Alten Rathauses verschwunden.

Der Leitspruch der Pegnitzer aus der Zeit der Gebietsreform ist ebenfalls von der Außenmauer des Alten Rathauses verschwunden. © Helmut Strobel

Am meisten aber empörte die Senioren, dass auch der Leitspruch der Pegnitzer, gegossen in eine zentnerschwere Bronzetafel, von der Außenwand des Rathauses abgenommen und nicht wieder angebracht worden ist: „Mia dau in Pengatzgrund, mia ham vll Plauch, dees kha uns need vll aa, mia laua need nauchh.“ Wer den Stadtheimatpfleger Strobel kennt, der weiß, dass er sich dies zum Wahlspruch nimmt, bis die historischen Wertgegenstände wieder einen adäquaten Platz bekommen haben.

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