Glosse

Snooker in Roth: Eine persönliche Würdigung von Rolf Kalb - „der Marcel Reif des Snooker-Sports“

Robert Gerner

Schwabacher Tagblatt/Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung/Hilpoltsteiner Zeitung

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12.5.2024, 13:00 Uhr
Rolf Kalb, die deutsche Stimme des Snooker-Sports, ist verstummt. Unser Redakteur Robert Gerner verneigt sich.

© Guido Hermann/dpa, Privat Rolf Kalb, die deutsche Stimme des Snooker-Sports, ist verstummt. Unser Redakteur Robert Gerner verneigt sich.

Zu all den schlechten Nachrichten in diesen aufgewühlten Zeiten kommt nun auch noch diese: Die Stimme des deutschen Snooker-Sports ist verstummt. Rolf Kalb, 64, hat das Mikrophon nach der epischen Weltmeisterschaft in Sheffield, die der Engländer Kyren Wilson mit 18:14 gegen den Waliser Jak Jones gewann, endgültig zur Seite gelegt. Natürlich mit dem für ihn typischen, aber irgendwie auch ikonischen Satz: "Glück auf wünscht Ihr/Euer Rolf Kalb."

Snooker ist das Gegenteil von Kampfsport, Formel 1 oder Fußball. Das WM-Finale dauerte nicht eineinhalb Stunden, sondern zwei Tage. Auf dem riesigen Tisch werden Bälle unterschiedlicher Farben hin und hergeschoben und im besten Fall in der richtigen Reihenfolge in sechs verdammt kleinen Taschen versenkt. Manchmal überlegen Spieler fünf Minuten, ehe sie zu einem Stoß ansetzen.

Immer mit der Ruhe

Die Fernsehübertragung macht die Sache auch nicht temporeicher als sie ist. Besonders gelungene Stöße werden in Zeitlupe wiederholt. Eine Kamera ist immer über dem Tisch montiert, welche gut die riesigen Ausmaße der mit einem grünen Tuch bespannten Schieferplatte aufzeigt. Wenn es in einem Frame (Satz) in die Entscheidung geht, wird auch mal eine Superzeitlupe ausgepackt.

So geht das stunden- und nächtelang: Und dazu die sonore Stimme aus dem Off von Rolf Kalb. Wer mit dieser Stimme aufgewachsen ist, der weiß heute alles über Queue-Verlängerungen, Pomeranzen und Kleiderfouls, über Schwanenhälse und ein gelungenes Safety-Spiel, über Maximum-Breaks, einen starken Vorbänder und natürlich über den besten Snooker-Spieler aller Zeiten, Ronnie "The Rocket" O’Sullivan.

25 Jahre lang hat Kalb auf dem Spartensender Eurosport bis zu eine Million Fans gleichzeitig in den Fernsehschlaf hineinkommentiert. Tatsächlich haben diese dem Mann am Mikro oft geschrieben, dass Snooker für sie ein Hafen der Ruhe ist in einer immer unübersichtlicheren Welt. Statt bei Markus Lanz zuzuschauen, wie sich Politiker Verbalschlachten liefern, kann man auch umschalten und zwei Gentlemen in Hemd, Weste und Fliege zusehen, wie sie ihrem Präzisionshandwerk im Zehntel-Millimeter-Bereich nachgehen.

Eigentlich war Bergmannssohn Rolf Kalb ursprünglich zum Fernsehen gegangen, um dem geneigten Zuschauer die auch nicht viel publikumsträchtigeren Sportarten Ringen, Tanzen und Rudern nahezubringen. Aber nachdem Eurosport 1999 die Rechte an der von Engländern, Schotten, Walisern, Nordiren und ein paar Chinesen dominierten Billiard-Spezialversion erworben hatte, wurde aus Kalb die deutsche Stimme des Snooker. So wie es Marcel Reif zu seiner Zeit für den Fußball war und der unvergleichliche Carsten Sostmeier für das Reiten ist.

Hier darf der Trainer bleiben

In den vergangenen Jahren holte sich Kalb mitunter Verstärkung ans Mikrofon in Person des Snooker-Bundestrainers Thomas Hein. Der hat anscheinend Zeit und steht auch längst nicht so unter Druck wie die Tuchels (FC Bayern), die Heckings (1. FC Nürnberg), die Farhans (SC 04 Schwabach) oder die Berners (TSG 08 Roth), die im Laufe dieser Saison allesamt frühzeitig gingen oder gegangen wurden. Hein darf der Julian Nagelsmann des deutschen Snookersports bleiben, obwohl er noch niemals einen seiner Schützlinge ins 32-er-Hauptfeld der Weltmeisterschaft hat bringen können.

Echte Snooker-Fans stört das nicht. Ihnen genügt die Strahlkraft von Leuten wie Mark Selby, Judd Trump, John Higgins oder Neil Robertson. Bloß müssen sie künftig auf die Stimme von Rolf Kalb verzichten. Meine Tochter, von der Präzision beim Snooker ebenso fasziniert wie ich selbst, hat mir am Montag kurz vor Mitternacht, als die WM endlich entschieden war, eine kurze WhatsApp geschickt, die das ganze dramatische Geschehen in einem kurzen Satz zusammenfasst: "Es wird nicht mehr so sein, wie es einmal war."

P.S.: Snooker mag ein Sport für Spezialisten sein, aber ganz unbekannt ist er auch in heimischen Gefilden nicht: Die Snooker-Mannschaft der TSG 08 Roth führt derzeit die Tabelle der 2. Bundesliga Süd an und steht vor der Rückkehr in die Bundesliga. Vielleicht drückt ja auch Rolf Kalb die Daumen.

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