Trend Tiny House: Klappt's in Schwanstetten?

8.8.2020, 05:58 Uhr
Trend Tiny House: Klappt's in Schwanstetten?

© Foto: Andrea Maier

Leben auf wenigen Quadratmetern – ist es eine Rückbesinnung auf die wichtigen Dinge des Lebens, ein Abwerfen des materiellen und mentalen Ballasts, den man so mit sich trägt? Oder ist das Tiny House vor allem eine erschwingliche Möglichkeit, aus der Mietwohnung herauszukommen, sich Eigentum zu schaffen, einen Garten zu haben und viel Grün in der Umgebung?

Ich treffe Andrea Maier im hippen Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Die 39-Jährige arbeitet als Berufsausbilderin beim SOS-Kinderdorf in Nürnberg, hat einen vierjährigen Sohn und wohnt in einer WG. Doch das soll sich ändern. Sie möchte in ein Tiny House ziehen und hat deshalb unter anderem in Schwanstetten eine Bauvoranfrage gestellt.

Trend Tiny House: Klappt's in Schwanstetten?

© Foto: Michael Matejka

Wie kommt Maier auf die Idee? "Mein Sohn will immer draußen sein", erzählt sie. Und nicht nur der Sohn. "Ich finde es selbst auch faszinierend, mir vorzustellen, dass die Hälfte des Lebens draußen stattfindet. Das hat für mich eine große Leichtigkeit." Sie sei es in der WG gewohnt, mit wenig Platz auszukommen. Die 40 Quadratmeter würden ihr reichen, davon ist sie überzeugt. Es sei für ein Tiny House ohnehin vergleichsweise viel Platz. "Es hat Übergröße und ist durchaus komfortabel, mit Fußbodenheizung, Geschirrspülmaschine, großem Kühlschrank."


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Maier hat sich – neben ihrem Job – selbständig gemacht, gemeinsam mit ihrer Schwester. Die beiden bieten veganes Catering an. Als Trio wollen sie auch nach Schwanstetten ziehen: Maier und ihr Sohn in ein Tiny House mit Anbau, ihre Schwester in ein eigenes Tiny House. Das Grundstück, um das es geht, liegt im Süden von Schwand (Enger Weg) und ist etwa 600 Quadratmeter groß.

So ganz sicher ist Maier sich nicht, ob das Tiny House wirklich die perfekte Wohnform für sie ist. Ihre Schwester, sagt sie, hege diesen Traum schon länger. Für Maier hat es vor allem einen entscheidenden Vorteil: den Preis. "Wir haben uns Bauernhöfe und andere Immobilien im Umland von Nürnberg angesehen. Es gibt nichts, wofür wir uns nicht massiv verschulden müssten", erzählt sie. 60 000 Euro koste ihr Tiny House, das bereits fast fertiggestellt ist. Die monatliche Pacht des Grundstücks kommt dazu. "Ich habe dann ähnliche laufende Kosten wie jetzt. Aber wenn das Haus abbezahlt ist, gehört es mir." Der Traum vom Eigentum, nur eben eine Nummer kleiner.

Da gibt es aber noch ein Problem: Ihre Bauvoranfrage wurde im Schwanstetter Gemeinderat abgelehnt. Das Tiny House passt in einigen Punkten nicht zum Bebauungsplan der Gemeinde. So soll der Anbau zwar ein Satteldach bekommen, es weist aber nicht die erforderliche Neigung von mindestens 45 Prozent auf – der größere Teil des Hauses erfüllt diese Voraussetzung. Außerdem ist das Dach nicht mit Ziegeln gedeckt, aus statischen Gründen, sondern mit Schindelwellblech, das optisch den üblichen rotbraunen Ziegeln sehr ähnelt. Auch für die Fenster ist eine Befreiung nötig, da sie nicht rechteckig stehend sind, wie vorgeschrieben, sondern zum Teil quadratisch, zum Teil rechteckig liegend.

Was aber im Gemeinderat insbesondere kritisiert wurde, war das Aussehen des Hauses – es stieß quer über die Fraktionen hinweg auf Ablehnung. Petra Ilgenfritz (Grüne) bezeichnete das Haus und den Anbau schlicht als "hässlich", Jürgen Wechsler (SPD) kritisierte die braune Farbe und Richard Seidler (CSU) schlug in die gleiche Kerbe: "Ich bin ein Fan von Tiny Houses, aber die gibt’s auch in schön." Kritisiert wurde außerdem das Dachmaterial im Hinblick auf Lärmschutz und die (zu kurze) Pachtzeit von vier Jahren.

Eine Frage der Ästhetik?

Eines betonten alle Kritiker: grundsätzlich hätten sie kein Problem mit Tiny Houses. Ungünstig für Andrea Maier ist es, dass ihr Haus auf dem Foto in der Präsentation für den Gemeinderat im Gegensatz zu der Aufnahme, die oben zu sehen ist, optisch einfach nicht gut rüberkam. Das räumt auch Bauamtschef Rudolf Mitzam gegenüber dem Tagblatt ein. Im Gemeinderat betonte er, dass es bei der Abstimmung nicht um Fragen der Ästhetik gehen solle: "Schön oder nicht schön? Es geht um den rechtlichen Rahmen." Wegen der Wandfarbe des Hauses könne man auf Andrea Maier noch einmal zugehen. Aber, das ergänzte Bürgermeister Robert Pfann, wer sein Haus in Normalgröße baue, könne sich die Wandfarbe auch weitgehend selbst aussuchen.


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Von der Gemeinde her wurde also angedeutet, dass eine Ablehnung aus ästhetischen Gründen schwierig sei. Doch Abstimmung bleibt Abstimmung, und in diesem Fall wurde die Befreiung wegen der Dachneigung mit 5 zu 16 und die Befreiung wegen der Fensterform mit 9 zu 12 Stimmen jeweils abgelehnt.

Für Andrea Maier ist es kein Grund aufzugeben. Sie steht im Austausch mit Rudolf Mitzam und will nachbessern. Ein Antrag mit veränderten Eckdaten kann durchaus erneut gestellt werden. Maier signalisiert die Bereitschaft zum Entgegenkommen: Im Dach werde eine Dämmung eingebaut, die den Lärm etwa bei prasselndem Regen abmildert; auch die Fensterform könne man ändern; sie habe der Gemeinde außerdem genauere Informationen zu Farbe und Material der verschiedenen Teile des Hauses zukommen lassen.

Ein Verfahren läuft derzeit noch, berichtet Maier. In Engelthal (Nürnberger Land) habe sie auch eine Anfrage gestellt. Finden die Schwestern einen Platz für ihren alternativen Wohnentwurf? Fortsetzung folgt . . .

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