Energiewende

Woher kommt Bayerns Strom in Zukunft?

5.7.2021, 05:51 Uhr
Die Energiewende rüttelt Bayerns Stromproduktion durcheinander. (Symbolbild)

© Julian Stratenschulte Die Energiewende rüttelt Bayerns Stromproduktion durcheinander. (Symbolbild)

Die Zahlen sind eindeutig: Bayern kann in Zukunft seinen eigenen Energiebedarf immer weniger durch Eigenproduktion decken. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums musste der Freistaat bereits in den Jahren 2018 und 2019 im großen Umfang Strom importieren, 2018 Menge waren dies rund 12,8 Terawattstunden (TWh), 2019 10,8 TWh. Dies entspricht in beiden Jahren etwa 12,5 bis fast 15 Prozent des Gesamtverbrauchs, der je bei 85 bis 86 TWh lag. Neuere Zahlen lagen dem Ministerium auf Anfrage der dpa nicht vor.

Wenn Ende dieses Jahres der Atommeiler Gundremmingen im schwäbischen Landkreis Günzburg vom Netz geht und ein Jahr später der letzte noch verbliebene Reaktor mit Isar 2 unweit von Landshut, dürfte ab Anfang 2023 die bayerische Energiebilanz noch defizitärer ausfallen. Denn alleine Isar 2 produziert derzeit rund 12 Prozent des gesamten Stroms in Bayern (rund 11 TWh) und versorgt damit 3,5 Millionen Haushalte. Gundremmingen liefert jährlich mit 10 TWh nur knapp weniger. In Summe fehlen damit rund 22 TWh, um den Energieverbrauch zu decken.

Zwar setzt die Staatsregierung seit einiger Zeit vermehrt auf den Ausbau von Erneuerbaren Energien - allen voran auf die Sonnenkraft, bei der bis 2035 mehr als eine Verdoppelung der installierten Leistung angestrebt wird - doch eine Deckung der Energiebilanz wird auf absehbare Zeit kaum möglich sein.

Im Gegenteil: Bayern werde trotz des ambitionierten Ausbaus der erneuerbaren Energien zunehmend auf Stromimporte angewiesen sein, sagte auch eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Ein Problem sieht das Ministerium in der wachsenden Abhängigkeit von Energielieferungen nicht. Der Import von Strom nach Bayern sei "im Hinblick auf die übergeordneten Ziele einer kostengünstigen und nachhaltigen Energieversorgung sinnvoll" und im Übrigen seit jeher Bestandteil des Stromversorgungssystems.

Dies ist auf den ersten Blick nicht falsch. Die Frage ist allerdings, wie groß die Abhängigkeit ist und was dies für Unsicherheiten auf lange Sicht mit sich bringt. Welche Nachteile eine Abhängigkeit etwa in Krisen mit sich bringen kann, zeigte sich jüngst bei der Corona-Krise, als etwa lange Zeit Schutzmasken und später auch Impfstoff knapp waren.

Für den Chef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, sollte der Importanteil in jedem Fall nicht mehr als 20 Prozent des Gesamtverbrauchs betragen: "Volkswirtschaftlich gedacht ist Klimaschutzpolitik auch Standortpolitik. Wenn wir in Bayern unseren eigenen Strom produzieren, behalten wir Wertschöpfung und Arbeitsplätze hier und unsere Unternehmen profitieren."

Was viele Menschen in Bayern nicht verstehen, ist die Entscheidung der Regierung, bei der Energieproduktion die Möglichkeiten der klimafreundlichen Windkraft nicht auszuschöpfen. Selbst die Freien Wähler als Koalitionspartner mussten inzwischen einsehen, dass bei der CSU derzeit nichts zu holen ist. Die seit 2014 geltende 10H-Regel erschwert den Zubau ebenso wie die Modernisierung alter Anlagen.

Zur Erinnerung: Die Regel schreibt vor, dass ein Windrad mindestens zehn Mal so weit von einer Siedlung entfernt sein muss, wie es hoch ist. In der Folge ist der Neubau landesweit praktisch zum Erliegen gekommen. Aktuell beziffert das Ministerium die durch Wind gewonnene Energie in Bayern daher auch nur auf rund 2,5 Gigawatt, bis 2035 wird erwartet, dass der Wert nur leicht auf 2,9 Gigawatt steigt.

Für viele Energieexperten ist es ein großer Fehler, im klimafreundlichen Energiemix der Zukunft nicht mehr auf Wind zu setzen - nur so könne ganzjährig das Regierungsziel mit einer klimaneutralen Energiebilanz ab 2040 realistisch erreicht werden.

"Wir brauchen in Bayern jetzt den kraftvollen Ausbau von Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme und Energiespeichern", betonte SPD-Landeschef Florian von Brunn. Ohne den Energiemix versage der Freistaat beim Klimaschutz "und es explodieren die Strompreise für Verbraucher und Industrie. Das kostet nicht nur Arbeitsplätze, es treibt auch die Lebenshaltungskosten nach oben."

Generell dürfte der Energiebedarf trotz vieler Einsparanstrengungen stetig weiter steigen, da etwa immer mehr Elektroautos, E-Bikes und E-Scooter an Steckdosen geladen werden. Prognosen wie die des Öko-Instituts in Freiburg schätzen die Stromnachfrage im Freistaat für 2035 auf zwischen 98 und 112 TWh. Um diesen Bedarf zu decken und zugleich die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, kann der Freistaat aber nicht einfach auf weitere Gaskraftwerke setzen. Denn dann würde das von Söder und Co genannte ambitionierte Ziel der bayerischen Klimaneutralität bis 2040 durch einen noch höheren Ausstoß von schädlichem Kohlendioxid in noch weitere Ferne rücken.

Auch Hartmann kann daher nicht verstehen, dass die CSU-Spitze bei der Windenergie so auf stur geschaltet hat: "Die Abwehrhaltung von Söders CSU ist sehr befremdlich. Sonne und Wind haben unterschiedliche Qualitäten, die sich wunderbar ergänzen." Nur gemeinsam könnten sie ihre Stärken voll entfalten. "Der Wind gibt den nötigen Schwung im Winter, über die Sonne tanken wir Energie im Sommer – so halten wir die Stromproduktion übers Jahr stabil hoch."

Hinzu kommt, dass auch innerhalb der CSU der Kurs, der auch von Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder offensiv nach außen vertreten wird, nicht unumstritten ist. Insgeheim hoffen einige in der CSU und auch aus anderen Parteien, dass nach der Bundestagswahl im September neue Bewegung in die Sache kommt - etwa in Form einer 5H-, 6H- oder 8H-Regel. Allzu groß ist die Hoffnung aber nicht. Somit dürfte das erste Thema für die Landtagswahl 2023 schon feststehen.

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