Kabinett hat entschieden

Wölfe und Fischotter sollen leichter abgeschossen werden: Das sagen Menschen aus der Region

27.4.2023, 05:55 Uhr
Wölfe sind auch in der Natur anzutreffen - etwa im Veldensteiner Forst. Die Raubtiere können ab 1. Mau leichter abgeschossen werden.  

© Lino Mirgeler, dpa Wölfe sind auch in der Natur anzutreffen - etwa im Veldensteiner Forst. Die Raubtiere können ab 1. Mau leichter abgeschossen werden.  

Es ist, das hatte die Staatsregierung eingeräumt, juristisch dünnes Eis: Wölfe und auch Fischotter können in Bayern nach einer Entscheidung des Kabinetts ab 1. Mai leichter abgeschossen werden. Das dürfte aber nicht das letzte Wort sein, denn erste Proteste werden laut.

Wenig begeistert ist der Neumarkter Gastronom und Schäfer Johann Georg Gloßner, der 2018 ein "Wolfmahnfeuer" entzündet hat, um auf die Sorgen der Schäfer und Landwirte aufmerksam zu machen. Der Entscheid des Kabinetts sei "eine Luftnummer auf dem Papier". Denn er verweist darauf, dass der Bund Naturschutz (BN) gegen den Beschluss vorgehen will. Wie kann man den Wolf von Nutztieren fernhalten?

Der Schäfer meint, dass Wolfschutzzäune wenig bringen - die Raubtiere könnten diese überwinden. Er sagt: "Die Wölfe sind lernfähig." Er plädiert für "ein ständiges dosiertes Abschießen, bei dem aber die Wolfpopulation nicht gefährdet werden soll". Ziel soll sein, dass sich der Wolf fern von Mensch und Nutzvieh hält.

Im Veldensteiner Forst im Landkreis Bayreuth lebt seit einigen Jahren ein Wolfsrudel. Karlheinz Escher, Bürgermeister des benachbarten Marktes Plech, weiß, dass die Landwirte wegen der Wölfe beunruhigt sind. 2019 war die Aufregung groß, als Wölfe in zwei Gehegen im nahen Betzenstein Rothirsche, Schafe und Damwild gerissen hatten: "Damals ist das Thema hochgekocht." Doch heute sei es kein Aufreger mehr in der Bevölkerung. Bürgermeister Escher persönlich begrüßt den Entschluss des Kabinetts.

Und was sagt Christoph Hurnik, Geschäftsführer des Naturparks Fränkische Schweiz-Frankenjura, zu dem der Veldensteiner Forst gehört? Er möchte sich zum aktuellen Beschluss nicht äußern und erst noch die Details abwarten. Grundsätzlich stellt er fest: "Der Wolf ist wichtig fürs Ökosystem." Das Raubtier reguliert die Bestände der Beutetiere. Die Menschen müssten damit leben, dass der Wolf wieder da ist.

Unbesonnenes Verhalten

Grundsätzlich sei der Wolf scheu. Doch durch unbesonnenes Verhalten könne der Mensch viel falsch machen. So warnt Hurnik davor, bei einer Pause etwa an einer Bank im Veldensteiner Forst Essensreste zurück zu lassen: Das lockt den Wolf an, der in der Folgezeit vielleicht dann öfter an der Bank nach Futter sucht und dabei auch die Scheu vor dem Menschen verliert. Eine Rangerin im Naturpark sei Wolf-Expertin: Sie berät Wanderer und bei Bedarf auch Nutztierhalter und Bauern. Als 2019 Wölfe zwei Wildgehege in Betzenstein angegriffen hatten, haben sich Ranger freiwillig an Nachtwachen beteiligt, um die Raubtiere abzuschrecken. Zudem habe man geholfen, neue Zäune aufzustellen. Derzeit plane man im Veldensteiner Forst einen Wolfslehrpfad - und schon jetzt gibt es im Wald Schilder mit Verhaltenstipps.

"Ein Riss reicht"

Doch was heißt es, dass Wölfe und auch Fischotter in Bayern vom 1. Mai an leichter abgeschossen werden können? Beim Wolf ist laut Söder das Entscheidende: „Ein Riss reicht.“ Es brauche nicht mehr unzählige gerissene Tiere, sondern nur einen Riss.

Die Landratsämter bekommen künftig die Möglichkeit, über den Abschuss selbstständig zu entscheiden. Bislang waren dafür im Freistaat die Bezirksregierungen zuständig. Das Umweltministerium erklärte, beim Wolf werde es „verfahrensmäßige Erleichterungen zur Vergrämung und Entnahme unter Wahrung der EU- und bundesrechtlichen Anforderungen“ geben. Vergrämung bedeutet das Vertreiben und Fernhalten von Tieren, mit Entnahme ist der Abschuss gemeint.

Zum Handeln gezwungen

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) betonte: „Wir können nicht länger zusehen, wie die Rückkehr der Beutegreifer Wolf, Bär, aber auch der Fischotter, die Nutztierhaltung und die Fischwirtschaft immer mehr zunichtemacht.“ Wölfe seien nicht bedroht, „aber unsere Weidetierhalter sind es bald, wenn nicht bald etwas passiert“, warnte sie. Man sei deshalb zum Handeln gezwungen.

Fischotter können laut Agrarministerium „zur Abwendung ernster fischwirtschaftlicher Schäden“ nun ganzjährig abgeschossen werden. „Die Entnahme ist allerdings nur möglich, wenn es dazu keine zumutbaren Alternativen gibt, etwa eine Einzäunung.“ Und sie solle nur dort zulässig sein, wo das Auftreten des Otters ein Problem darstelle, etwa in den Teichbaugebieten in Franken, der Oberpfalz und Niederbayern, und wo dies „unter Beachtung des Artenschutzrechts vertretbar ist“. Der Erhaltungszustand der Population dürfe nicht verschlechtert werden. In den Regionen soll deshalb eine Höchstzahl an Tieren festgelegt werden, die abgeschossen werden dürfen.

Richard Mergner, Landeschef vom Bund Naturschutz (BN), kündigte an, man werde eine Klage prüfen, sobald die Wolfs-Verordnung vorliege. „Wenn der Riss an einem einzelnen Weidetier ausreicht, um mehrere Wölfe abzuschießen, heißt das nichts anderes, als den Landratsämtern einen Freischein auszustellen, den gesamten bayerischen Alpenraum wolfsfrei zu schießen.“ Die Beteuerungen der Staatsregierung, dass man keine wolfsfreien Zonen beabsichtige, erwiesen sich als unwahr.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sagte , mit der Verordnung werde Söder „vor jeder gerichtlichen Instanz scheitern“. „Söder geht es nicht um den Wolf, nicht um die Weidetiere, nicht um die Almbäuerinnen und -bauern – es geht ihm einzig und allein darum, im Wahljahr vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren, ganz egal, ob sie am Ende umsetzbar sind oder nicht.“