3:6 gegen Mannheim

Letztlich ein Qualitätsunterschied: Zum zehnten Mal beenden die Adler die Saison der Ice Tigers

Sebastian Böhm

Sportredaktion

E-Mail zur Autorenseite

12.3.2024, 23:24 Uhr
Dass der Puck über Niklas Treutle hinwegfliegt, sieht Ryan MacInnis (Mannheims Nummer 74) hier bereits. Kurz darauf steht es 1:2.

© Thomas Hahn, Sportfoto Zink Dass der Puck über Niklas Treutle hinwegfliegt, sieht Ryan MacInnis (Mannheims Nummer 74) hier bereits. Kurz darauf steht es 1:2.

Im Oberrang hatten sie sich gerade erst hingesetzt, da schienen sich die übergroßen Erwartungen an diesen Abend bereits erfüllt zu haben. Unten auf dem Eis hatte Charlie Gerard den Puck vor dem vermeintlich leeren Tor noch einmal auf seinen Kumpel Evan Barratt gelegt, damit ihn Barratt ungehindert aus einem besseren Winkel ins Netz hämmern konnte. 29 Sekunden war dieses zweite Playoff-Spiel gerade einmal alt und in der ausverkauften Nürnberger Versicherung spürten 7672 Menschen zumindest einmal 2024, wie großartig sich Playoffs anfühlen können.

Allein es blieb bei diesem einen Moment des euphorischen Jubels, des Stolzes auf den ewigen Außenseiter und des unbeirrbaren Glaubens, dass diesmal wider alle Wahrscheinlichkeit alles möglich sein könnte. 59 Spielminuten und 31 -sekunden waren Tom Rowe und die Ice Tigers in der ersten Playoff-Runde gescheitert - zum dritten Mal in Folge. Mit dem 3:6 (1:1, 0:2, 2:3) endete in Nürnberg auch die Zeit des unbeirrbar optimistischen US-Amerikaners. Rowe hielt eine Meisterschaft an diesem Standort lange für realistisch.

Ein früher Führungstreffer

Im November 2023 erkannte er, dass er sich getäuscht hatte und verkündete intern, dass er seinen Vertrag nicht verlängern werde. Er selbst machte die Entscheidung ein Monat später publik, was hinter der verschlossenen Geschäftsstellentür als unprofessionell interpretiert wurde. Nach und nach kam heraus, dass nicht nur Rowe, sondern auch Danjo Leonhardt, Tim Fleischer und Elis Hede weiterziehen würden, junge Spieler, die sich in Nürnberg zu herausragenden DEL-Spielern entwickelt hatten. Und trotzdem stabilisierte sich die Mannschaft in akuter Abstiegsgefahr, qualifizierte sich erneut für die erste Playoff-Runde - und hatte das Pech, dass in Mannheim erneut die teuerste Mannschaft der Liga weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war und deshalb ebenfalls den Umweg über die erste Playoff-Runde ins Viertelfinale nehmen musste.

Euphorischer Jubel nach 29 Sekunden: Evan Barratt und Charlie Gerard feiern sich - und werden gefeiert.

Euphorischer Jubel nach 29 Sekunden: Evan Barratt und Charlie Gerard feiern sich - und werden gefeiert. © Thomas Hahn, Sportfoto Zink

In 120 Minuten Eishockey erwies sich der ewige Rivale als cleverer, gemeiner, härter. Das alles kompensierten die Ice Tigers noch, indem sie nach dem frühen Führungstreffer - anders als noch am Sonntag in Mannheim - zu ihrem schnellen Umschaltspiel fanden, indem sie die schweren Verteidiger des Gegners bis in gesundheitsgefährdende Pulsbereiche beschäftigten, indem sie Strafen herausholten. Und so war es letztlich der allein durch das eklatante Etat-Gefälle erklärbare Qualitätsunterschied, der diese kurze Playoff-Serie entschied.

Den Ice Tigers fehlte ein Unterschiedsspieler

Im Mitteldrittel versuchten sich die Ice Tigers in drei Power-Plays vergeblich daran, Arno Tiefensee ein zweites Mal zu überwinden. Für 105 Sekunden hatten sie dabei sogar zwei Spieler mehr auf dem Eis. Nur für wenige Wochen zu Beginn dieser am Dienstag um 22.01 Uhr beendeten Saison war es Rowe gelungen, für diese Mannschaft ein gefährliches Überzahlspiel zu organisieren. In den wichtigsten Partien des Jahres waren die Ice Tigers zu harmlos. Wie es geht, machte der vielleicht begabteste Angreifer der DEL vor. Matthias Plachta war gleich zum Start eines Mannheimer Power-Plays nicht aufzuhalten, aus der Luft vollendete Ryan MacInnis den Angriff (30.). Schon beim 1:1-Ausgleich war Plachtas Reihe nicht in den Griff zu bekommen. Da war es mit Verteidiger Leon Gawanke der zweite Unterschiedsspieler, der Niklas Treutle überwand (19.).

Nürnberg hatte Phasen, in denen sie selbst diesen Druck entwickelten, in denen sie dem massigen Denis Reul keine Sekunde verschnaufen ließen. Dafür fehlte es oft im Abschluss an der Kraft, an der Dringlichkeit, die Tyler Gaudet gegeben war, als er die harte Vorarbeit seiner Kollegen zum 1:3 nutzte (38.).

Justus Böttner, Playoff-Monster

Constantin Braun, seit Montag 36 Jahre alt, schloss noch einen Konter zum 2:3 (48.), nur 27 Sekunden stellte Jordan Szwarz aber wieder auf 2:4. Ein großer Moment in der langen, aber letztlich immer enttäuschenden Nürnberger Playoff-Geschichte aber wurde den Zuschauern noch geboten. In der letzten Werbepause der Saison fuhr Justus Böttner alleine über das Eis, um das Publikum mit eindeutigen Gesten daran zu erinnern, dass die Saison noch nicht vorbei war. Der Verteidiger war für Roman Kechter ins Aufgebot gerutscht und hatte bis zu dieser Szene keine Sekunde mitspielen dürfen. Dennoch hatte er mehr Einfluss als viele andere seiner Kollegen. Tatsächlich wurde es wieder laut in der Arena, tatsächlich war die Hoffnung zurück und Mannheim machte Fehler.

Der Ex-Nürnberger Daniel Fischbuch erlaubte sich ein offensichtliches Foul zu viel. Im Power-Play drückte Leonhardt die Scheibe über die Linie (57.) - die Vorlage sollte sich Böttner gutschreiben lassen. Mangelnden Willen konnte man Rowes Mannschaften nie vorwerfen.

Der Cheftrainer winkte Treutle ein letztes Mal vom Eis und letztes Mal rannten die Ice Tigers 2023/2024 an. Wenig später lag der Puck wieder in ihrem Tor. Nach Wolf erhöhte Fischbuch das Ergebnis noch. Wieder feierten die Adler auf Nürnberger Eis. Dann wurden Rowe, Manuel Kofler und eine tolle Mannschaft verabschiedet.

Verwandte Themen


8 Kommentare