Serie zur Identität im Profisport

Zum Kleeblatt? Zu den Greuthern? Fürths schwierige Suche nach Identifikation

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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14.4.2022, 06:00 Uhr
Greuther Fürth? Auf den Tribünen des Ronhofs dominiert vor allem der alte Vereinsname "SpVgg Fürth".

© Sportfoto Zink / Melanie Zink, NN Greuther Fürth? Auf den Tribünen des Ronhofs dominiert vor allem der alte Vereinsname "SpVgg Fürth".

Es gibt auf der Welt wohl keinen Verein, bei dem so viel über acht Buchstaben diskutiert wird. Bei dem ein Teil des Namens für manche Fans so wichtig ist, dass sie deshalb nicht mehr ins Stadion gehen. Oder dass sie zumindest aktiv dagegen ankämpfen, im Grunde schon seit mehr als 25 Jahren. Seit 1996 aus der Spielvereinigung Fürth, die dreimal Deutscher Meister geworden war, durch den Beitritt der Fußballabteilung des TSV Vestenbergsgreuth die "SpVgg Greuther Fürth" wurde.

Es war eine Zweckehe, die beide Seiten damals in der Fürther Stadthalle eingingen, weil es für sie in ihrer bisherigen Form nicht mehr weiterzugehen schien. Aus einem finanziell mindestens angeschlagenen Traditionsverein mit großer Fanbasis und einem sportlich erfolgreichen Dorfklub aus dem 1500-Seelen-Nest im Landkreis Erlangen-Höchstadt wurde ein neuer Verein, dessen Verantwortliche damals auch darum bemüht waren, eine neue Identität zu schaffen.

Der schwarz-rote Holzschuh aus dem Greuther-Logo wurde mit dem grünen Kleeblatt zu einem neuen Wappen verbunden, in der öffentlichen Wahrnehmung positionierte man sich ganz bewusst als "Greuther Fürth". Es gab eine neue Hymne mit dem Titel "Let's go Greuther Fürth", die "Spielvereinigung" verschwand beinahe komplett aus der öffentlichen Wahrnehmung - ob nun auf dem Rücken der Trikots oder auf Fanartikeln. Überall: Greuther Fürth.

Wirtschaftlich und sportlich erlebte der neue Verein unter Präsident Helmut Hack sehr erfolgreiche Jahre. Während andere Klubs im Laufe der Zeit abstürzten, Insolvenz anmelden mussten oder heute in der vierten oder fünften Liga kicken, ist das Kleeblatt seit dem Zweitliga-Aufstieg 1997 nie mehr in die dritte Liga abgestiegen. Stattdessen spielte der Verein in den vergangenen zehn Jahren zweimal in der Bundesliga und ist, trotz der Auswirkungen der Pandemie, finanziell gesund.

Das ist die eine Seite. Die nüchterne. Sachliche. Fußball aber ist mehr, ein Sport, bei dem es sehr viel um Emotionen geht. Um Romantik. Um Leidenschaft. Um ein großes Gemeinschaftserlebnis. Darum, dass die Menschen mit dem Herzen dabei sind, dass sie auch Irrationales tun - zum Beispiel ihrer Mannschaft überall hin folgen. Ob nach München, Gladbach oder Kiel. Dass sie sich, um im Thema zu bleiben, mit ihrem Verein identifizieren.

Frage nach "den Greuthern"

Nur: Womit identifizieren sich die Menschen in Fürth? Mit dem Kleeblatt? Mit der Spielvereinigung? Wenn man nach Spielen durch die Straßen der Stadt läuft, kann es vorkommen, dass man gefragt wird, wie denn "die Greuther" gespielt hätten. Es gibt, auch das hat die Vergangenheit gezeigt, durchaus ganz junge Fans, die bei ihren ersten Besuchen im Ronhof "Greu-ther Fürth" schreien. Die gar nichts anderes kennen als diesen Kunstbegriff, der zwar seltsam klingt, sich aber in all den Jahren durchgesetzt hat.

Das spürt man auch als Reporter, der diesen Verein durch ganz Deutschland begleitet. Für die meisten Menschen außerhalb Frankens gibt es keine "SpVgg Greuther Fürth", es gibt nur: Greuther Fürth. Auch die Spieler, die neu nach Fürth kommen, sprechen vor allem von Greuther Fürth, wenn sie über ihren Arbeitgeber reden. Und dürften dann verwundert sein, wenn sie vor oder nach Spielen auf die Tribünen schauen. Denn dort dominiert ein anderer Name: SpVgg Fürth.

Vor knapp vier Jahren gründete sich eine Initiative, die seitdem eine Rückbenennung zum traditionellen Vereinsnamen fordert. Ob mit großen und öffentlichkeitswirksamen Choreografien, mit Fahnen, mit Aktionen in der Stadt und im Internet. Das Thema ist seitdem mal mehr, mal weniger präsent, aber nie ganz weg. Öffentlich wurden die Aktivisten lange als Romantiker abgetan, als Ewiggestrige, die der Vergangenheit nachhängen und die Augen verschließen vor den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft.

Doch die Stimmen sind zu laut, um sie zu überhören. Das "Begehren nach Teilhabe", wie es Präsident Fred Höfler mal nannte, ist zu groß, um es länger zu ignorieren. Im vergangenen Jahr gab der Verein bekannt, dass das Präsidium bei der nächsten Mitgliederversammlung (die wegen Corona verschoben wurde und offenbar nach der Saison stattfinden soll) eine neue Satzung verabschieden lassen möchte. Durch verschiedene Änderungen sollen sich die Mitglieder künftig mehr beteiligen können - und auch über den Vereinsnamen abstimmen dürfen.

Doch bis dahin wird noch sehr viel über acht Buchstaben gestritten werden. Beim Kleeblatt. Der Spielvereinigung. Bei Greuther Fürth. Bei einem Verein auf der Suche nach seiner Identität.


Identität im Profisport, gibt es das? Diese Frage stellen wir an dieser Stelle in einer kleinen Serie mit dem Blick auf mittelfränkische Erst- und Zweitliga-Klubs. Kommende Woche widmen wir uns den Nürnberg Ice Tigers. Bislang erschienen sind Beiträge über den 1. FC Nürnberg und die Nürnberg Falcons.

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