Europawahl 2024

Der Erlanger Frank Gillard über seine Sicht auf Europa und die Folgen des Brexit

17.5.2024, 18:21 Uhr
Frank Gillard.

© privat Frank Gillard.

Am Sonntag, 9. Juni, findet in Deutschland die Wahl zum Europäischen Parlament statt. In Zusammenarbeit mit Werkstatt Demokratie, einer Initiative der Erwachsenenbildung im Evangelischen Dekanat Erlangen, sprechen wir in den nächsten Wochen mit Erlangerinnen und Erlangern über ihr Europa. Heute im Gespräch ist Frank Gillard. Der geborene Brite, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, hatte von 1993 bis 2011 die Leitung des Erlanger Instituts für Fremdsprachen und Auslandskunde (IFA) inne. Auch wenn er überzeugter Europäer ist, so hat er doch Verständnis für die Brexit-Anhänger.

Herr Gillard, was verbinden Sie mit Europa?

Mein Vater war als einfacher Soldat in Nordafrika und später Italien und Deutschland unterwegs. Fremdsprachen hat er nicht gekonnt. Aber durch ein kleines Büchlein, das wohl jeder britische Soldat bekam, eine Art "Knigge" für Soldaten in Deutschland unmittelbar nach dem Krieg, begann meine Faszination mit Deutschland und Deutsch. Deutsch wurde konsequenterweise neben Französisch und Latein zum Abiturfach, und auf meiner englischen Universität kamen Italienisch und Schwedisch hinzu. Das klingt, als ob ich "Polyglott" wäre. Oh, if only. Trotzdem lebe ich seit über einem halben Jahrhundert in Deutschland, liebe das Land und viele seiner Sitten und werde hier wohl glücklich sterben.

Und wie sieht es mit der EU aus? Was ist Ihre Haltung dazu?

Diesbezüglich bin ich vielleicht doch ein bisschen "altbritisch" geblieben, d.h. ich habe eine etwas reservierte Haltung. Wie viele Briten hat mir vor allem die ökonomische Bedeutung der EU eingeleuchtet, der große Wirtschaftsraum, der dadurch eröffnet worden ist. Hinsichtlich der politischen und administrativen Aspekte aber war ich stets skeptisch. Das hat sehr viel mit meinem Verständnis von Demokratie zu tun, mit meinem Stolz Engländer zu sein mit traditionsreichem, eigenem Parlament, der es nicht mag, wenn nicht direktgewählte Beamten immer mehr Sagen haben in einem Europa, das für viele zu groß und anonym geworden ist. Deshalb hatte ich durchaus Verständnis auch für manche Forderungen der Brexit-Anhänger.

Der Brexit hat für die Briten allerdings auch viel Negatives gebracht.

Klar, wenn man die Ergebnisse des Brexits anschaut, wird man schon nachdenklich. Es ist traurig, dass die Erasmus-Programme für Studierende aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr zugänglich sind. Da ist etwas weggebrochen. Sorge macht mir das mögliche Wiederaufflammen der Grenzkonflikte in Irland beziehungsweise Nordirland. Und rein wirtschaftlich haben die Briten große Nachteile erlitten. Europa will verständlicherweise zeigen, dass ein Austritt keine ökonomischen Vorteile bringt.

Welche Konsequenzen hatte der Brexit für Sie persönlich?

Eigentlich keine, außer dass die Mehrheit meiner britischen Freunde Brexit-Gegner sind. Niemand möchte aus der Reihe tanzen. Das bedeutet Polarisierung, weniger Harmonie, was ich sehr bedauere. Aber meine in England lebende Tochter, die auch zwei Pässe hat – einen britischen und einen amerikanischen – darf keinen deutschen Pass haben, obwohl sie hier aufwuchs. Das finde ich schade, für uns alle.

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