"Villibald"

Buntes neues Leben: In der Nürnberger Nordstadt öffnet eine Jugendstil-Villa ihre Pforten

21.2.2022, 16:34 Uhr
Haben im Nürnberger Norden Großes vor: Architekt und Eigentümer der Villa Claus Peteranderl und die Villibald-Geschäftsführerin Simira Tang.

© Paul Quednau Haben im Nürnberger Norden Großes vor: Architekt und Eigentümer der Villa Claus Peteranderl und die Villibald-Geschäftsführerin Simira Tang.

Die Pirckheimerstraße ist, wir ahnen es, dem Nürnberg-Spross, Dürer-Kumpel und Kunstfreund Willibald Pirckheimer gewidmet. Allein vom Glanz des Namens strahlt dann eher wenig ab: Eingekeilt zwischen Verkehrsknotenpunkten finden wir hier von Imbiss über Druckerdoktor bis Miniaturfahrzeuge zwar vieles, doch vergleichsweise wenig, was mit Kunst, Kultur oder gar der Förderung derselben zu tun hat.

Doch es ist Änderung in Sicht – und im besten Falle beste Besserung: Wer die prachtvolle gelbe Jugendstilvilla im Westen der Straße, namentlich Hausnummer 32, genau beobachtet, der hat vielleicht schon bemerkt, dass hier, ganz leise, Großes im Gang ist. Oder zumindest vorschwebt: Kein klassischer Galeriebetrieb, aber Platz für Bilder. Kein Thinktank, aber Raum für Seminare und Workshops. Kein Kulturladen, aber viel Platz für Lesungen, Musik oder Vorträge.

Vor allem: Platz. "Eine Mehrzwecknutzung", gibt sich Simira Tang unverbindlich, und das weniger, weil sie nichts Konkretes sagen will, als dass sie noch nicht kann. Weil so viel möglich ist und alles erst am Entstehen. Seit drei Monaten hat die 23-jährige Veranstaltungskauffrau die Verantwortung für "ihr Baby", wie sie sagt. Ein Baby, das aus 200 opulenten Quadratmetern im Erdgeschoss einer nicht minder opulenten Villa besteht, in deren oberer Etage seit einigen Jahren das Architekturbüro Peteranderl residiert und dessen Geschäftsführer, so Tang, sich wünscht, "die Villa zugänglich und erlebbar" zu machen.

Opulente Villa zur "Mehrzwecknutzung"

Und damit Simira Tang beauftragt hat, die bei Nuejazz mitwirkte und zuletzt für die Stadt Herzogenaurach Projekte managte. Tangs erste Amtshandlung: Von AEG und Bildungspark gestrandeten Künstlerinnen und Künstlern im Keller der Villa Ateliers einrichten. Gemeinsam mit Claus Peteranderl managt sie jetzt die Restaurierung von "Villibald", wie der neue Ort heißt.

Das Villibald besticht mit riesigen Räumen mit der Patina beinahe eines Jahrhunderts.

Das Villibald besticht mit riesigen Räumen mit der Patina beinahe eines Jahrhunderts. © Villibald

Vier riesige Räume mit der Patina beinahe eines Jahrhunderts – und genau so viel Geschichte: Einst in jüdischem Besitz, dann trauriger Vertreibung, wirkte hier zuletzt über viele Jahre mit "Ganoven Gabi" Nürnbergs taffste Anwältin Gabriele Lehmann, bei der Günther Beckstein in die Lehre ging. Jede Dielenbohle eine Anekdote, jede Treppenstufe Schicksal, hinterm Heizrohr Zeitungen aus 1922, hinter der Tapete Bleistiftskizzen – zwischen aller Neuerung gilt es, Altes zu behalten, aufzubereiten, Geschichte spürbar zu machen.

Der Erinnerungskultur fühlt sich Simira Tang ebenso verpflichtet wie dem Quartier, dem bislang wenig vergönnt ist in Sachen Kulturorte. Umso mehr Strippen werden grad gezogen, mit Dr. Pascal Metzger vom Verein Geschichte für alle hat Simira Tang gesprochen, mit Kulturwissenschaftler Felix Hörath, der die Ausstellung "NACHdenken, ÜBERdenken – NEUdenken?" zum Umgang mit der Kongresshalle mitkuratiert. Mit der Berliner Journalistin Nathalie Frank, Nachfahrin der ehemaligen Bewohnerfamilie, steht sie in Kontakt. Das gesamte Netzwerk aus öffentlichem Dienst und freier Szene aktiviert und zu einem großen Knoten verbunden.

Kein klassischer Kulturladen

"Keine Partylocation, auch kein klassischer Kulturladen" soll es werden, so viel ist sicher, sondern eine Mischung aus privatwirtschaftlicher und offener Nutzung in diesen "Räumen, die inspirieren und Mut machen, größer zu denken", sagt Tang mit Blick auf die drei Meter hohen Stuckdecken, die Schiebetüren, die aus vier Räumen quasi einen werden lassen. Und dass vor allem Wohlfühlatmosphäre geschaffen werden soll, ein Konzept aus funktionalem Mobiliar und Kuschelecke, aus Tagungsraum und Akustikkonzertsaal, aus Hochzeitsgesellschaft und Poetry Slam, politischer Bildung und Creative Workspace. Alles kann, nichts muss.

Das klingt schon im Namen an: "Villibald", eine Mischung aus geschichtlicher Verpflichtung, kultureller Reminiszenz und kugelrunder Freundlichkeit. Simira Tang ist frei, zu entwickeln, holt sich Ideen, Anregungen, Feedback aus der Kulturwirtschaft, der Künstlerszene, erntet großen Zuspruch, aber auch Besorgnis: Ist das die richtige Zeit, um so ein großes Ding zu starten? "Irgendwann ist diese Pandemie vorbei, und dann will alles raus, was sich bislang aufgestaut hat", ist sie sich sicher. "Und dann sind wir bereit." Im Sommer soll’s losgehen, soll alles soweit instandgesetzt, betriebsbereit sein. Was genau losgeht – bleibt abzuwarten.


Einblicke gibt es auf Instagram: www.instagram.com/villibald (oder @villibald)

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