Neues aus den Museen

Kunsthalle Nürnberg: Vernachlässigtes Kapitel deutscher Geschichte wird beleuchtet

22.4.2024, 10:41 Uhr
Sung Tieu, Room 208, 2023 Kunst Museum Winterthur, Ankauf, 2023

© Gunnar Meier Sung Tieu, Room 208, 2023 Kunst Museum Winterthur, Ankauf, 2023

Sung Tieu, die 1987 im vietnamesischen Hai Duong geboren wurde und heute in Berlin lebt, hat für die Ausstellung Werke zusammengestellt, die ein in der deutschen Nachkriegsgeschichte bislang vernachlässigtes Kapitel thematisieren: 1980 schlossen die DDR und die Sozialistische Republik Vietnam ein Abkommen zur Anwerbung ­vietnamesischer Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter, die in der Folge in den Volkseigenen Betrieben der DDR eingesetzt wurden. Durch die Wiedervereinigung 1990 sahen sich diese Menschen mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert.

Blick in die Ausstellung.

Blick in die Ausstellung. © Gunnar Meier, NNZ

Aufgrund ihrer persönlichen Familiengeschichte begann Sung Tieu, sich mit den soziopolitischen Auswirkungen dieses Abkommens zu beschäftigen. In den Fokus ihrer Ausstellung rückt sie die Plattenbausiedlung Gehrenseestraße 1 in Berlin, in der die Künstlerin einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Diese Anlage gehörte mit rund 1.000 Wohnungen zu den größten Wohnheimen für vietnamesische Vertragsarbeiter. Sung Tieu verschränkt in ihren Arbeiten autobiografische Erfahrungen mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die sich in der Geschichte der Wohnsiedlung und der dort lebenden Menschen spiegeln.

Die künstlerische Strategie von Sung Tieu beruht auf systematischer Archivarbeit. Zusammengetragene und methodisch erschlossene Archivalien werden mit Objekten, architektonischen Interventionen, Dokumenten, Zeichnungen, Videos und Sounds verwoben.

So entstehen sorgsam inszenierte, atmosphärisch verdichtete Rauminstallationen mit prägnanter Bildsprache und vielfältigen Bezügen. Sung Tieu verhandelt gesellschaftliche Phänomene, soziale Verwerfungen und private Erfahrungen. Dies führt zu Werken, die von einer individuellen Sichtweise auf die Welt getragen sind: Privates und Öffentliches verschmelzen.

https://www.kunstkulturquartier.de/kunsthalle

Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare