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Memorium Nürnberger Prozesse: Warum der „Prozess um den 20. Juli 1944“ heute noch so aktuell ist

19.3.2024, 15:07 Uhr
Fritz Bauer, Generalstaatsanwalt in Hessen von 1956-1968.

© Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, archiv stefan moses Fritz Bauer, Generalstaatsanwalt in Hessen von 1956-1968.

„Populisten und Feinde der Demokratie. Wir haben in Deutschland schon einmal erlebt, wohin das führen kann“: Nachfahren der Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime veröffentlichten im Februar 2024 diesen Aufruf zum Schutz der Demokratie – knapp 80 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler. Das verübten die Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944. Hitler überlebte jedoch, der Umsturzversuch scheiterte. Claus Schenk Graf von Stauffenberg und weitere Beteiligte wurden im Bendlerblock in Berlin hingerichtet, hunderte Menschen anschließend verhaftet, verfolgt oder nach Schauprozessen getötet. Fortan waren die Widerstandskämpfer als „Landesverräter“ verrufen.

An der Niederschlagung des Umsturzversuchs war auch der Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“, Otto Ernst Remer, beteiligt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Mitbegründer der rechtsextremen „Sozialistischen Reichspartei“ und diffamierte mehrfach die Widerstandskämpfer um Stauffenberg als „Landesverräter“. Daraufhin klagte ihn der Braunschweiger Generalstaatsanwalt Fritz Bauer wegen „übler Nachrede“ und „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ an.

Der Saal 600

Der Saal 600 © Christine Dierenbach

Im „Prozess um den 20. Juli“ sagten Zeugen, Überlebende und Angehörige des Widerstandes vor Gericht aus, Historiker und Gutachter untersuchten den Vorwurf des Verrats und des soldatischen Eidbruchs. Abschließend stellte das Landgericht Braunschweig fest, dass der nationalsozialistische Staat ein Unrechtsstaat war und die Widerstandskämpfer weder Verrat noch Eidbruch begangen hatten. Otto Ernst Remer wurde zu einer dreimonatigen
Freiheitsstrafe verurteilt. Der Gerichtsprozess vom März 1952 war ein Meilenstein in der Anerkennung des Widerstandes gegen das NS-Regime.

Fritz Bauer wurde wenig später hessischer Generalstaatsanwalt, war an der Ergreifung von Adolf Eichmann beteiligt sowie maßgeblich für den ersten Auschwitzprozess in Frankfurt/Main des Jahres 1963 verantwortlich. Für seinen entschlossenen Einsatz, die nationalsozialistischen Verbrechen vor Gericht zu bringen und zu bestrafen, wurde er vielfach kritisiert und angefeindet – in einer Zeit, in der weite Teile der deutschen Gesellschaft ihre Schuld und Verantwortung an den Massenverbrechen im Zweiten Weltkrieg leugnen und verdrängen wollten. Bezeichnend beschrieb Fritz Bauer die damaligen Verhältnisse in Deutschland mit einem prägenden Zitat: „Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland.“

Die Eröffnung der Ausstellung „Verräter“ oder „Helden“ findet im historischen Saal 600 statt. Die Festrede hält Kuratorin Claudia Fröhlich, Leiterin des Lern- und Erinnerungsortes Martin-Niemöller-Haus in Berlin. Die promovierte Politikwissenschaftlerin geht auf verschiedene Aspekte der Ausstellung sowie die geschichtlichen Hintergründe ein: Warum galten die Männer des Widerstandes Anfang der 1950er Jahre als „Verräter“? Wie konnte Fritz Bauer nachweisen, dass sie „Helden“ waren? Und warum ist der „Prozess um den 20. Juli 1944“ auch heute noch so aktuell?

https://memorium-nuernberg.de

Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.

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