Kann man mit der Familie ins Party-Winterdorf?
Skifahren geht hier bis in den Mai: Aus diesen Gründen ist Obertauern ein echtes Schneeloch
9.2.2024, 19:00 UhrGanz oben auf der Tauernstraße zwischen Radstädter Tauern und Katschberg öffnet sich plötzlich ein weiter Kessel. Hier bläst der kalte Nordwind Schnee herein, und wenn der Wind sich dreht, pustet er Schnee von Süden herauf. Das ist prima für die Wintersportler, denn egal wie die Wetterlage ist - Schnee gibt´s fast immer
Manchmal schneit‘s hier sogar im August, Sommergäste können dann schon mal ganz schön frieren. Schalten die allermeisten Wintersportorte an Ostern ihre Lifte ab, carven Sie in Obertauern wegen des vielen Schnees bis zum 1. Mai einen guten Monat länger in den Frühling hinein.
Ski-Retortendorf am Boden einer weißen Schüssel
Für Wintersport sind die Lage auf dem Alpenhauptkamm und die Topografie nämlich ideal. Also entstand hier im Salzburger Land auf 1664 Metern Höhe ab den 1950er Jahren ein auf mehrere Gemeinden verteiltes Ski-Retortendorf, das am Boden einer Schüssel liegt. Drumherum erhebt sich ein eher sanftes und ganz oben auch knackiges Skigebiet mit 100 Pistenkilometern zwischen 1630 und 2313 Metern. Zum Verbund gehören noch die 50 Kilometer Pisten von Grosseck–Speiereck im nur 20 Minuten entfernten Mauterndorf - mit dem kostenlosen Skibus sind sie schnell erreicht.
Dieser Text müsste sich angesichts all dieser Parameter eigentlich aufs alpine Skifahren fokussieren, und das wird er auch noch. Doch Skifahren ist wegen seines Energie- und Flächenverbrauchs und wegen der Abgase bei der Anreise umstritten.
Auch wir wollten unbedingt die Top-Alternative zum Rummel auf breiten Pisten ausprobieren und sind an der 7 Kilometer nördlich gelegenen Gnadenalm, wo man auch Schneeschuhwandern, mit dem Pferdeschlitten fahren und nach dem Aufstieg mit dem Motorschlitten rodeln kann, in die Langlauf-Ski gestiegen. Und haben sogar eine Waffe in die Hand genommen. Und weil`s überraschenderweise so toll war, rückt es im Text jetzt weit nach oben.
Sogar Kinder greifen beim Biathlon zur Laserwaffe
„Ihr müsst beim Zielen langsam ausatmen, einen Moment der Ruhe finden. Und dann den Schuss setzen“, sagt Simon, Langlauf-Cheftrainer auf der Gnadenalm und ehemaliger Biathlet. Hier auf einer flachen Hochalm hat er ein kleines Biathlon-Zentrum aufgebaut, in dem auch die ganze Familie von Klein bis Groß diesen spannenden Sport, den viele nur aus dem Fernsehen kennen, selbst ausprobiert.
Es kann ja nichts passieren beim Schießen, denn die Gewehre lassen sich zwar 1:1 bedienen wie echte Kleinkaliber, doch aus ihrem Lauf trifft nur ein Laserstrahl auf die Scheiben – selbst die Geräusche beim Treffer werden simuliert. Nach einer kleinen Testrunde geht´s zum echten Wettbewerb um den Gnadenalm-Cup an die Start- und Zielfahnen, dann im flotten Lauf einen kleinen Parcours zum Liegendschießen auf Gummimatten. Wer verfehlt, dreht seine Strafrunden, die anderen laufen zum Stehendschießen, Treffer, verfehlt, Strafrunde, Zieleinlauf mit großem Jubel und mächtig Glücksgefühl und roten Bäckchen. Fühlt sich richtig gut an!
Wer schon die Langlauf-Ski an den Füßen hat, sollte sich noch aufmachen zu einer Runde in der Loipe durch die tief verschneite Winterlandschaft. Wir haben die roten 6 Kilometer gewählt, 2, 4 oder 8 Kilometer gehen auch. Und obwohl wir alle blutige Anfänger sind, kommen wir prima mit den schmalen Ski zurecht, sogar die Kleine mit ihren acht Jahren fährt voller Elan mit und freut sich, dass sie mal nicht so schweres Gerät an den Füßchen hat. Langlauf geht in Obertauern selbst ab Sportzentrum/Bernhof zwar auch, ist aber Nebensache. Hier sind sie darauf spezialisiert.
Es ist so ganz anders, wir spüren die gewaltige Natur, genießen die Ruhe, saugen das Winterwunderland in uns auf, atmen bei diesem sanften Sport tief durch, könnten uns auch richtig auspowern. Leise gleiten wir dahin, und fällt mal jemand um, lachen wir herzlich – es kann ja kaum was Schlimmes passieren.
„Das müssen wir unbedingt wieder machen!“, sind sich alle einig – den nächsten Winterurlaub teilen wir vielleicht sogar halbe-halbe auf – Langlauf war für uns überraschenderweise der gleiche Genuss wie Skifahren, die Glückshormone flossen an diesem verschneiten Tag vielleicht sogar ein wenig mehr. Was vielleicht auch an der anschließenden Kaspressknödelsuppe, dem Schweinsbratenpfanderl oder dem Fondue in der angeschlossenen Almhütte lag - zu fairen Preisen.
An einem Tag auf der Tauernrunde das Skigebiet umschaukeln
Mit Abstand die meisten Gäste kommen nach wie vor zum alpinen Skifahren. Folgen Sie den roten „Tauernrunde“-Schildern, schaukeln Sie im Uhrzeigersinn einmal rund um Obertauern – den grünen nach geht’s gegen die Uhrzeiger auf anderen Pisten. So braucht´s schnell zwei Tage, bis Sie alles abgefahren sind. Wollen Sie zwischendrin mal schnell ins Quartier? Kein Problem: Nie ist es von ihrem Hotel oder Appartement weit zur nächsten Piste, via Sonnenlift oder Zehnerkar-Gondel wechseln Sie im Zentrum schnell vom Süd- auf den Nordhang.
Bei rund 10.000 Gästebetten hat der Ort gerade mal 200 feste Einwohner - meist die Nachfahren der paar Bergbauern, die hier früher eine Alm bewirtschafteten. Heute sind fast alle der alteingesessenen Familien Hoteliers, Liftbetreiber, Skischulbesitzer, Skiverleiher oder Après-Ski-Wirte, manche auch alles in einem. Familiär geht´s daher in der Regel zu, denn fast alles ist in Familienhand - auch wenn sich inzwischen internationale Hotelketten wie Valamar eingekauft haben, was unter den Alteingesessenen umstritten ist. Sie möchten den Charakter des Ortes gern erhalten.
Der ist auch ein bekanntes Partydorf in den Alpen, doch die Gaudi konzentriert sich auf eine sündige Partymeile und wenige sündhaft teure Feier-Hütten im Skigebiet wie die Edelweissalm, wo das 0,4-L-Bier an der Piste mit 6,80 Euro genauso teuer ist wie im dazugehörigen Lürzer Après-Ski-Bunker unten im Ort. Dort rechnet man wenigstens damit, dass man kräftig ausgenommen wird.
Lassen Sie sich davon nicht abschrecken, der größte Teil des überschaubaren Obertauern ist ruhig und familienfreundlich – wer keine Party sucht, bekommt von ihr auch nicht viel mit, da gibt es viel trubeligere Orte. Das Preisniveau ist angesichts der Klientel dennoch eher hoch, doch wer ein wenig sucht und gezielt fragt, findet genug Gastronomen mit angemessenen Preisen.
Das Skigebiet gehört zu den günstigsten der Alpen
Das Skigebiet selbst ist sogar eher günstig, der Tagesskipass kostet einen Erwachsenen in der Hauptsaison 59 Euro, woanders zahlen Sie oft fast 20 Euro mehr, die Mehrtageskarten sind ebenfalls vergleichsweise günstiger. Auch die sieben Ski- und Snowboardschulen haben moderate Preise: Bei der Skischule Koch, zentral im Ort am Sonnenlift gelegen, kosten fünf Tage Ganztages-Skikurs 323 Euro – gut investiert, wenn die Eltern mal ganz alleine tief ins Skigebiet vordringen und sich ein paar Tage zu zweit gönnen.
Sie sollten - vielleicht am ersten Tag oder am Abreisetag, um dem Stau am Morgen zu entkommen - unbedingt noch eine schöne Winterwanderung ab Sportzentrum machen - diese sonnige Tour haben wir für Sie hier bei Komoot verlinkt. Entlang der Loipenrunde laufen Sie knapp 6 Kilometer direkt aus Obertauern hinaus, vorbei an ein paar stillen Almen zu den Talstationen zweier Lifte. Auf dieser Runde können Sie sogar in mehreren Hütten einkehren - eine Mischung aus Ruhe und Skirummel.
Mehr Informationen:
Tourismusverband Obertauern, Tel.: 0043/6456/7252
Hier geht´s zu den Skipässen.
Gnadenalm:
www.gnadenalm.com/langlaufen/biathlon
Anreise:
Mit dem Auto ab Nürnberg via München und Salzburg knapp 400 Kilometer in 4 1/4 Stunden. An Feriensamstagen/Bettenwechsel die Rückreise am besten etwas später bzw. via Schladming, Liezen, Wels, Passau fahren und nicht über München.
Skischule:
Schischule Koch, www.skikoch.at, Tel.: 0043/6456/73686
Wintersaison:
Ende November bis 1. Mai.
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