Gewaltsamer Tod an der S-Bahn

Vor drei Jahren wurden ihre Söhne getötet - heute werben die Eltern für Gewaltprävention

25.1.2022, 15:41 Uhr
 Vor drei Jahren wurden ihre Söhne getötet  - heute werben die Eltern für Gewaltprävention

© Michael Matejka, NNZ

Es war ein Gänsehaut-Moment im Maximilianeum: Der Bürgerpreis 2021 des Bayerischen Landtags wurde verliehen und dabei die „Frederik und Luca Stiftung“ besonders gewürdigt.
Ilse Aigner, CSU, Präsidentin des Bayerischen Landtags, hatte glasige Augen. Auch Moderatorin Eva Grünbauer – sie ist selbst zweifache Mutter – verdrückte einige Tränen, beschreibt Georg Ballmann, Geschäftsführer der „Frederik und Luca Stiftung“.

Eine Stiftung, die es nur gibt, weil zwei Eltern ihre Söhne verloren haben: Luca Ballmann und Frederik Wilke wurden mit Gewalt aus ihrem Leben gerissen. Am 26. Januar 2019 warteten die beiden 16-Jährigen am Bahnhof „Frankenstadion“ auf die S-Bahn, gegen 0.13 Uhr wurden sie vor einen Zug gestoßen.

 Vor drei Jahren wurden ihre Söhne getötet  - heute werben die Eltern für Gewaltprävention

© privat

Was sich am Bahnsteig abspielte, hat Georg Ballmann seither Hunderte Male gesehen. Eine Überwachungskamera hielt den Hergang der Tat fest – und das Video belegt, dass Luca und Frederik an jenem Abend versuchten, einen Streit zu schlichten, zu deeskalieren.

Sie hatten mit ihrer Freundesclique aus Heroldsberg eine U18-Party besucht, am Bahnsteig war es schließlich zu einer Auseinandersetzung mit anderen Jugendlichen gekommen.


Das Verbrechen an der S-Bahn erschüttert bis heute


Das Verbrechen entsetzte Menschen in ganz Deutschland, Georg Ballmann und Björn Wilke, die Väter von Luca und Frederik, gaben Interviews, sie traten im Fernsehen auf – und sie wandten sich bereits damals gegen pauschale Hetze und Hass gegen die Täter, zwei 18-Jährige mit Migrationshintergrund. Sie wurden im Dezember 2019 zu Jugendstrafen verurteilt, mittlerweile sind beide in die Freiheit entlassen worden.

Zuhören statt zuschlagen

Eine längere Haftstrafe hätte ihm Luca auch nicht zurückgebracht, sagt Ballmann heute. Er wählt seine Worte mit Bedacht, wirkt besonnen und ruhig. Vielleicht wurde ihm deshalb von Menschen, die ihn nicht kennen, in sozialen Netzwerken vorgeworfen, dass er „gefühlskalt“ auf den Tod seines Sohnes reagieren würde. Doch jeder trauert anders. Nur wenige Wochen nach Lucas Tod war für Georg Ballmann klar, dass dieser sinnlose Tod einer Erwiderung bedarf. So riefen die Familien der beiden Jungen die „Frederik und Luca Stiftung gemeinnützige GmbH“ ins Leben.

In jenem Jahr 2019, das Jahr, in dem Luca und Frederik getötet wurden, listet die Polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland 427 749 Kinder, Jugendliche und Heranwachsende bis zum Alter von 21 Jahren auf, alle wurden einer Straftat verdächtigt. Diebstahl, Sachbeschädigung, Schwarzfahren und einfache Körperverletzung machen die Mehrzahl der Delikte aus, schwere Kriminalität ist, statistisch gesehen, nur ein kleiner Teil der Jugenddelinquenz.

Zumindest eine gute Nachricht kommt aus der Kriminalforschung: Bei den meisten Jugendlichen bleibt es bei einem einmaligen Fehltritt, dies wird als Erfolg einer regulär verlaufenden Erziehung und Sozialisation gewertet. Forscher sprechen von „Spontanbewährung“

Das meiste regelt sich ohne die Strafjustiz – aber nicht ohne Eingriffe. Familien, Freunde, Schulen oder Vereine leisten gerade beim Erlernen von sozialen Normen die Hauptarbeit: Ein Leben ohne Gewalt kann eingeübt werden. Und genau darauf will die Stiftung hinaus: Kinder sollen lernen zuzuhören – statt zuzuschlagen. Deshalb werden Streitschlichter-Programme in Kindergärten und Schulen finanziert und unterstützt.

"Vorbeugen, statt hinterher zu reparieren"

Die Stiftung setzt auf „Faustlos“, dieses Gewaltpräventionsprogramm wird vom Heidelberger Präventions-Zentrum betreut. Es geht um Alltagsszenen: Jungs und Mädchen, die im Kindergarten weinen, weil sie „ihre Bauklötzchen“ nicht teilen wollen, Jungs, die im Schulhof anderen das Pausenbrot wegnehmen – es gilt, kleine Konflikte zu bewältigen.

„Vorbeugen ist besser als hinterher zu reparieren“, sagt Ballmann. Lässt es seine Zeit zu, kommt er selbst zu Schulungen und erklärt in Kindergärten und Schulen, welches Unglück seiner Familie widerfuhr und was ihn antreibt.

150 000 Euro Spenden generiert

Seit Gründung hat die Stiftung 150 000 Euro Spenden generiert, der Förderverein hat 400 Mitglieder, erhoben werden 50 Euro Jahresbeitrag. In den Landkreisen Erlangen-Höchstadt und am Bayerischen Untermain, die Arbeit konzentriert sich auf die Heimat-Regionen von Frederik und Luca, wurden bereits 150 pädagogische Fachkräfte geschult. In den nächsten zwei Jahren sollen 1000 Fachkräfte mit Hilfe von „Faustlos“ sensibilisiert und ausgebildet werden – so soll es zum Multiplikatoreneffekt kommen. Hochgerechnet durchlaufen in den nächsten Jahren 25 000 Kinder das Programm, sie sollen Empathie, Impulskontrolle und Umgang mit Ärger und Wut lernen. Ein sozialverträgliches Miteinander als Lernstoff – dies ist wohl die beste Kriminalprävention.

Spendenkonto

Raffeisen-Volksbank Aschaffenburg
IBAN DE33 7956 2514 0003 0210 17

Wer eine Spendenbescheinigung will, gibt bitte seine Daten an.

Ansprechpartner:
Georg Ballmann
Erlenbacher Str. 36
63820 Elsenfeld

Tel.: 06022 618616
info@ful-stiftung.de

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