CDU dringt nun auf einen totalen Systemwechsel

Das Bürgergeld als Kampfplatz: Warum weder Union noch SPD mit ihren Thesen richtig liegen

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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19.3.2024, 14:53 Uhr
Da geht es lang, sagt Friedrich Merz nun auch in der Sozialpolitik.

© Christoph Soeder, dpa Da geht es lang, sagt Friedrich Merz nun auch in der Sozialpolitik.

Bis zur nächsten regulären Bundestagswahl sind es noch eineinhalb Jahre. Aber wir wissen jetzt schon ziemlich genau, wie sich Union und SPD als die beiden klassischen Regierungsparteien in der Sozialpolitik aufstellen werden: ziemlich konträr. Die Sozialdemokraten verkünden eisern, an den Sozialausgaben dürfe keinesfalls gespart werden. CDU und CSU wollen radikale Änderungen bis hin zur Abschaffung des Begriffs „Bürgergeld“.

Realistisch ist beides nicht, auch wenn die Kontrahenten so tun als ob. Es steckt viel Wunschdenken und das Schielen auf Wählerstimmen dahinter. Das muss man leider so deutlich sagen. Bestenfalls kann man von den üblichen, nicht einzuhaltenden Wahlversprechen reden. Drei Gründe, warum das so ist.

Erstens: Die SPD tut sich keinen Gefallen, wenn sie kategorisch behauptet, bis zum letzten Cent müsse am Sozialsystem exakt alles so erhalten bleiben, wie es ist - oder, besser noch, man müsse man die Leistungen sogar ausweiten.

Die Sozialdemokraten wissen selbst nicht, wie das funktionieren soll

Wie das funktionieren soll, das wissen die Sozialdemokraten selbst nicht angesichts einer stockenden Wirtschaftsentwicklung und dringend nötigen Ausgabensteigerungen für Bildung, Infrastruktur und Verteidigung. Außerdem ist es völlig unsinnig, ausgerechnet in diesem Bereich auf ein ständiges kritisches Hinterfragen von Leistungen zu verzichten.

Zweitens: Wenn die Union jetzt den Eindruck erweckt, gründlich „aufräumen“ zu wollen, dann ist das ebenfalls nicht haltbar. Das System lässt gar keine radikalen Brüche zu, was unter anderem die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts verhindern würde. Es ist allerdings möglich, an bestimmten Stellschrauben zu drehen, was durchaus sinnvoll sein kann.

Es ist falsch, so zu tun, als gehe es nur um Totalverweigerer

CDU und CSU sollten sich hüten, den Eindruck zu erwecken, man habe es beim Bürgergeld zu großen Teilen mit Totalverweigerern zu tun, die grundsätzlich nicht arbeiten wollen. Das ist nachweislich nicht richtig.

Drittens: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden weder Union noch SPD alleine regieren und ihre Vorstellung auch nur annähernd so umsetzen können, wie sie das jetzt ankündigen. Es könnte - Ironie der Geschichte - sogar sein, dass ausgerechnet die beiden eine Koalition bilden und sich einigen müssen.

Die Mischung aus beiden Konzepten wäre das Angemessene. Sozialleistungen müssen wie alle anderen Ausgaben in regelmäßigen Abständen auf den Prüfstand, denn es gibt schließlich auch Fehlsteuerungen, die beseitigt werden sollten. Es darf aber, und da haben die Sozialdemokraten Recht, nicht grundsätzlich und aus Prinzip an den Ärmsten der Gesellschaft gespart werden in der Hoffnung, dass diese sich weniger gut zur Wehr setzen können als Bauern und Lokführer.

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