Eskalation schafft neue Gewalt

Dauer-Krieg nach dem Hamas-Terror: Netanjahu isoliert Israel weltweit

Alexander Jungkunz

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6.4.2024, 18:55 Uhr
Auf riskantem Kurs: Israels Premier Benjamin Netanjahu.

© Ronen Zvulun/Pool Reuters/AP/dpa Auf riskantem Kurs: Israels Premier Benjamin Netanjahu.

Sie mordeten, vergewaltigten, verbrannten Menschen, unter ihren rund 1200 Opfern waren viele Frauen, Babys, Kinder, Greise. Sie nahmen fast 240 Geiseln, von denen 31 inzwischen schon tot sind, 136 sind immer noch in der Hand der Hamas-Terroristen.

Eine Zäsur, ein Trauma, unzählige Narben, viele Opfer

Der 7. Oktober 2023, der nun ein halbes Jahr zurückliegt, war und ist eine äußerst brutale Zäsur vor allem, aber nicht nur für Israel. Das Land verlor seinen Nimbus als sicherer Hort für Juden aus aller Welt. Ein tiefer Schock, ein Trauma, tiefe Narben - zigtausendmal.

Dass Israel mit aller Macht zurückschlagen wird, ja muss: Das war klar, und es war wohl auch die von der Hamas - die sich keine Sekunde um das Schicksal der Menschen in Gaza schert - zynisch einkalkulierte Reaktion. Lassen wir Israel nur loslegen - rasch wird die Macht der furchtbaren Bilder so drückend, dass aus dem angegriffenen Land, dem Opfer, für die Öffentlichkeit der Angreifer wird, der Täter: In weiten Teilen der Weltöffentlichkeit hat diese Täter-Opfer-Umkehr nur zu gut funktioniert. Dafür ist, man muss und man darf es auch so deutlich sagen, auch Israel verantwortlich. Genauer: die teils rechtsextreme Regierung mit Benjamin Netanjahu an der Spitze.

Seine Motive für einen langen Krieg gegen die Hamas sind teils auch persönlich begründet: Er weiß, dass er sein Amt sehr wahrscheinlich verliert (und dann Prozesse durchstehen muss), sobald der Konflikt vorbei ist. Denn viele Israelis misstrauen ihm zutiefst, das zeigen Proteste und alle Umfragen. Er hat zudem offensichtlich keinen realistischen Plan für die Zeit danach. Eine Zwei-Staaten-Lösung mit ihm? Undenkbar. In Gaza leben aber rund zwei Millionen Menschen. Was soll mit ihnen geschehen, wer soll sich um sie kümmern?

Mit den zwei Gewalttaten vom Ostermontag hat Israels Führung ihre internationale Isolation drastisch verschärft: Die Attacke auf die Hilfsorganisation World Central Kitchen mit sieben Toten offenbarte, wie sehr auch Helfer zwischen die Fronten geraten. Und die Bombardierung iranischer Botschaftsgebäude in Damaskus mit sieben Toten birgt die Gefahr einer Eskalation. Der Iran dürfte zwar wohl nicht direkt eingreifen - hoffentlich -, aber er wird den Terror seiner Vasallen Hamas und vor allem Hisbollah befeuern, der Krieg dürfte ausgreifen.

Wurzel für Hass ohne Ende

Eine verheerende Lage, aktuell ohne jeden Hoffnungsschimmer. Deren Urheber, das ist festzuhalten, ist die Hamas. Doch Netanjahus Auslöschungs-Fantasie mit bisher über 30.000 Toten legt die Wurzel für neue Gewalt und für neuen Hass ohne Ende.

Netanjahus Unbeugsamkeit schadet inzwischen auch jenen, die ihn lange stützten und nun vergeblich versuchen, ihn zu bremsen. Joe Biden gerät unter Druck, Olaf Scholz rückt ebenfalls ab von bedingungsloser Solidarität. Diese Regierung Israels macht es ihren Freunden schwer, noch mehr aber dem Land selbst.

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