Klare Solidarität gefordert

Die SPD und ihr Ukraine-Kurs: Historiker treffen mit Brandbrief die Partei ins Mark

Alexander Jungkunz

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1.4.2024, 16:55 Uhr
Mahnt seine eigene Partei: Historiker Heinrich August Winkler.

© Wolfgang Kumm, dpa Mahnt seine eigene Partei: Historiker Heinrich August Winkler.

"Immer wieder willkürlich, erratisch und nicht selten faktisch falsch": So hart kritisieren fünf Historiker, die selbst Mitglied der SPD sind, das Verhalten ihrer Partei in Sachen Ukraine. Heftiger kann ein Urteil kaum ausfallen. Und es hat Gewicht, kommt es doch auch von Heinrich August Winkler, dem führenden Zeitgeschichtler der Republik.

Nur ein Teil der Wahrheit

Sie vermissen die "unzweideutige Solidarität" Deutschlands gegenüber dem von Russland überfallenen Land. Da werden viele einwenden: Die Bundesrepublik ist doch nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, mit immer neuen Zusagen. Ja, das stimmt - aber das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Der andere ist auch am Kriegsverlauf ablesbar: Die Ukraine könnte verlieren - die Gefahr steigt, je länger das Gemetzel dauert. Und das liegt auch daran, dass der Westen - also die EU und die Nato - doch nicht alles tut, um das zu verhindern. Das würde noch mehr Unterstützung bedeuten - mit Munition, die der Ukraine fehlt, und auch mit einer Waffe wie den Taurus-Marschflugkörpern, deren Lieferung Kanzler Scholz nun ausgeschlossen hat.

Fatale öffentliche Spannungen zwischen Berlin und Paris

Noch entscheidender ist aber, wie einig oder zerstritten der Westen Putin entgegentritt. Und da sind die öffentlich ausgetragenen Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland fatal. Es ist, das kritisieren die Historiker auch, ja in der Tat unüblich und seltsam, dass man sich selbst rote Linien setzt - normalerweise benennt man die gegenüber einem Kontrahenten. Berlin aber sagt selbst und ohne Not, was Deutschland auf keinen Fall tun wird. Nämlich: Taurus zu liefern. Und das soll Eindruck auf Putin machen? Ein Gegner, der sich selbst Fesseln auferlegt? Das dürfte den Kreml-Herrn sehr amüsieren.

Man kann sich auch schwer vorstellen, wie jenes "Einfrieren" des Krieges aussehen soll, das SPD-Fraktionschef Mützenich ins Spiel brachte. Das "würde am Ende nur Putin helfen", sagte Verteidigungsminister Pistorius - und zeigte so auch, dass die SPD selbst uneins ist über ihren Kurs. Der Kanzler erklärte nun, der Einsatz sei "auch für uns, für unsere Sicherheit" nötig - eine indirekte Absage an Mützenich.

Verständliche Sehnsucht

Noch deutlicher wurde über Ostern Wirtschaftsminister Robert Habeck: "Putin will den Krieg, Putin braucht den Krieg, er treibt ihn voran für einen wahnhaften Neo-Imperialismus und weil er Angst vor einer freien, demokratischen, erfolgreichen Ukraine hat, die dann ein Vorbild für Russland wäre."

Das kommt der bitteren Wahrheit vermutlich viel näher als irgendwelche Hoffnungen auf Gespräche mit einem immer unerbittlicheren Diktator, die mit einer für die Ukraine und damit auch für den Westen annehmbaren Lösung enden. Aber ob die SPD mehr Entschlossenheit fürs Überleben der Ukraine aufbringt, wie sie ihre Ampel-Partner und auch die Union fordern? Angesichts des Wahljahrs und der verständlicherweise großen Friedens-Sehnsucht vieler Deutscher ist das eher unwahrscheinlich. Denn Scholz will - und kann womöglich - mit seinem zögerlichen Kurs punkten.

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