Nach dem verheerenden Anschlag

Wie Putin den Terror instrumentalisiert

Alexander Jungkunz

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25.3.2024, 14:55 Uhr
Eine Kerze für die Opfer: Wladimir Putin in Moskau.

© Mikhail Metzel, dpa Eine Kerze für die Opfer: Wladimir Putin in Moskau.

Solche Meldungen hat es lange nicht mehr gegeben, zum Glück: Terroranschläge waren seltener geworden, gerade vom IS hatten wir nichts mehr gehört. Doch es ist ein Irrtum, zu glauben, diese Organisation - eine Art Dachmarke für etliche Truppen - sei quasi abgemeldet. Immer wieder reklamieren IS-Gruppen Attentate für sich - aber zuletzt kaum in Europa, sondern vor allem in Afrika und Asien, was bei uns weniger bis kaum Beachtung findet.

Der Anschlag in einer Konzerthalle bei Moskau mit mindestens 137 Toten ist da von einem anderen Kaliber, aus mehrfacher Hinsicht. Experten halten die Bekennerschreiben und -videos des IS-Ablegers Khorasan für echt. Es gab schon vor Wochen entsprechende Warnungen der US-amerikanischen Geheimdienste an Moskau - auf dieser Ebene scheint es immerhin noch Kontakte zu geben. Doch Putin wies die Infos als Einmischung des Westens zurück.

Von Anfang an nutzte er Anschläge für sich

Und er handelte nach bekanntem Muster: Unmittelbar nach seinem Start als Kreml-Chef 1999 nutzte er ähnliche Terroranschläge in Moskau für seine Zwecke. Er beschuldigte Tschetschenen der Taten, Spuren (teils vom russischen Geheimdienst, Putins Heimat, gefälscht) deuteten in diese Richtung. Und Putin konnte den zweiten Tschetschenien-Krieg losbrechen - mit brachialer Gewalt.

Jetzt brauchte er 19 Stunden, bis er sich erstmals zum Anschlag äußerte - und in Richtung Ukraine deutete, trotz der IS-Indizien. Putins langes Schweigen spricht dafür, dass der Kreml massiv geschockt war darüber, dass so ein Attentat nahe bei Moskau geschehen konnte. Die Formel, mit der Russlands Diktator sein Volk regiert, lautet ja in etwa: Sicherheit gegen Freiheit - nach dem Motto: Es gibt zwar Einschränkungen, aber dafür lebt ihr hier sicherer als im bösen Westen.

Brüchige Zusage "Sicherheit gegen Freiheit"

Diese Zusage wurde nun brüchig. Eine Gefahr dürfte daraus für Putin eher nicht entstehen. Die meisten Russen glauben seiner Propaganda - und gegen seine Gegner wird er, nach der gewonnenen "Wahl" und nun auch nach dem Terror, noch härter vorgehen. Im Inneren gegen Regimekritiker, im Äußeren gegen die Ukraine. Kurz vor dem Anschlag sprach Putin da ja erstmals von "Krieg", nicht von "Spezialoperation". Nun könnte eine weitere Mobilmachung mit noch mehr russischen Soldaten als Material für die Schlacht gegen Kiew drohen.

Dass da andere Terroristen Putin in die Quere kamen, das ist aus seiner Sicht nicht bloß ein blutiger, entsetzlicher Anschlag. Nein: Ein Diktator, der selbst mit Repression und Terror regiert, kann schwer dulden, wenn andere Gruppen ähnlich agieren - und von Putins Sicherheitsapparat, der offenbar versagte, nicht daran gehindert werden konnten.

Die Folge: eine weitere, buchstäbliche Verhärtung der Fronten. Und: Es ist offenbar wieder zu rechnen mit dem IS. Alles andere als erfreuliche Aussichten.

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